25.04.2010 Florian Maier

Das Brandschutzkonzept als kreatives Instrument

Wie Sie mit der richtigen Strategie die Brandschutzkosten senken und geforderte Schutzziele erreichen

Jedes Projekt ist ein Problemlösungsprozess, für den Sie ein Zielsystem benötigen. Listen Sie sämtliche Ziele des Projekts und unterscheiden Sie:

  • Strategische Ziele (z. B. Entwurfsziele, Brandschutzziele)
  • Operative Ziele
  • Maßnahmenziele

Die Erfahrung aus mehreren Projekten zeigt, dass sich die Ziele am besten in einer Baumstruktur abbilden lassen.

Wie Sie sehen, rangieren die Brandschutzziele gemeinsam auf einer Ebene mit den Entwurfszielen. Beide sind gleichberechtigt und müssen entsprechend korrespondieren, was wir als laterale Strategie bezeichnen. Entwurfs- und Schutzziele befinden sich in einer interaktiven Beziehung.
Der Gegensatz dazu ist die vertikale Strategie mit einem nachgeschalteten Brandschutzkonzept, das ggfs. verstärkte Überwachungsfunktionen durch eine Brandmeldeanlage, gegebenenfalls mit Vollschutz nach DIN 14675 erfordert. Ein durchdachtes Konzept mit Wechselbeziehungen zwischen den gleichwertigen Zielen kann helfen, solche Kostenfaktoren von vorn herein zu vermeiden.
Es ist also empfehlenswert, auf der Basis eines umfassenden Zielsystems die Schutzziele des Brandschutzes rechtzeitig in die Projektentwicklung einzubeziehen bzw. auf die sonstigen Projektziele abzustimmen. Das ermöglicht eine zielorientierte Brandschutzplanung mit überschaubaren Kosten, kurzum eine intelligente Gesamtplanung.

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Abbildung 1: Zielsystem für ein ganzheitliches Entwurfskonzept


Projektbeispiel

Für den Entwurf eines 4-geschossigen Ärztehauses mit Tiefgarage – gewählter Standort im Bundesland Hessen - wurde ein ganzheitliches Zielsystem entwickelt, aufgebaut nach den Zielkategorien

  • Entwurf
  • Schutzziele Brandschutz
  • Realisierung (Budget und Termine).

Ausgehend von den strategischen Zielen „Entwicklung Corporate Design“ (Entwurf), „Optimierung Rettungswegekonzept“ (Brandschutz) und „Kostenoptimierung“ (Realisierung) haben sich operative Ziele herauskristallisiert die lateral miteinander korrespondieren:

  • Festlegung Gebäudestruktur (Entwurf):
    Die Entwurfsidee sieht ein Foyer mit Kommunikationsfunktion und ablesbaren Nutzungseinheiten vor.
  • Priorität zwei bauliche Rettungswege (Brandschutz):
    Vom zentralen Schutzziel „Selbstrettung“ ausgehend sind zwei bauliche Rettungswege vorgesehen. Der 1. Rettungsweg führt über notwendige Treppenhäuser, der
    2. Rettungsweg über die Eingangshalle.
  • Optimierung Brandschutzmaßnahmen (Kostenoptimierung):
    Ein operatives Ziel im Rahmen der Kostenoptimierung des Projektes ist in Zeiten knapper Ressourcen die Optimierung von Brandschutzmaßnahmen mit Optimierung der Gebäudeklasse und einer Minimierung von aufwendigen Kompensationsmaßnahmen.


Bezogen auf das Entwurfskonzept hat diese laterale Betrachtungsweise folgende Konsequenzen (Abbildung 2a-2c):

  • Es wird eine 4-geschossige Eingangshalle mit Kommunikations- und Verbindungsfunktion konzipiert, die die Nutzungseinheiten (Praxen und sonstige Bereiche) zentral erschließt. Darüber hinaus übernimmt diese Eingangshalle die Aufgabe des 2. Rettungsweges.
  • Es werden pro Etage Nutzungseinheiten mit einer Fläche von max. 400 m²/Nutzungseinheit konzipiert, was auch die Umsetzung des Nutzungsprogramms des Gebäudes auf sinnvolle Art und Weise ermöglicht.
  • Jede der 3 Nutzungseinheiten erhält ein Nottreppenhaus als 1. Rettungsweg.
  • Festlegung Gebäudeklasse:
    Bedingt durch die Größe der Nutzungseinheiten (< = 400 m²) kann das 4-geschossige Gebäude (Fußbodenhöhe 3. OG bis 13 m) in Gebäudeklasse 4 eingestuft werden
    (vgl. § 2 (3) MBO 2002 bzw. HBO 2002), was bekanntlich Erleichterungen für den Brandschutz bedeutet. Ohne die Abgrenzung der Nutzungseinheiten wäre einer Einstufung des Gebäudes in Gebäudeklasse 5 erforderlich gewesen.
  • Begrenzung der Tiefgarage auf 40 Stellplätze bzw. 1.000 m² Nutzfläche (einschließlich Verkehrsflächen), die restlichen Stellplätze werden außerhalb der Garage nachgewiesen. Dadurch ist die Garage mit einer Gesamtfläche von weniger als 1.000 m² kein Sonderbau (vgl. § 2 (8) Nr. 12 HBO 2002).
  • Kompensationsmaßnahmen:
    Für das abgestimmte Entwurfs-/Brandschutzkonzept sind keine Kompensationsmaßnahmen erforderlich. Die Eingangshalle erhält eine Rauchableitung im Sinne der Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättV ) (4) ohne aufwendige Rauchabzugsanlagen. Da die Eingangshalle keine Rettungswege für weitere Versammlungsräume übernimmt, ist eine Sprinklerung ebenfalls nicht erforderlich.

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Das Leistungsbild Brandschutz

Die Leistungen für den Brandschutz sind auch in der neuen HOAI 2009 nicht geregelt.

Eine qualifizierte Grundlage für das Leistungsbild ist der Vorschlag des AHO-Arbeitskreises Brandschutz, Nr. 17 der Schriftenreihe des AHO in der aktuellen Fassung vom Juni 2009 (5).
Das Leistungsbild umfasst in Korrespondenz mit § 33 HOAI 2009 insgesamt 9 Leistungsphasen, wobei die Leistungen für die Phasen 1-4 als Planungsleistungen, während die Leistungen für die übrigen Phasen 5-9 als Beratungsleistungen ausgewiesen sind.
Hier steht eine ganzheitliche Projektoptimierung im Vordergrund.
Insbesondere im kreativen Teil der Brandschutzplanung (Lph. 1-3, teilweise auch Lph. 4) wird die Wechselwirkung zwischen Brandschutz- und Entwurfskonzept deutlich erkennbar.

Abbildung 2a

Abbildung 2b

Abbildung 2c

Schlussbetrachtung

Ein richtiges Verständnis des Brandschutzes muss davon ausgehen, dass Brandschutzplanungen und Brandschutzkonzepte integraler Bestandteil des ganzheitlichen Entwurfskonzeptes für ein Gebäude sind.

Brandschutzkonzepte sind keine Domäne von Sachverständigen, auch keine „Black Box“ für Architekten, sondern eine originäre Planungsaufgabe mit einer kreativen Dimension.
Ein nach lateralem Verständnis aufgebaute Zielsystem dient dazu, die Schutzziele des Brandschutzes auf die sonstigen Projektziele abzustimmen und die angestrebte Entwurfsqualität mit einem überschaubaren Kostenaufwand im Bereich Brandschutz zu erreichen.
Im Rahmen der aktuellen Schutzzieldiskussion im Brandschutz ist die „Selbstrettung“ Schutzziel Nr. 1 (3), was im Regelfall für planende Architekten die Notwendigkeit und Priorität von 2 baulichen Rettungswegen bedeutet. Darüber hinaus ist in Zeiten knapper Ressourcen die Kostenoptimierung im Brandschutz durch ganzheitliche Planung und Minimierung möglicher Kompensations-maßnahmen ein zentrales Thema.

Auszug aus Leistungen für Brandschutz, AHO-Arbeitskreis Brandschutz, Nr. 17 der Schriftenreihe des AHO, Stand Juni 2009


Autor:
Dr. Nikos Vliamos – Dr.-Ing. N. Vliamos und Partner, Architekten / Beratende Ingenieure, Bad Homburg
Freier Architekt, Sachkundiger für Brandschutzplanungen für die Gebäudeklasse 5 und Sonderbauten


Literaturverzeichnis

  • Bauvorlagenerlass (Brandschutzkonzept), gültig in Hessen in der aktuellen Fassung ab 01.01.2008
  • vfdb-Richtlinie 01/01 Brandschutzkonzepte, Fassung April 2008
  • Grundsätze zur Auslegung des § 14 MBO der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ARGEBAU), Stand Januar 2009
  • Muster-Versammlungsstättenverordnung - MVStättV, Fassung Juni 2005, § 16 Rauchableitung
  • AHO Arbeitskreis Brandschutz: Leistungen für Brandschutz, Nr. 17 der Schriftenreihe des AHO, Stand Juni 2009.

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