Das Brandschutzkonzept als kreatives Instrument
Jedes Projekt ist ein Problemlösungsprozess, für den Sie ein Zielsystem benötigen. Listen Sie sämtliche Ziele des Projekts und unterscheiden Sie:
- Strategische Ziele (z. B. Entwurfsziele, Brandschutzziele)
- Operative Ziele
- Maßnahmenziele
Die Erfahrung aus mehreren Projekten zeigt, dass sich die Ziele am besten in einer Baumstruktur abbilden lassen.
Projektbeispiel
Für den Entwurf eines 4-geschossigen Ärztehauses mit Tiefgarage – gewählter Standort im Bundesland Hessen - wurde ein ganzheitliches Zielsystem entwickelt, aufgebaut nach den Zielkategorien
- Entwurf
- Schutzziele Brandschutz
- Realisierung (Budget und Termine).
Ausgehend von den strategischen Zielen „Entwicklung Corporate Design“ (Entwurf), „Optimierung Rettungswegekonzept“ (Brandschutz) und „Kostenoptimierung“ (Realisierung) haben sich operative Ziele herauskristallisiert die lateral miteinander korrespondieren:
- Festlegung Gebäudestruktur (Entwurf):
Die Entwurfsidee sieht ein Foyer mit Kommunikationsfunktion und ablesbaren Nutzungseinheiten vor. - Priorität zwei bauliche Rettungswege (Brandschutz):
Vom zentralen Schutzziel „Selbstrettung“ ausgehend sind zwei bauliche Rettungswege vorgesehen. Der 1. Rettungsweg führt über notwendige Treppenhäuser, der
2. Rettungsweg über die Eingangshalle. - Optimierung Brandschutzmaßnahmen (Kostenoptimierung):
Ein operatives Ziel im Rahmen der Kostenoptimierung des Projektes ist in Zeiten knapper Ressourcen die Optimierung von Brandschutzmaßnahmen mit Optimierung der Gebäudeklasse und einer Minimierung von aufwendigen Kompensationsmaßnahmen.
Bezogen auf das Entwurfskonzept hat diese laterale Betrachtungsweise folgende Konsequenzen (Abbildung 2a-2c):
- Es wird eine 4-geschossige Eingangshalle mit Kommunikations- und Verbindungsfunktion konzipiert, die die Nutzungseinheiten (Praxen und sonstige Bereiche) zentral erschließt. Darüber hinaus übernimmt diese Eingangshalle die Aufgabe des 2. Rettungsweges.
- Es werden pro Etage Nutzungseinheiten mit einer Fläche von max. 400 m²/Nutzungseinheit konzipiert, was auch die Umsetzung des Nutzungsprogramms des Gebäudes auf sinnvolle Art und Weise ermöglicht.
- Jede der 3 Nutzungseinheiten erhält ein Nottreppenhaus als 1. Rettungsweg.
- Festlegung Gebäudeklasse:
Bedingt durch die Größe der Nutzungseinheiten (< = 400 m²) kann das 4-geschossige Gebäude (Fußbodenhöhe 3. OG bis 13 m) in Gebäudeklasse 4 eingestuft werden
(vgl. § 2 (3) MBO 2002 bzw. HBO 2002), was bekanntlich Erleichterungen für den Brandschutz bedeutet. Ohne die Abgrenzung der Nutzungseinheiten wäre einer Einstufung des Gebäudes in Gebäudeklasse 5 erforderlich gewesen. - Begrenzung der Tiefgarage auf 40 Stellplätze bzw. 1.000 m² Nutzfläche (einschließlich Verkehrsflächen), die restlichen Stellplätze werden außerhalb der Garage nachgewiesen. Dadurch ist die Garage mit einer Gesamtfläche von weniger als 1.000 m² kein Sonderbau (vgl. § 2 (8) Nr. 12 HBO 2002).
- Kompensationsmaßnahmen:
Für das abgestimmte Entwurfs-/Brandschutzkonzept sind keine Kompensationsmaßnahmen erforderlich. Die Eingangshalle erhält eine Rauchableitung im Sinne der Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättV ) (4) ohne aufwendige Rauchabzugsanlagen. Da die Eingangshalle keine Rettungswege für weitere Versammlungsräume übernimmt, ist eine Sprinklerung ebenfalls nicht erforderlich.
Das Leistungsbild Brandschutz
Die Leistungen für den Brandschutz sind auch in der neuen HOAI 2009 nicht geregelt.
Schlussbetrachtung
Ein richtiges Verständnis des Brandschutzes muss davon ausgehen, dass Brandschutzplanungen und Brandschutzkonzepte integraler Bestandteil des ganzheitlichen Entwurfskonzeptes für ein Gebäude sind.
Freier Architekt, Sachkundiger für Brandschutzplanungen für die Gebäudeklasse 5 und Sonderbauten
Literaturverzeichnis
- Bauvorlagenerlass (Brandschutzkonzept), gültig in Hessen in der aktuellen Fassung ab 01.01.2008
- vfdb-Richtlinie 01/01 Brandschutzkonzepte, Fassung April 2008
- Grundsätze zur Auslegung des § 14 MBO der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ARGEBAU), Stand Januar 2009
- Muster-Versammlungsstättenverordnung - MVStättV, Fassung Juni 2005, § 16 Rauchableitung
- AHO Arbeitskreis Brandschutz: Leistungen für Brandschutz, Nr. 17 der Schriftenreihe des AHO, Stand Juni 2009.