176 Wohnheimplätze im Selbstbau
Collegium Academicum von DGJ Architektur
Vor den Fenstern des Collegium Academicum sorgen Holzschiebeläden für Privatsphäre. © Thilo Ross Urh. Nr. 4026999/Quelle: DGJ Architektur GmbH
Die Genese des Collegium Academicum in Heidelberg ist in jeder Hinsicht bemerkenswert: Eine Initiative von Studierenden initiierte das Projekt, beschaffte das Grundstück auf dem Areal eines ehemaligen Militärkrankenhauses der US-Army, wählte die Architekten aus und betreibt das Wohnheim heute in Selbstverwaltung. Nicht nur das gemeinschaftliche Wohnen, auch das gemeinsame Lernen ist der Initiative ein wichtiges Anliegen. Sie bietet unter anderem ein einjähriges Orientierungsjahr zwischen Schule und Beruf oder Studium an, währenddessen junge Menschen sich fachübergreifend weiterbilden können.


Umlaufende Laubengänge erschließen die Wohnungen von der Hofseite aus. Aus Brandschutzgründen bestehen sie aus Beton, die hofseitigen Fassaden erhielten eine Blechverkleidung. © Thilo Ross Urh. Nr. 4026999/Quelle: DGJ Architektur GmbH
Außen Holz, innen Beton und Aluminiumblech
Für die Bildung steht im Wohnheim unter anderem ein eingeschossiger Flachbau mit Auditorium und weiteren Gemeinschaftsflächen zur Verfügung. Er verbindet die beiden viergeschossigen Wohnflügel zum geschlossenen Straßenblock mit Innenhof. Die Straßenfassaden werden durch auskragende Brandschutzriegel aus Blech gegliedert und vom Wechselspiel offener und geschlossener Holzschiebeläden belebt, wirken ansonsten aber eher glatt und abweisend. Dagegen gewinnen die hofseitigen Fassaden durch umlaufende Laubengänge mehr Tiefe und durch ihre Blechverkleidung auch ein ganz anderes Erscheinungsbild. Maßgeblich waren hier Brandschutzauflagen. Als Fluchtwege mussten die Laubengänge aus Beton hergestellt und auch sonst von nicht brennbaren Materialien umgeben sein. Deshalb erhielten sie eine Aluminiumfassade aus weitestgehend recyceltem Trapezblech.


Eine Solaranlage auf dem Gebäudedach kompensiert den Stromverbrauch der Bewohnerinnen in der Jahresbilanz. © Thilo Ross Urh. Nr. 4026999/Quelle: DGJ Architektur GmbH
Flexibel konfigurierbare Wohnungsgrundrisse
Auf die vier Geschosse der beiden Gebäude verteilen sich 46 Wohneinheiten für insgesamt 176 Bewohner. Sie sind derzeit in Dreier- und Vierer-WGs organisiert. Die Wohnungen lassen sich aber jederzeit im Inneren umkonfigurieren, und auch komplett neu zusammenstellen – bis hin zur altengerechten Groß-WG. Denn zum einen sind alle Wohnungen über die Laubengänge barrierefrei erschlossen, zum anderen basieren alle Wohnungen auf einem einheitlichen, quadratischen Stützen- und Ausbauraster. Dafür haben die Architekten Trennwände entworfen, die die Bewohnerinnen in der hauseigenen Werkstatt im Selbstbau anfertigen und mit relativ geringem Aufwand versetzen können. Das Ganze funktioniert allein mit form- und kraftschlüssigen Zimmermannsverbindungen ohne metallische Verbindungselemente.


Die Innenräume der Wohnungen basieren auf einem quadratischen Stützen- und Ausbauraster. Die Schiebetrennwände lassen sich auch später noch innerhalb des Holzrasters einfügen oder entfernen. © Thilo Ross Urh. Nr. 4026999/Quelle: DGJ Architektur GmbH
Gemeinschaft oder Individuum?
In der Grundkonfiguration bildet ein Gemeinschaftsraum das Herz jeder Wohngemeinschaft. Umgeben ist er vom Sanitärbereich und den Individualzimmern. Die Individualräume bestehen jeweils aus zwei Teilen mit je 7 m² Fläche – einer räumlich geschlossenen Kernzone und einer zweiten Zone, die sich wahlweise ganz offen gestalten und dem Gemeinschaftsbereich zuschlagen, durch Raumteiler abtrennen oder durch Versetzen von Wänden ganz in den Individualbereich integrieren lässt. Das Tragwerk der beiden Viergeschosser ist ein Skelettbau mit aussteifenden Wandscheiben um die Sanitärkerne. Auch Teile der Außenwände und der Wohnungstrennwände tragen zur Aussteifung bei.


Im eingeschossigen Gebäudeteil steht ein Auditorium für das vielfältige Bildungsangebot des Collegium zur Verfügung. © Thilo Ross Urh. Nr. 4026999/Quelle: DGJ Architektur GmbH
Passivhaus mit Energieüberschuss
Laut den Architekten war das Gebäude durch seine Holzbauweise bereits in der Baukonstruktion praktisch klimaneutral. Durch die Passivhausbauweise muss die Fernwärmeheizung nur an wenigen Tagen im Jahr den Betrieb aufnehmen. Eine Solaranlage mit 180 kWp Leistung, die fast das gesamte Flachdach über dem vierten Obergeschoss einnimmt, sowie ein 140 kWh fassender Energiespeicher sorgen dafür, dass das Gebäude in der Jahresbilanz mindestens 100 % des Strombedarf der Studierenden deckt. Überschüsse werden ins örtliche Stromnetz eingespeist.
Architektur: DGJ Architektur
Bauherr: Collegium Academicum
Standort: Marie-Clauss-Straße 3, 69126 Heidelberg (DE)
Tragwerksplanung: Pirmin Jung Deutschland, Jäger Ingenieure
Bauleitung: Biek Architektur
Landschaftsarchitektur: GDLA Gornik Denkel landschaftsarchitektur
TGA-Planung: IBS Scholz, SBI schicho ingenieure
Bauphysik: ina Planungsgesellschaft
Holzbauer: ZÜBLIN Timber GmbH, Aichach






















