Skaten in der alten Industriehalle
Actionsportzentrum in München von Behnisch Architekten
Auf rund 1000 m² Fläche bietet die ehemalige Eggenfabrik nun Raum für Skateboard, BMX und andere Trendsportanlagen. © David Matthiessen Fotografie
1910 entstand im Westen von München, unmittelbar an der Bahnstrecke nach Augsburg, das Firmengelände der Münchener Eggenfabrik. Bis zu 250 Mitarbeitende arbeiteten hier in der Produktion von landwirtschaftlichen Geräten. Heute sind davon nur zwei Relikte übrig: die Direktorenvilla von 1923 und die bereits 1910 entstandene, zentrale Fabrikhalle. Auf dem angrenzenden, ehemaligen Bahngelände ist in den letzten Jahren ein neues Wohngebiet entstanden. Den Hallenbau haben Behnisch Architekten zum vermutlich bundesweit ersten Actionsportzentrum für Trendsportarten wie Skateboard, BMX und Parkour umgebaut. Ihr Auftraggeber war die Stadt München, betrieben wird die Anlage von den Ehrenamtlichen eines Vereins.


Der charakteristisch geschweifte Giebel wurde neu verputzt und von innen gedämmt. Die Längsfassaden erhielten dagegen eine Außendämmung. © Maria Ader/Behnisch Architekten
Solitärbau mit Vorgeschichte
Heute steht die Halle allein als Solitär auf weiter Flur. Das war nicht immer so: In den Anfangsjahren war sie von zwei weitläufigen Seitenflügeln mit Sheddächern flankiert. Einer davon wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, nachdem das Gelände 1930 in den Besitz der Deutschen Reichsbahn übergegangen war. Deren Rechtsnachfolger Deutsche Bahn gab die Gebäude später an einen Privatinvestor weiter, der den Rest der Seitenflügel abräumen ließ. Lediglich der Hauptbau blieb erhalten und steht seit 2008 unter Denkmalschutz. Vor rund 10 Jahren warf die Stadt München ein Auge auf das Gelände: Lange schon hatte sie den Wunsch, der zunehmenden Zahl der Skateboard-Fahrer, BMX-Athleten und anderen Trendsportlern eine ganzjährig nutzbare Trainingsstätte zur Verfügung zu stellen.


Die Nischen an der Längsseite nutzten Behnisch Architekten, um Sitzgelegenheiten und Stauräume unterzubringen. © Jakob Schoof
Ganz dem Trendsport gewidmet
2018 gewannen schließlich Behnisch Architekten einen eingeladenen Wettbewerb, doch die Corona-Pandemie und zunehmende Finanzknappheit der Stadt München verzögerten die Bauarbeiten zunächst. Realisiert wurde ab 2023 zunächst der erste von zwei Bauabschnitten: die Sanierung des Gebäudebestands sowie ein temporärer Anbau aus Containern, der Sanitärräume, die Kasse und Lagerräume enthält. Behnisch Architekten ist es gelungen, die seit langem ungenutzte Halle für den Sportbetrieb zu ertüchtigen, ohne den Bestand mit Einbauten und Gebäudetechnik zu überfrachten. Fast die komplette Grundfläche von rund 1000 m² steht nun für den Sportbetrieb zur Verfügung. Eine neue Galerieebene hinter dem Eingang dient als Aussichtsempore, von der aus Besucherinnen und Besucher die ganze Halle überblicken können. Die vorhandenen Nischen in der Westfassade nutzten Behnisch Architekten für Sitzgelegenheiten und Stauräume.


Das historischen Stahlfachwerk der Halle trägt nun ein neues Dach aus Holzkassetten. Darunter sind Heiz- und Kühldecken montiert. © Jakob Schoof
Altes Stahltragwerk und neue Holzkassetten
Während der Hallenboden mit allerlei skatepark-typischen Hindernissen neu modelliert wurde, blieb das filigrane Stahltragwerk des Dachs erhalten. Dank einer neu installierten Sprinkleranlage war nicht einmal eine Brandschutzbeschichtung erforderlich. Die historischen Stahlstützen sind mit dicken Schaumstoffkissen als Prallschutz ummantelt. Unter die Rubrik „Abgänge“ fällt dagegen das stark beschädigte, ungedämmte Hallendach aus Betonkassetten. An seiner Stelle errichteten Behnisch Architekten ein Kassettendach aus Holz mit außen liegender Dämmung und Metalldeckung.


Die Dachoberlichter lassen sich teilweise öffnen. In das Isolierglas wurden Photovoltaikmodule integriert. © David Matthiessen Fotografie
Effizienzsteigerung mit natürlicher Belüftung
Durchaus beeindruckend für eine Sporthalle ist der komplette Verzicht auf eine mechanische Be- und Entlüftung. Er wurde möglich, indem Frischluft über neu geschaffene Öffnungen im unteren Bereich der Fassaden einströmt. Die verbrauchte Luft entweicht durch öffenbare Dachoberlichter ins Freie. In die Dachverglasung ist eine Photovoltaikanlage integriert. Sie erzeugt Ökostrom und reduziert außerdem die solare Einstrahlung, sodass das Actionsportzentrum ohne bewegliches Verschattungssystem auskommt. Die neu verputzten Fassaden erhielten an den Längsseiten eine Außendämmung. Die Giebelseite wurde aus denkmalpflegerischen Gründen von innen gedämmt und die Sprossenfenster mit einer Dreifach-Isolierverglasung ausgestattet. Der Primärenergiebedarf sank fast um den Faktor 7 auf gut 90 kWh/m²a. Damit entspricht der Hallenbau dem Standard Effizienzhaus Denkmal.


Form follows function – der Hallenboden wurde komplett neu modelliert und mit skateboard-typischen Obstacles versehen. © Jakob Schoof
Halbzeit für das Projekt – auf Dauer?
Die Halle ist an vier Tagen pro Woche geöffnet; die Eintrittspreise beginnen bei sozialverträglichen 5 Euro. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, schießt die Stadt München jährlich gut 400 000 Euro zu. So dürfte das Actionsportzentrum fürs Erste gut gerüstet sein. Für die Nutzerinnen bleibt allerdings ein Wermutstropfen: Ob und wann der zweite Bauabschnitt realisiert wird, ist derzeit offen. Darin sollten eine Skate-Bowl, eine Dirt-Bike-Jump-Line und ein zweigeschossiger Parkourbereich entstehen. Außerdem sind ein Café sowie Räume für Videoschnitt und Fortbildungen geplant. Zum Ausgleich hat die Stadt München auf der Freifläche östlich der Halle ein Multifunktionssportfeld, Tischtennisplatten und eine Slackline installiert. Immerhin: Diese Nutzungen stehen allen Bewohnerinnen des Quartiers kostenlos zur Verfügung.
Architektur: Behnisch Architekten
Bauherr: Landeshauptstadt München - Referat für Bildung und Sport, Baureferat
Nutzer: CASA
Standort: Angela-von-den-Driesch-Weg 9, 81245 München (DE)
Tragwerksplanung: Behringer Beratende Ingenieure
Projektsteuerung: Ingérop Deutschland
Objektüberwachung: ALN, Architekturbüro Leinhäupl + Neuber
Landschaftsarchitektur: Roos Landschaftsarchitektur
HLS-Planung: Frey Donabauer Wich
Elektroplanung: W-Plan Ingenieurbüro
Bauphysik: Müller BBM
Brandschutz: Brandschutz Consulting


















