Kiosk 'Fräulein Grüneis' im Englischen Garten - Johannes Ernst*

Über zehn Jahre bin ich mit dem Fahrrad auf dem Weg zu meinem Büro, später in vielen Ausflügen mit den Kindern, an diesem verlassenen Toilettenhäuschen am Süd-Ost-Eingang des Englischen Gartens achtlos vorbeigefahren: einerseits gedanklich schon beim Ziel, andererseits diesen transitorischen Unort ignorierend. Es kommt ja noch so viel Schönes! Und plötzlich legt Fräulein Grüneis Hand an: Das Dach wird gemacht, eine grün-weiße Brettschalung ziert die Giebel, Eingangstür und Fenster werden gestalterisch integriert, der Putz in einem gebrochenen Weiß gestrichen, simple Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen ein. Selbst das ebenfalls grün-weiße Müllhäuschen wird zur Bereicherung. Und auch im Inneren erwartet den Gast eine angenehm-freundliche Atmosphäre, ohne dem modischen Loungetrend zu erliegen. Dazu eine reelle, aber nicht banale Speise- und Getränkeauswahl. Plötzlich sammeln sich hier die Menschen: Erwachsene, Kinder, einsame Stadtwanderer und verliebte Paare. Es gibt ein schönes kleines Konzert, manchmal ist auch nichts los, und es ist trotzdem schön. Alles in allem ein wunderbares Beispiel dafür, welche positive Kraft eine einzelne Initiative für das Gesamte haben kann. Dass nicht alles, was neu ist, geschmacklos-kommerziell sein muss und trotzdem erfolgreich sein kann. Ein wirklich beispielhaftes Kleinod, zur Nachahmung empfohlen.  Adresse: am Eisbach hinter dem Bayerischen Nationalmuseum / süd-östlicher Parkeingang des Englischen Gartens, München

Zur Person: Johannes Ernst ist Architekt. Steidle Architekten: www.steidle-architekten.de