Das Paradies ist nicht möbliert? Partizipative Architektur für Kitas
Foto: Jan Bitter
Langjährige Erfahrung im partizipativen Entwerfen brachte das Team um Dr. Susanne Hofmann mit nach Hannover-Langenhagen. In einem mehrstufigen Prozess haben die Baupiloten gemeinsam mit Kindern, deren Eltern und den Erzieher*innen eine Kita mit 105 Plätzen entwickelt. In einem ersten „Visionen-Workshop“ entwickelten sie kreative Ideen, wie und wo leben, lernen und spielen im Krähenwinkel zukünftig stattfinden soll. Die Atmosphären aus Bildercollagen und Fühlkästen wurden in der „Weiterdenken-Werkstatt“ im Rahmen eines Planspiels in funktionale und programmatische Beziehungen übersetzt. Diese bilden die Basis für das Entwurfskonzept. Neben einer nutzer*innenfreundlichen Gestaltung profitieren die Kinder bei diesem Prozess auch von der Förderung räumlich-abstrakten Denkens, so Hofmann: „Für Kindertagesstätten ist die partizipative Planung ein wichtiges Einsatzfeld, weil hier pädagogisch-räumliche Aspekte eine besondere Rolle spielen“.
So sieht man der Kita nun auch die Entdeckerfreude der Kinder an: Zahlreiche Oberlichter aus dichroitischen Gläsern in den Shed-Dächern schaffen eine effektvolle Farbgestaltung der Innenräume, die je nach Sonnenstand wechselt. Rohrleitungen werden dank ihrer Sichtverkleidung aus Spiegelglas zu Periskopen: Sie projizieren interessante Reflexionen und Spiegelungen an die sonst weißen Wände. Dabei lässt sich viel über den Stand der Sonne und das Lichtspektrum lernen.
Auch in der Raumorganisation trägt die Architektur dem Wunsch nach Bewegung Rechnung: Die drei Raumbänder sind mit großzügigen Fluren verbunden, die sich immer wieder in größere Spielzonen erweitern. Büromöbel dienen gleichzeitig als Höhlen und geheime Durchgänge, die aufgrund ihrer Größe allein Kindern vorbehalten sind. Im südlichen der Bänder sind die Gruppenräume untergebracht. Auch der trichterförmig angelegte
Eingang führt von hier direkt ins Zentrum des Gebäudes. Im mittleren Band befinden sich offene Garderoben, Waschräume und ein Bewegungsraum. Im Norden finden sich die Räume der Verwaltung, Wirtschaftsräume und ein Kreativraum, ebenso wie eine Cafeteria mit Kinderküche und Pflanzenkästen.
Die funktionale Gliederung des Gebäudes lässt sich an der Fassade leicht ablesen. Sägeraue Lärche ummantelt den Massivbau aus Kalksandstein. Sie wird von farbigen Leibungen für bodentiefe Fenster unterbrochen. Ein Bodenbelag aus Kautschuk, Heraklith-Deckenplatten und in den Gruppenräumen zusätzlich Gipskarton-Akustikplatten gewährleisten der „Bewegungskita“ eine angenehme Raumakustik. Eine Schallschutzverglasung ermöglicht trotz der Nähe zum Flughafen einen hohen Anteil an Transparenz – nach Norden zu einer Pferdewiese, nach Süden zum hauseigenen Garten. Die Kubatur des Hauses als geschlossener, langer Trakt schirmt vom Fluglärm ab. Das grüne Entrée fügt das Gebäude harmonisch in ein von Gärten und Einfamilienhäusern geprägtes Wohngebiet ein.
Weitere Informationen:
LP 1-5: Die Baupiloten BDA
Projektleitung Milena Monssen, Mathias Schneider
Team: Susanne Hofmann, Henning Fritsch, Anna Kasper, Robert Wunder
LP 6-8: Römeth Wagener Architekten
Kosten 2.800.000 €
Fläche BGF 1.500 m2 / NF 1.028 m2