Arbeiten unter Akustikdecken: Neue Werkstatt im Berliner Goerzwerk
Foto: Brigida González
Schon als er 2015 den Komplex der ehemaligen »Optischen Anstalt C. P. Goerz« im Südwesten Berlins erwarb, wollte Silvio Schobinger dort vermehrt junge Fabriken, Start-Ups und Dienstleister ansiedeln. Inzwischen beheimatet der Standort über 110 Unternehmen, von der Eismanufaktur bis zum Stand-up-Paddeling-Shop. Langjähriger Mieter sind die Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung GmbH (BWB). Diese nutzten den Auszug einer Sicherheitsfirma, um die frei gewordenen, ebenerdigen Flächen zusätzlich anzumieten und über 100 neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Farbe, Licht, Akustik
Bereits zuvor, zwischen 2016 und 2018, hatte in BWB-Räumen im vierten Obergeschoss eine mehrphasige Neugestaltung stattgefunden. Die Grundidee war es, den Charakter des Gebäude-Ensembles so weit wie eben möglich zu erhalten und die Struktur des Industriedenkmals bewusst hervorzuheben. Dies sollte auch auf die akustische Sanierung angewendet werden. Im Zusammenhang mit der Flur- und Kantinenfläche hatten Katharina Jester und Annette Bräuer, die Planerinnen vom beauftragten Architekturbüro berlin.interior, die Idee, anstelle der bislang verbauten Komplett-Akustikdecke nur noch einzelne Deckenfelder mit Akustikpaneelen zu belegen. Auf Grund »des etwas rauen Industriecharmes und des ökologisch erfreulichen Nachhaltigkeitsfaktors« entschieden sie sich für Heradesign Holzwolle-Platten von Knauf AMF. An der rund 120 m² umfassenden Decke kam der Typ superfine mit 1 mm Faserbreite in 25 mm Stärke in drei Sonderformaten, eingefärbt in RAL 9002 (Grauweiß) zum Einsatz. Die bis dahin dominierende Farbigkeit wurde zugunsten von Weiß- und hellen Grautönen aufgegeben, um den Werkstattcharakter bei Böden, Decken und Wände zu betonen. Details kommen in Maschinenorange zur Geltung. Weil das Konzept gut ankam, wurden diese Akustik-Maßnahmen in gleicher Weise auch für die neue 1200 m² Werkstattfläche sowie die rund 230 m² große Kantine samt Küche im Erdgeschoss geplant und ausgeführt. Zunächst wurden die Stahlbetondeckenfelder mit Randvoute überarbeitet, alte Farbschichten abgewaschen, Teilflächen nachgespachtelt. Es folgten ein Sperranstrich und die Schlussbeschichtung mit weißer Renovierungsfarbe. Darauf wurde eine Unterkonstruktion aus Dachlatten gedübelt und die Holzwolle-Akustikplatten mit einer Steinwolle-Dämmeinlage angeschraubt.
Kompromiss bezüglich der Akustiklösung
Die Architektinnen wollten die Deckenkonstruktion aus Stahlbetonträgern mit wiederkehrenden gelochten Unterzügen im Abstand von zirka zwei Metern und den dazwischenliegenden Deckenfeldern mit umlaufender Randvoute als Bild erhalten. Deshalb sollten nur die planen Flächen mit möglichst gering aufbauenden Akustikpaneelen belegt werden, die Randvouten der Deckenfelder sollten unberührt bleiben. Für die BWB als Auftraggeber stand hingegen die möglichst wirkungsvolle Akustiklösung im Vordergrund. Und die Berechnungen von Knauf AMF hatten ergeben, dass die höchste akustische Wirksamkeit nur mit einer Komplettabhängung der gesamten Deckenfläche erreichbar wäre. Für die Planerinnen kam diese aufgrund der gewünschten Nutzbarkeit der Tragschienen in den Bestandsunterzügen und dem damit verbundenen flexiblen Flächennutzungskonzept technisch nicht in Frage. Am Ende stand das »Experiment eines Kompromisses« zwischen der Sichtbarkeit der historischen Decke und ihrer akustischen Ertüchtigung im Raum und die BWB willigte ein. Es galt ein Modulschema zu finden, das dem im Raster errichteten Stahlbeton-Skelettbau gerecht wird, aber genügend Spielraum lässt, um den technischen Erfordernissen der zum Teil unter den Platten geführten Elektrotrassen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus mussten Abweichungen vom Raster im Bestand, wie beispielsweise Wandscheiben oder Aufgänge in der gut 100 m langen Werkstatthalle in das System integriert werden.
Passgenaue, elegante Verarbeitung
In der Halle im Erdgeschoss kamen die gleichen Holzwolle-Akustikplatten in RAL 9002 (Grauweiß) wie bereits im vierten Obergeschoss zum Einsatz. Die Traglattung der Unterkonstruktion wurde in Längsrichtung der Deckenfelder als drei parallele Latten verlegt, die Kopfseiten wurden verschlossen. Die Lattung springt gegenüber den Akustikplatten an allen Rändern um 25 mm zurück, um eine seitliche Einsicht in die Unterkonstruktion zu vermeiden. Dabei durfte nicht einfach Platte an Platte gereiht werden, sondern die Toleranzen des Altbaus mussten durch wiederholtes Vermitteln und Einmessen möglichst unsichtbar aufgenommen werden. Um die Installation der Leuchten mittels unpassender Baldachine auszuschließen, wurden an den Abhängepunkten definierte Löcher in die Platten gesägt, durch die die Leuchten an der Rohdecke aufgehängt sind. Planerinnen und Auftraggeber sind mit dem Ergebnis gleichermaßen zufrieden. Im Juni 2019 feierte die BWB im Goerzwerk gleich doppelt: die Eröffnung der neuen Werkstatt und ihr 30jähriges Jubiläum.
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