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Agropolis: Münchner als Landwirte
Die Akropolis war für Jahrtausende Leitbild für klassisches Ebenmaß in der Architektur. Die "Agropolis" könnte zum Leitbild für den Städtebau des 21. Jahrhunderts gehen – zumindest, wenn es nach den Initiatoren des gleichnamigen Münchner Projekts geht. Sie schlagen als Zwischennutzung für eine Stadterweiterungsfläche einen öffentlich genutzten "Agrikulturpark" vor.
Sechseinhalb Jahrzehnte nachdem die Deutschen zwischen den Nachkriegstrümmern ihrer Städte Kartoffeln anbauten, erlebt die städtische Landwirtschaft ein Comeback – diesmal nicht aus Gründen der Not, sondern des Ressourcen- und Klimaschutzes. Ein besonders weitreichendes Konzept hat nun ein Entwerferteam der TU München und des Büros für Landschaftsarchitektur „bauchplan“ entwickelt. Enstanden ist die Vision der „Agropolis“ im Rahmen des von der Stadt München ausgelobten Ideenwettbewerbs „Open Space“.
Die Keimzelle der „Agropolis“ soll in München-Freiham, einem Neubaugebiet für rund 20.000 Einwohner ganz im Westen der bayrischen Hauptstadt entstehen. Langfristig soll sich die Idee der urbanen Landwirtschaft jedoch über die ganze Stadt verbreiten: in Form von Hinterhof- und Dachgärten, landwirtschaftlich genutzten Baulücken sowie Gemeinschaftsfelder im oft anonymen Abstandsgrün zwischen 70er-Jahre-Wohnhochhäusern.
„Agropolis“ verbindet ökologische und prozessuale Ansätze miteinander. Der 170 Hektar große Agrikulturpark München-Freiham soll zunächst temporären Charakter erhalten: Während im Süden des Stadterweiterunsgebiets – so der Plan der Stadt – schon bald Baubeginn sein soll, wird der Norden von Freiham noch länger auf die ersten Spatenstiche warten müssen. Diese Flächen, so der Gedanke der Landschaftsarchitekten, ließen sich vorzüglich mit landwirtschaftlichen Nutzungen belegen.
Eine Maroni-Allee soll die Farm im Zentrum des Agrikulturparks an das bestehende Stadtgebiet anschließen. Sie soll auch nach der Bebauung des Areals als grüne Wegverbindung bestehen bleiben; die Farm selbst wird zum Stadtteilzentrum umgenutzt, wobei zum Beispiel eine Nachnutzung von Scheunen als Markthallen denkbar wäre. Hecken und Obstbaumreihen grenzen die einzelnen, je 5-13 Hektar großen Felder des Agrikulturparks voneinander ab und bilden ein Refugium für solche Pflanzen und Tiere, die die traditionelle Landwirtschaft längst aus ihren Lebensräumen vertrieben hat.
Zur Nutzung der einzelnen Felder schreiben die Entwerfer: „Flächen zur Gemüse-Selbsternte werden nach dem Prinzip der Krautgärten (hochdeutsch: Schrebergärten, Anm. d. Red.) von der Farm betrieben und stehen in erster Linie für die Bewohner Neuaubings (ein nahe gelegener Münchner Stadtteil, Anm. d. Red.) sowie für Schulprogramme zur Verfüung, aber auch für zukünftige Freihamer. Verschiedene Gemüsearten, Kräuter und Blumen werden im Frühjahr gesät und gepflanzt, ab Mitte Mai werden diese Flächen für eine Saison vermietet. Verschiedene Formen der Beteiligung stimmen das Anbausortiment ab und sind im Hinblick auf zukünftige Nachbarschaftsbildung produktiv.“
Der Agrikulturpark soll damit zu einem Ort landwirtschaftlicher Produktion, der Erholung und des Lernens werden. Ferner soll er als Begegnungsstätte zwischen den Freihamern und den Bewohnern angrenzender Stadtviertel dienen – und langfristig in die gesamte Stadt hinauswirken: Restflächen der Farm werden in Form landwirtschaftlich genutzter Gärten, Höfe und Zwischenräume auch nach der Fertigstellung Freihams fortbestehen. Ferner sollen überall in der Stadt Dachgärten, kleine Gewächshäuser und Hinterhof-Äcker entstehen, auf denen die Städter Landwirtschaft im Kleinen praktizieren.
Die Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten soll eine neue Straßenbahnlinie, die „Viktualientram“ zwischen Freiham und Innenstadt herstellen. „Sie wird morgens in Freiham direkt von der Farm und von Bauern der Region beliefert und fährt Richtung Innenstadt, wo sie die Viktualienstände an den Haltepunkten mit Obst und Gemüse beliefert. An einzelnen Haltestellen hat die Tram eine längere Aufenthaltsdauer und wird so zum fahrenden "Viktualienmarkt", indem direkt aus der Tram heraus verkauft wird“, schreiben die Entwerfer.
Ferner sollen in allen Schulen entlang der Viktualienlinie Schulgärten angelegt werden: Die Vision von „Agropolis“ lautet: Schon in wenigen Jahren soll an allen Münchner Schulen Landwirtschaft als Pflichtfach in der 7. Klasse eingeführt werden und jedem Siebtklässler 3 Quadratmeter persönliche Gartenfläche zur Verfügung stehen.