03.02.2010

Neues Haus aus altem Stein - Recyclingbeton

„Die Gewinnung von Recyclingbeton beginnt schon beim Abbruch“, so Dr. Angelika Mettke von der Fachgruppe Bauliches Recycling BTU Cottbus. Nur sortenreines Ausgangsmaterial kann eine gleich bleibende Qualität der Zuschlagstoffe und damit auch des Recyclingbetons garantieren. Der Baustoff Recyclingbeton wird in Deutschland noch wenig genutzt. Nur etwa ein bis drei Millionen Tonnen werden bisher jährlich verbaut.
Anders sieht es allerdings in der Schweiz aus. Um die schwindenden Kiesressourcen der Schweiz zu schonen, setzt die Stadt Zürich den Recyclingbaustoff schon seit 2004 bei allen öffentlichen Vorhaben ein. Das schweizerische Bundesamt für Bauten und Logistik informiert in einem Merkblatt private Bauherren Möglichkeiten des Bauens mit Recyclingbeton. Dank dieser Maßnahmen werden inzwischen schon ca. 10% des derzeitigen Betonbedarfs des Züricher Raums durch Recyclingbeton gedeckt.

Foto: aboutpixel.de / Mörteleimer ? Uwe Dreßler

Betrachtet man die Vorteile dieses Baumaterials näher, stellt sich die Frage, warum nicht mehr Kommunen und Bauherren auf Beton aus recycelter Gesteinskörung setzen. Durch die Verwendung von Recyclingbeton werden Ressourcen geschont und gleichzeitig die Landschaft geschützt. Die baulichen Eigenschaften von Recyclingbeton sind mit denen von Primärbeton vergleichbar, die Kosten aber tendenziell geringer. Denn Bauschutt fällt meist in unmittelbarer Nachbarschaft zu Bauvorhaben an, bei denen er als Zuschlag wieder verwendet werden kann. Auf dies Weise lassen sich Transport- und Deponierungskosten einsparen.
Eine sortenreine Fraktionierung vorausgesetzt, lässt sich Beton vollständig recyceln. Bei Festbetonrecycling wird Betonbruch gebrochen und aufbereitet. Es entstehen Betonsplitt und Betonbrechsand. Bei Recyclingbeton werden die natürlichen Zuschlagsstoffe teilweise oder vollständig durch eine Recycling-Gesteinskörnung ersetzt. Wichtig ist, dass der Zuschlag frei von Verunreinigungen ist, dass er bestimmte chemische Eigenschaften erfüllt und dass eine exakte Körnungsabstufung vorliegt. Die Vorgaben der DIN 4226-100 „Gesteinskörnungen für Beton und Mörtel“ sind auch hier maßgeblich. Die Erfahrung der Schweiz zeigt, dass Recyclingbeton für die häufigsten Anwendungen im Hochbau geeignet ist und selbst Sichtbeton sich gut mit ihm realisieren lässt. Nur bei Spezialbetonen im Frostbereich oder mit sehr hohen Festigkeitswerten sowie bei der Herstellung von Fertigbetonteilen wird derzeit noch kein Recyclingbeton eingesetzt.

Erstes Projekt in Deutschland, bei dem Teile aus Recycling-Beton bauaufsichtlich zugelassen wurden. ist das Verwaltungsgebäude des Deutschen Bunds Umweltschutz in Osnabrück, das 2001 fertig gestellt wurde.

Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU)

Derzeit wird in Ludwigshafen ein zweites Pilotprojekt realisiert. Für das Gästehaus des Ludwigshafener Immobilienunternehmen GAG - „Haus Nummer 3“ - ist im Hochbau die Verwendung von 90% Recyclingbeton geplant. Als Teil einer neuen Rheinuferbebauung soll das viergeschossige Wohngebäude „Musterbau zum Anfassen“ sein, aber auch Grundlagen für aktuelle Richtlinien für die Herstellung und Anwendung von Recyclingbeton sein. Projektpartner sind das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu), die Fachgruppe Bauliches Recycling der BTU Cottbus sowie die regional ansässigen Unternehmen Scherer und Kohl (zuständig für Rückbau und Recycling) und TBS Transportbeton Rhein-Neckar. Die Firma Eberhard aus Oberglatt in der Schweiz, Pionier in Sachen Recyclingbeton, hat eine beratende Funktion übernommen. Nachdem im Vorlauf verschiedene Betonqualitäten geprüft wurden, haben im August die Hochbauarbeiten begonnen. Die Fertigstellung des Rohbaus für bis Ende 2009 geplant.

Wohnanlage mit Gästehaus ?Haus Nummer 3?

Während man in Deutschland noch versucht, das Baumaterial Recyclingbeton mithilfe von Pilotprojekten von seinem Ruf als zweitklassigen Baustoff zu befreien, wurden in der Schweiz schon mehrere Großprojekte mit Recyclingbeton fertig gestellt. Bei dem 2008 eröffneten SAS Radisson Hotel in Zürich wurden innerhalb von nur zwölf Monaten 15.000 m³ Recyclingbeton verbaut. Das Gebäude mit einer Nutzfläche von 36.600 m² nach einer Planung des Züricher Büros Atelier WW beherbergt Hotel-, Büro- und Konferenzräumlichkeiten und hat einen direkten Zugang zum Flughafenterminal. Beauftragtes Bauunternehmen war – wie bei allen Großprojekten mit Recyclingbeton in der Schweiz - die Firma Eberhard aus Oberglatt.
Es stellt sich natürlich die Frage, warum in den Nachbarländern Deutschland und Schweiz die Entwicklung beim Einsatz von Recyclingbeton so unterschiedlich ist. Laut Dr. Berthold Schäfer, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Kreislaufwirtschaftsträger Bau (Arge KWTB) kann man das Vorbild Schweiz nicht auf Deutschland übertragen. Dadurch, dass im Raum Zürich Abbruch und Recycling in Hand der Firma Eberhard liege, sei dort die Produktion größerer Mengen Recyclingbetons in stabiler Qualität möglich. Eine solche Monopolstellung eines einzelnen Unternehmens sei für Deutschland aber nicht vorstellbar. Schäfer findet auch die Skepsis der deutschen Bauherren begründet: Aufgrund von sich ständig ändernden Regelungen wisse man nie, ob der Recyclingbeton von heute nicht in zwei Jahren ein Altlast sei. Dr. Angelika Mettke von der BTU Cottbus bewertet die Zukunft des Recyclingbetons allerdings positiver: Sie betont, dank kontrollierter Produktionsprozesse sei er dem Primärbeton ebenbürtig. So sei es nur eine Frage der Zeit, bis Recyclingbeton sich auch in Deutschland etabliert.

Foto: ACRON GmbH

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