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Komfort trotz Dichte? Entwurfsstrategien für asiatische Megacities
Jetzt war es also passiert: Während sich wenige Meter neben ihm bereits die zweite große Welle knatternder Mopeds durch die Straße wälzte, sprang sein eigener Roller nicht an. Das Fahrrad rostete längst vergessen in einer staubigen Ecke des Kellers, und ihm blieb noch genau eine Stunde Zeit bis Arbeitsbeginn. Es war nur einer jener ewig gleichen bleigrauen Vormittage, und obwohl kein Sonnenstrahl den Weg durch die dichte Glocke aus Smog und Ruß fand, die sich mit den Abgasen der Zweiräder mischte, war es schon so heiß, dass ihm der Schweiß in den Kragen rann. Ein vibrierendes Brummen bildete den Grundton der Stadt, es kam von den unzähligen Klimaanlagen, die mit ihren Auslässen die Fassaden zur Straße hin perforierten. Sie heizten die Luft weiter auf und sorgten mit ihrer ständigen Rotation dafür, dass kein Ohr noch eines der Millionen kreisenden Staubkörnchen je Ruhe fanden in der engen Straßenschlucht. Die Bäume, die die Stadtverwaltung hier in einem Anflug von Optimismus vor einigen Jahren gepflanzt hatte, waren dank der erdrückenden Hitze und trotz der Luftfeuchtigkeit von durchschnittlich einhundert Prozent längst verkümmert aus Mangel an Licht. Die nächste Metrostation lag drei Kilometer entfernt, die U-Bahn selbst würde wie immer hoffnungslos überfüllt sein; beim Gedanken an den Geruch, der ihn dort erwartete, rümpfte er die Nase. Doch, was half es? Resigniert machte er sich auf den Weg.
Die chinesischen Megametropolen sind in den letzten zwanzig Jahren um 380 Millionen Einwohner gewachsen. Und ein Ende ist kaum in Sicht: Auf rund 85 Riesenstädte mit über fünf Millionen Einwohnern kommt in den nächsten Jahren ein Bevölkerungswachstum von je rund einer Million Menschen zu. Das sind Dimensionen, für die jedem durchschnittlichen Europäer schlicht das Vorstellungsvermögen fehlt. Dennoch glauben die Chinesen an die Kompetenz der westlichen Wissenschaft: So fand an der Technischen Universität Graz (Institut für Architekturtechnologie: Roger Riewe, Organisation: Ferdinand Oswald) kürzlich ein Symposium mit dem Titel "High Density and Living Comfort / Austria - China 2013" statt. Ziel war es, sich über den Stand der Forschung auszutauschen und gemeinsam Strategien für dichtes Bauen zu diskutieren, die zur Verbesserung der Lebenssituation der Bewohner dieser Megastädte beitragen.
Im Rahmen des Symposiums wurden drei Maßstabsebenen definiert, um die Problematik der Nachverdichtung in Megacities - vor allem Südostchinas - zu fassen: Auf der Makroebene ging es um städtebauliche Strategien dichten Bauens. Hier legte insbesondere der Referent Nirmal Kishani einen Schwerpunkt auf das Thema öffentlicher und halböffentlicher Räume. Kishani ist in Asien als Autor des Buchs "Greening Asia" und als Herausgeber des Magazins FUTURE ARC bekannt. Er gilt damit als Experte zum Thema Nachhaltigkeit im Fernen Osten. In diesem Zusammenhang verwies er auf die fundamentale Rolle, die gemeinsam genutzte öffentliche Räume für die Lebensqualität von hochverdichteten Stadtgebieten aufweisen.
Ebenfalls auf die Makroebene bezog sich der Beitrag von Pascal Berger mit dem Titel "Urban Players". Der aus der Schweiz stammende Architekt ist heute Direktor des Shanghai Study Centre der Universität Hong Kong HKU. In seinem Vortrag zeigte er Planungsansätze in China auf, deren Scheitern er auf die oft unreflektierte Adaption westlicher städtebaulicher Planungsansätze mit all ihren Fehlern und Schwächen zurückführte. Die in seinem Büro Playze entwickelten Projekte basierten hingegen zum Teil auf Strukturen, die das vom britischen Physiker Robert Penrose entdeckte "Penrose-Parkett" aus zwei Parallelogrammen ("Kites" und "Darts") zur Grundlage haben. Dieses Muster wendet er in unterschiedlichen Maßstabsebenen - vom Städtebau bis zum Wohnungsgrundriss an. Seine Ansätze haben wir in einem weiteren Artikel vertieft: Vielfalt in Serie: Das Penrose-Parkett als Planungsgeometrie im Städte- und Wohnungsbau.
Bergers Vortrag leitete damit zur "Mesoebene" der Planung über mit einem Fokus auf Wohnhaustypologien. Der chinesische Architekt Gary Chang bezog sich in seinem Vortrag einerseits auf Zellenstrukturen, die die gesellschaftliche Fokussierung auf das ungebundene Individuum spiegeln - den urbanen Nomaden. Gleichzeitig zielen seine Entwürfe eines "Supply of fundamental Needs"auf die Nutzung von Nischen und die Bereitstellung von intelligenten "Functional Kits". Auch auf seine Projekte gehen wir in einem vertiefenden Artikel ein: Vertikale Nischen: Miniwohnungen von Gary Chang.
Als komplementär zu Changs ergänzenden Mikro-Räumen kann der umfassende Ansatz Stefan Becks von be baumschlager eberle aufgefasst werden. Er stellte eine konkrete Strategie für eine ganzheitliche Planung von Siedlungen und Gebäuden - nicht nur im Rahmen von Nachverdichtungsszenarien - vor. Die Strategie besteht aus vier Ebenen, für die jeweils ein strategisches Ziel formuliert wurde: Diese Ebenen können sowohl aufeinander aufbauend als auch unabhängig von einander gelesen und angewendet werden: 1./2. Wie kann der soziale und kulturelle Wert einer Siedlung/eines Gebäudes auf die effizienteste Weise erhalten werden? 3. Wie definiert man ein "dauerhaftes Gebäude"? 4. Wie können primärer Energiebedarf und CO2-Ausstoß auf die effizienteste Weise reduziert werden?
Um jedes Ziel gruppieren sich mehrere Themenfelder mit spezifischen Anforderungen, die es zu erfüllen gilt. Bei der "Strategie, dauerhafte effiziente Gebäude zu entwerfen", sind dies lokaler Hintergrund (Genius loci), Komfort, Einfluss des Gebäudes auf die Umgebung, Konstruktionsmethode und Flexibilität. Die "Dauerhaftigkeit" einer Siedlung zeige sich laut Beck vor allem in der Wertschätzung ihrer Bewohner, funktionale Dauerhaftigkeit erfüllten vor allem flexibel geplante Gebäude und als dauerhaft in der Konstruktion erwiesen sich einfache Konstruktionen wie einschichtige Wandaufbauten. Eine Verringerung von Energiekosten und CO2-Ausstoß sei beispielsweise durch den bewussten Einsatz lokaler Bautraditionen und Handwerksmethoden zu erreichen. Becks Kriterienkatalog kann man als eine Checkliste einsetzen, um den Entwurf auf "Dauerhaftigkeit und Effizienz" zu überprüfen. Gleiches gilt für die weiteren strategischen Ziele.
Doch wie können solche Ziele konkret in China umgesetzt werden? Den Schlüssel dazu lieferte Stefan Holst von Transsolar Engineering. In seinem Vortrag zu "Climate Responsive Building Design" zeigte er diverse Beispiele - allen voran den "Linked Hybrid" von Steven Holl in Peking, in denen die Ingenieure trotz extremer klimatischer Bedingungen eine effiziente Energiekonzeption der Gebäude umsetzen konnten. Die Lösung lag hier vor allem im Bereich von "adaptiven Fassaden" und Klimakontrollsystemen. Transsolar ist auch deshalb so erfolgreich, weil seine Ingenieure gezielt natürliche Quellen und physikalische Prozesse für die Klimaplanung einsetzen - also Tageslicht, Nacht- und Erdabkühlung, solare Gewinne, aber auch physikalische Effekte wie natürliche Ventilation durch thermische Prozesse oder das geschickte Nutzen von thermischen Schichtungen in großen Luftvolumina zur bedarfsorientierten Raumkonditionierung. Dabei zielt der ganzheitlich ausgerichtete Ansatz auf integrative Lösungen, bei denen räumliche Elemente wie Atrien ebenso wie konstruktive - Stützen oder ganze Tragsysteme - zur klimatischen Gebäudeoptimierung einbezogen werden. In diesem Sinne bot der Vortrag von Stefan Holst mit seinem Einblick in die "Mikroebene" der Nachverdichtung unter extremen Klimabedingungen eine gute Überleitung zur umfassenden Diskussion des Themas und den Abschluss der Panels in Graz. (Cordula Vielhauer)
Weitere Informationen:
Vielfalt in Serie: Das Penrose-Parkett als Planungsgeometrie im Städte- und Wohnungsbau
Vertikale Nischen: Miniwohnungen in Megacities von Gary Chang
Symposium High Density and Living Comfort der TU Graz
Weitere Informationen:
Vielfalt in Serie: Das Penrose-Parkett als Planungsgeometrie im Städte- und Wohnungsbau
Vertikale Nischen: Miniwohnungen in Megacities von Gary Chang
Symposium High Density and Living Comfort der TU Graz