18.03.2010

Rückblick München

Werkstattgespräche – Wie finden Architekten, Handwerker und Industrie zusammen?

»Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück«, forderte Walter Gropius im Gründungsmanifest des Bauhauses. Dass gemeinsame Parameter auch heute noch die Mittel und Wege eines erfolgreichen Dialogs zwischen allen am Bau Beteiligten sind, zeigten die Werkstattgespräche unter Moderation von Dr. Sandra Hofmeister, die kürzlich im Rahmen der Messe »Farbe – Ausbau & Fassade« in München stattfanden. Wie diese Parameter zum Thema Farbgestaltung aussehen können, wurde in drei Gesprächsrunden mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten anhand verschiedener Beispiele beleuchtet und vor dem individuellen Hintergrund der Beteiligten aus Handwerk, Industrie und Architektur beurteilt.

Den Rückblick zu den Werkstattgesprächen finden Sie hier.

Graue Stadt – Bunte Stadt – 24. März 2010
Farbgestaltung im Öffentlichen Raum
Ganze Stadtviertel lassen sich nach Farbgruppen differenzieren, Straßenzüge unterscheiden sich nach Farbkombinationen und historische Epochen können nach spezifischen Farbpaletten bestimmt werden. Lino Sibillano vom Haus der Farbe erläuterte eine Studie der Schweizer Ausbildungs- und Forschungsplattform, die diese Zusammenhänge am Beispiel von Zürich aufdeckt und als Handbuch für Architekten aufbereitet. Obwohl die Farbvielfalt im Öffentlichen Raum entscheidend für den Charakter von Städten ist, bleibt die Farbgestaltung in vielen Fällen dem Farbgespür und Engagement der Planer überlassen, wobei Handwerk und Industrie maßgeblich bei der Ausführung mitwirken.

Purer Zufall einerseits und gekonnte Konzeption mit Unterstützung professioneller Farbgestalter andererseits sind im Einzelfall möglich – je nach Projekt. Das Münchner Büro Steidle Architekten hat sich für die gezielte Farbkonzeption entschieden und arbeitet seit vielen Jahren mit dem Künstler Erich Wiesner zusammen. „Wir beziehen ihn schon im frühen Stadium des Entwurfs ein, er hat unser absolutes Vertrauen“, beschreibt Johann Spengler die Zusammenarbeit für die Masterplanung des Olympischen Dorfes in Turin. „Das Ergebnis seiner Farbgestaltung ist manchmal überraschend für uns. Mit Farbe kann man die Wirkung verändern.“ Der Zeit- und Finanzdruck auf der einen sowie die öffentlichen Ausschreibungen auf der anderen Seite seien allerdings oft ein Problem für die Sorgfalt bei der Ausführung. Trotzdem sei der Dialog mit den Handwerkern vor Ort unverzichtbar, wie Erich Wiesner aus Erfahrung berichtete. Doch er müsse ebenso wie die Kooperationspartner aus der Industrie von Projekt zu Projekt neu gesucht und im laufenden Prozess erprobt werden.

Erich Wiesner

Sandra Hofmeister mit Johann Spengler

Eine gemeinsame Sprache für den Dialog zwischen Architekten und Handwerk zu finden, zählt mit zu den Voraussetzungen dieser Zusammenarbeit. Auch die Ausbildung sei hier gefragt, wie Georg Trenz von den Städtischen Fach- und Meisterschulen für Farbgestaltung in München postulierte. Dass neue Mittel und Wege der Kommunikation notwendig seien, erläuterte Filip Roscam aus seinem Erfahrungshorizont der Pigmententwicklung bei Merck. Je näher die Produktenwicklung am späteren Kunden ist, desto brauchbarer ist sie.

Filip Roscam

Georg Trenz und Lino Sibillano

Akzente im Innenraum – 25. März 2010
farbige Interieurs und ihre Wirkung
Anders als im Öffentlichen Raum, erlaubt die Farbgestaltung im Innenraum oft Kooperationen, die auf die langfristige Zusammenarbeit angelegt sind: Der Ausschreibungszwang hält sich in Grenzen, die Qualität steht bei privaten Bauherren oft im Vordergrund. Peter Ippolito betonte den interdisziplinären Ansatz, mit dem Graphiker, Produktdesigner und Architekten in der Stuttgarter Ippolito Fleitz Group je nach Projekt durch weitere Fachplaner unterstützt werden. Dabei stehe außer Frage, dass die beste Planung nicht ohne die sorgfältige Umsetzung auskommt. In den Werkstätten von Baierl & Demmelhuber haben die Stuttgarter Architekten einen Partner für den Komplettausbau gefunden, mit dem sie bereits mehrfach und auch auf internationaler Bühne kooperiert haben. „Die Ausbildung ist entscheidend“, erläuterte Georg Demmelhuber seine Sicht. „Wir müssen mehr Wert auf die Ausbildung der Handwerker legen. Nur so können wir Qualität garantieren. Nur so sind kleine und mittlere Handwerksbetriebe konkurrenzfähig, auch im Ausland.“

Dass die Ausbildung stets auch Weiterbildung sein muss, legte Anne Surlemont von Trettford dar: Schulungsmaßnahmen gehören mit zur Unternehmenskultur der Weseler Teppich AG. Während also einerseits der Kontakt zum Handwerk entscheidend ist, um Qualität bei der Realisierung zu garantieren, sucht die Industrie andererseits das Gespräch mit Architekten. So ergeben sich aus manchen Sonderlösungen, die für spezielle Projekte entwickelt wurden, neue Serienprodukte. Einen Kardinalsweg allerdings gibt es dabei nicht.

Dr. Sandra Hofmeister, Peter Ippolito, Anne Surlemont

Georg Demmelhuber

Unterstützen können jedoch die seriösen Methoden der Trendforschung, mit der Vorhersagen für Farben und Farbkombinationen im Innenraum getroffen werden können, wie Prof. Markus Schlegel vom Institute International Trendscouting der HAWK Hildesheim erklärte. Ein Umstand, der gerade für die Produktentwicklung nicht unwichtig ist. Doch eine sichere Garantie dafür, dass heute entwickelte Produkte mit speziellen Farben den Markt von Morgen treffen, gibt es nicht und bleibt unternehmerisches Risiko.

Anne Surlemont im Gespräch

Prof. Markus Schlegel

Muster, Ornament und Farbe – 26. März 2010
Künstlerische Ideen und ihre Ausführung

Ornamente stellen die Wahrnehmung auf die Probe, spielen mit ihren Parametern und setzen in der Regel ein hohes Maß an Farb- und Materialqualität voraus. Josef Roschitz vom Grazer Label Splitterwerk erläuterte, inwiefern die experimentelle Herangehensweise des Architekten- und Künstlerkollektivs auf starke Partner in der Industrie setzt, die sich auf Wagnisse wie die ornamentale Fassade des Frog Queen-Gebäudes einlassen. Hinzu komme der enge Kontakt zu den Handwerkern – in den Augen von Roschitz unverzichtbar für das Gelingen eines anspruchsvollen Projekts. So richtet Splitterwerk bereits die Entwürfe nach der Frage der Bauleitung aus. Liegt sie nicht in den Händen der Architekten, so falle die Planung weniger experimentell und deutlich einfacher in der Ausführung aus.

Josef Roschitz und AnneMarie Neser

Wie sehr bestimmte Industriezweige, die mit ihren ornamentalen Oberflächen auf die hochwertige Ausführung angewiesen sind, von der Ausbildung der Handwerker abhängig sind, machte Dieter Buhmann von der Marburger Tapetenfabrik deutlich: „Die Maler haben das Tapezieren verlernt, es zählt nicht mehr zu den Ausbildungsinhalten“. Mit Schulungen und Fortbildungen versuche das Traditionsunternehmen diesem Umstand entgegenzuwirken. Der Austausch zwischen Industrie, Handwerk und Architekten ist also auch aus Ausbildungssicht unumgänglich. „So können auch neue Ideen und Innovationen entstehen, die außerhalb des funktionierenden Zirkels von Handwerk, Architekt und Industrie nicht entstanden wären“, ergänzte AnneMarie Neser vom Deutschen Farbenzentrum in Berlin.

Dr. Gabriel Mayer

Dieter Buhmann im Gespräch

Fotograf: StudioLoske, München

Moderation: Dr. Sandra Hofmeister

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