14.04.2011

Parametrische Planungsmethoden

Programmfamilien führender CAD-Hersteller bieten den Architekten und Planern heutzutage die Möglichkeit, ihre Entwürfe mittels eingebauten Scriptings oder mithilfe sogenannter generativer Tools nach eigens gestellten Parametern zu optimieren.

Herkunft und Anwendung in anderen Branchen

In der Mathematik können sämtliche geometrischen Figuren durch ihre Funktion beschrieben und durch die Verschiebung einzelner Parameter verändert werden. Bei einfachen geometrischen Figuren, zum Beispiel dem Kreis, beeinflusst die Parameteränderung lediglich Radius und Umfang. Besteht eine Funktion aus mehreren Funktionen dieser geometrischen Grundformen, so lässt sich eine vielfache Formvarianz generieren. Zur Anwendung kommen diese Regeln der Parametrisierung schon seit Längerem im Schiffsbau.

Die Formstabilität der Schiffsrümpfe geht hier auf die parametrische Konstruktion der Spanten zurück, geht diese wiederum bilden die Baureihe einer parametrisierten Vorlage ab. Im Maschinenbau ermöglichen parametrische Modelle die assoziative Konstruktion von Bauteilen, die auf Variablen, Grundformen, Formeln, Normen etc. basieren.

Vorteile

Gebäude können von der ersten Entwurfsphase an auf ein Optimum ( z. B. Zeit, Kosten, Qualität) in der Planung, Vorfertigung, Ausführung und Nutzung hin konzipiert werden. Parametrische Planung ist bei komplexen Projekten mit vielen Akteuren besonders sinnvoll, da Änderungen im Planungsverlauf problemlos in das parametrische Modell eingearbeitet werden können. Verschiedene Entwurfsvarianten erleichtern somit grundlegende Entscheidungen in der Anfangsphase von Planungen. Die durchgängige Parametrisierung eines einzelnen Produkts bzw. Bauteils inklusive seines "Zubehörs" (Formwerkzeuge, Fertigungsverfahren, Materialeigenschaften etc.) stellt eine geschlossene digitale Prozesskette sicher.

Stand der Technik

Viele Programmfamilien führender CAD-Hersteller bieten den Architekten und Planern heutzutage die Möglichkeit, ihre Entwürfe mittels eingebauten Scriptings oder mithilfe sogenannter generativer Tools nach eigens gestellten Parametern zu optimieren. Während beim Scripting eine Skriptsprache beherrscht werden sollte, gestaltet sich das Planen mit einem generativen Programm-Tool einfacher. Hier sind die einzelnen Komponenten grafisch dargestellt und können auf einfache Weise untereinander verknüpft werden. So können parametrische Modelle erzeugt und neue Formen mit generativen Algorithmen erstellt werden.

Im Vergleich zu den in der Automobil- und Maschinenbauindustrie angewandten Programmen fehlen bislang oftmals die direkten Schnittstellen zu den Verarbeitungsmaschinen wie zum Beispiel CNC-5-Achsfräsen, Abbundmaschinen oder Industrierobotern. Dies erschwert die Produktion von Bauteilen oder Gebäudekomponenten wie etwa den parametrisierten Knotenpunkten einer Fassade.

Bisherige Ansatzpunkte in der Parametrisierung von Gebäuden

Die geometrische Parametrisierung eines Gebäudes, bei der die Gebäudeform aus der Verknüpfung einzelner Grundgeometrien aufgebaut ist, hat in den meisten Fällen Einflüsse auf die vier Komponenten Details, Fassade, Tragwerk und Gebäudeform, die in der Regel physisch miteinander verbunden und deshalb geometrisch voneinander abhängig sind. So kann beispielsweise die Parametrisierung von Knoten- und Anschlussdetails auf zwei Arten erfolgen. In einem Bottom-up-Ansatz (von innen heraus) beeinflussen zum Beispiel die Parameter wie Grundgeometrie, max. Anschlusswinkel, max. Neigung eines Knotens die Geometrie der Gesamtform bzw. einer Fassade.

Im Gegenzug beeinflusst bei einem Top-down-Ansatz die festgelegte Form die Ausprägung der Knotendetails - dies kann dazu führen, dass alle Knoten unterschiedlich sind und die Einzelherstellung oft unwirtschaftlich ist. Eine Umstellung auf automatisierte Fertigungsverfahren ist dafür zwingend notwendig. Ähnlich verhält es sich mit den Möglichkeiten der Parametrisierung einer Fassade: Die Eigenschaften der Bauteile (definierte Größen, Form, Material etc.) können die Geometrie der gesamten Fassade beeinflussen, daraus kann eine wirtschaftliche Serienfertigung trotz komplexer Geometrie der Außenhülle erfolgen.

Im Gegenzug dazu können auch die einzelnen Paneele oder Elemente auf vorher fest definierte Formen oder auf besondere Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel Belichtungs- und Verschattungsverhältnisse optimiert werden. Dies führt jedoch gezwungenermaßen zu Einzelanfertigungen, die digitale Produktionsmethoden voraussetzen. Ähnlich verhält es sich mit weiteren Komponenten des Gebäudes wie zum Beispiel dem Tragwerk, der räumlichen Aufteilung oder dem Klimakonzept. Bis heute lassen sich in einer steigenden Anzahl von Projekten Ansätze dieser Planung erkennen, jedoch bezieht sich die parametrische Planung bei diesen meist lediglich auf einzelne Gebäudekomponenten.

Praxisbeispiele

Zu den Paradebeispielen der parametrischen Planung der letzten Jahre zählen unter anderem das von UNStudio entworfene Mercedes-Benz Museum in Stuttgart und das von Shigeru Ban entworfene Centre Pompidou in Metz. Bei diesen beiden Projekten lieferten die Architekten anfangs keine parametrisierten Modelle für die Produktion der einzelnen Bauteile und das Gesamtobjekt. Im Falle des Mercedes-Benz Museums wurde der Softwaredienstleister DesigntoProduction damit beauftragt, ein parametrisiertes 3D-Modell zu entwickeln, anhand dessen die Daten der Schalung für die aufwendige Stahlbetonkonstruktion sowie die Fassaden- und Stahlstützenkonstruktion im Fassadenbereich abgelesen werden konnten.

Auch beim Centre Pompidou in Metz wurden diese als externe Berater zu Rate gezogen, um den ausführenden Zimmereibetrieb bei der Geometrisierung der zweifach gekrümmten Dachträger zu unterstützen. Bei beiden Projekten gab es keine direkten Informationsfluss zwischen den Architekten und den ausführenden Gewerken. Beim österreichischen EXPO-Pavillon für Schanghai jedoch arbeiteten die Architekturbüros SPAN & Zeytinoglu von Anbeginn mit parametrischen 3D-Modellen und optimierten ihren Entwurf auf diese Weise. Im weiteren Verlauf arbeitete das Büro eng mit den anderen Planern und den ausführenden Unternehmen anhand eines parametrischen BIM-Modells zusammen. Aus diesem Modell konnten sämtliche Daten zur Ausführung ausgelesen und problemlos zum Beispiel auf die CNC-Fertigung übertragen werden.

Ausblicke

Zwar findet in immer mehr Projekten die parametrische Planung statt, jedoch wird sie in vielen Fällen nur in begrenztem Umfang (z. B. der Fassadenplanung) angewendet. Oft fehlt auch noch die integrierte Umsetzung von der frühen Planungsphase bis hin zur Ausführung, sodass sich das parametrische Planen wiederum häufig nur auf bestimmte Prozessschritte erstreckt. Jedoch ist am Beispiel des österreichischen Pavillons für die EXPO 2010 deutlich zu sehen, welches Potenzial sich hinter dieser Art der Planung in Zukunft noch verbirgt. Eine ganzheitliche Parametrisierung der Prozesskette bietet weitreichende Chancen für die Gebäude der Zukunft und die gesamte Bauindustrie.

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