// Check if the article Layout ?>
Großes Raumerlebnis - Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin
Nur wenige Meter entfernt vom erst 2009 eingeweihten Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum wurde heute die Schlüsselübergabe der neuen Lesesäle der Staatsbibliothek Unter den Linden nach Plänen von HG Merz (Berlin/Stuttgart) gefeiert. Damit ist der erste Bauabschnitt des derzeit größten Kulturbauvorhabens des Bundes abgeschlossen – und Berlin verfügt nun über einen weiteren hochkarätigen Bibliotheksbau. Bereits im April 2011 waren die Nebenräume der Bibliothek – Tresormagazine, Magazine, Restaurierungswerkstätten und Büros – an ihre Nutzer übergeben worden. Sie befinden sich ebenso wie die heute eröffneten Lesesäle in der nördlichen Hälfte des riesigen Gebäudekomplexes.
Haupträume und Hauptattraktion des nun fertig gestellten ersten Bauabschnitts sind der große, als Glaskubus ausgeführte Allgemeine Lesesaal sowie der ebenfalls neu errichtete Rara-Lesesaal. Das 1914 eröffnete Bibliotheksgebäude war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden, vor allem der zentrale Kuppelsaal war von Bomben zerstört und in der Folge nicht wieder aufgebaut worden. An ihn knüpft Merz gedanklich mit seinem neuen, 35 Meter breiten, 30 Meter langen und 36 Meter hohen Allgemeinen Lesesaal an. Der Kubus ist außen mit thermisch verformtem Glas verkleidet, der Innenraum ist jedoch vom rötlichen, fein strukturierten Holzausbau des Leseraums geprägt, der in den unteren Bereich des Kubus’ eingestellt ist. Im Kontrast zu diesem akustisch und räumlich abgeschirmten Bereich erhebt sich darüber wie eine „Laterne“ der teils mit weißem Textil verkleidete Oberbau des Saals.
Dieser auf Loos’ Raumplan zurück gehende Kunstgriff – einen intimen Raum zu schaffen, der dank des umgebenden hohen Raums dennoch nicht erdrückend wirkt – wird im Rara-Saal für die antiken Dokumente fortgeführt: Auch hier ist der eigentliche Aufenthaltsbereich ein paar Stufen abgesenkt und von einer halbhohen Wand aus Holzregalen abgeschirmt, die sich ebenso wie im Hauptsaal mit der Zeit mit Büchern füllen werden. Gut gelöst ist hier der barrierefreie Zugang: Der wegen der Stufen notwendige Aufzug wurde in die Brüstung des Ausleihe-Bereichs integriert und verschwindet so in der „Innenwand“ des Leseraums.
Interessant sind auch die beiden Kunst-am-Bau-Werke: Im Allgemeinen Lesesaal schwebt Olaf Metzels (München) großformatige Skulptur „Noch Fragen?“ wie eine Wolke aus zerknülltem Papier über Studenten und Wissenschaftlern – ein Damoklesschwert, das permanent die Sinnfrage wissenschaftlichen Arbeitens stellt? Im Rara-Lesesaal ist unter anderem eines der für die Staatsbibliothek geschaffenen Uhrenobjekte von Tobias Rehberger zu sehen – hier ist es die Interpretation des Op-Art-Bildes von Bridget Riley „Movement in Squares“, dessen teils beleuchtete Flächen die Uhrzeit auf eigenwillige Art anzeigen.
Man erreicht beide Lesesäle derzeit über einen provisorischen Eingang an der Dorotheenstraße, der über eine hellgrüne Treppenanlage markiert ist. Erst zur Fertigstellung des zweiten Bauabschnittes wird diese Anlage zurückgebaut, dort im Erdgeschoss wird dann ein Besuchermuseum eingerichtet.
HG Merz, der im Jahr 2000 den internationaln Architektenwettbewerb für den Umbau der Staatsbibliothek gewonnen hatte, kündigte im Mai 2012 den Vertrag mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR im gegenseitigen Einvernehmen. Seine Nachfolge als koordinierendes Architekturbüro trat die BAL Planungs- und Steuerungs-GmbH (Berlin) an. Mit Abmessungen von 170 mal 107 Meter ist der Block zwischen den Straßen Unter den Linden, Dorotheen-, Charlotten- und Geschwister-Scholl-Straße der größte historische Bau im Zentrum der Hauptstadt. Die Baumaßnahmen des zweiten Bauabschnittes in der südlichen Hälfte des Bibliotheksbaus werden voraussichtlich bis 2015/16 fertig gestellt sein. Das Bauvorhaben ist insgesamt mit 406,5 Millionen Euro kalkuliert.
(Cordula Vielhauer)
(Cordula Vielhauer)