Postindustrielles Leuchtzeichen: Baoshan Exhibition Center von Kokaistudios

Industrie- und Kaianlagen, Abraumhalden und der ein oder andere Landschaftspark auf dem Gelände einer alten Industriebrache prägen das Hafengebiet von Luojing am Unterlauf des Jangtse-Flusses etwa 50 km nordwestlich der Innenstadt von Shanghai. Auch hier ist die alte Schwerindustrie vielerorts auf dem Rückzug: So will etwa die staatseigene Baowu Steel Group auf dem Gelände ihres ehemaligen Stahlwerks ein Müllheizkraftwerk mit angeschlossenem Parkgelände, Bürogebäuden und einem Museum entstehen lassen. Um Investoren und Mieter in die Gegend zu locken, beauftragte die Firma das Shanghaier Architekturbüro Kokaistudios mit dem Entwurf eines Ausstellungspavillons. Modelle und Zeichnungen visualisieren hier das, was kommen soll; außerdem kann sich die Öffentlichkeit über die Technologie der Abfallverbrennung informieren.
Statt ihn frei auf dem Gelände zu platzieren, beschloss der Bauherr, den 725 m² großen Neubau in das Stahlskelett einer der wenigen noch verbleibenden Werksanlagen einzufügen. Das Industriedenkmal soll langfristig auf dem Areal stehen bleiben. Ob das auch für den Ausstellungspavillon gilt, steht noch nicht fest. Schwere Stahlträger, rostige Gasleitungen, Silos und lange Förderbänder bilden nun den Rahmen für eine fragil wirkende Konstruktion aus 40 mm starken Polycarbonatstegplatten und weiß lackierten Stahlprofilen. Mehr aber auch nicht – denn der Pavillon besitzt seine eigene, von dem alten Stahlskelett unabhängige Tragstruktur. Alt und neu durchdringen einander in einem spannungsvollen, gelegentlich verwirrenden Wechselspiel, und machen das industrielle Erbe auch in dem sonst so aufgeräumten, flexibel nutzbaren Inneren des Pavillons spürbar. Die Materialien des Neubaus erzeugen eine ätherisch-kühle Ästhetik, die lediglich von den Holzoberflächen des Mobiliars gebrochen wird. Neben dem geringen Gewicht achteten die Architekten bei der Materialauswahl auch auf eine leichte Rückbaubarkeit. Zum Beispiel beim Fußboden: Er besteht aus großformatigen Betonsteinplatten auf Doppelbodenstützen in der gleichen Höhe wie die Stahlbetonfundamente der umgebenden Industrieanlage. Die Bäder sind nicht gefliest, sondern erhielten eine Innenauskleidung aus Edelstahlblech. Bei der Gestaltung der Freianlagen bedienten sich Kokaistudios vor allem dessen, was vorhanden war: Die Bäume ringsum konnten größtenteils erhalten bleiben, und auf den Pflasterwegen wechseln sich Gehwegplatten aus Beton mit Streifen aus bräunlicher Hochofenschlacke ab.