Architektur als Sprache
Sanierung des Hölderlinturms von Coast
Blick in die multimediale Dauerausstellung im Hölderlinturm, © David Franck Photographie
Mit der denkmalgerechten Sanierung des Hölderlinturms und einer multimedialen Dauerausstellung haben Coast aus Stuttgart das sprachliche Vermächtnis von Friedrich Hölderlin in Architektur übersetzt.
Der Hölderlinturm liegt in Tübingen direkt am Neckar. © David Franck Photographie
Vom Gedicht zum Raum
Insgesamt 48 sogenannte Turmgedichte sind von dem deutschen Lyriker überliefert. Verfasst wurden sie allesamt in einem direkt am Neckar gelegenen Turm in Tübingen, der heute seinen Namen trägt. Dessen Geschichte reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Entsprechend sorgsam gingen Coast bei der Sanierung vor und legten einzelne Zeitschichten wie etwa Teile des Mauerwerks frei. So wird die Architektur zu einem begehbaren Exponat der 230 m² großen Ausstellung.
Diese beginnt passenderweise mit Hölderlins Gedicht „Hälfte des Lebens“, das in grüner Farbe auf die weiß verputzten Wände des Treppenhauses gepinselt ist. Letzteres verbindet das Erdgeschoss mit den beiden oberen Geschossen und wird vom Planungsteam analog zum Thema der Ausstellung als weißes Blatt Papier interpretiert.
Ausstellungsraum, © David Franck Photographie
Rhythmus und Metrik
Weiße Deckenleuchten im Eingangsbereich des Erdgeschosses bilden das metrische Schema der letzten beiden Verse des Gedichts durch ihre unterschiedlichen Längen ab. Hinzu kommt ein großes, an der Wand befestigtes Metronom, das Takt und Tempo vorgibt. Durch die Verbindung von Schritt- und Versmaß ruft es den Besuchern schon vor dem Betreten der Ausstellung die Bedeutung von Rhythmik und Metrik ins Bewusstsein.
© David Franck Photographie
© David Franck Photographie
Das Ausstellungskonzept beruht in allen Bereichen auf der Sichtbarmachung von Hölderlins Spracharbeit. Ein Beispiel ist der halbkreisförmige Hauptraum im Erdgeschoss, wo das Gedicht „Die Linien des Lebens“ Zeile für Zeile auf eine scheinbar schwebende Wand aus Holzschindeln projiziert wird. Gleichzeitig können Besucher das jeweilige Versmaß mit Hilfe eines Körperschallwandlers durch das Berühren einzelner Schindeln erspüren.
Sichtbarmachung von Hölderlins Spracharbeit, © David Franck Photographie
Holistische Szenografie
Die Idee einer holistischen Szenografie findet sich auch in den beiden oberen Geschossen wieder, die unter anderem ein multimediales Sprachlabor bieten. Im Zentrum stehen aber vor allem Exponate wie der Schreibtisch des Dichters, der auf einem schwarzen Sockel entsprechend inszeniert wird. Zudem bildeten die Planer die Struktur seiner ehemaligen Schlaf-, Wohn- und Schreibstube durch Fensterumrisse und einen Wechsel des Bodenbelags ab. So wird die Ausstellung zu einem stimmigen Ganzen, bei dem zeitliche, architektonische und sprachliche Elemente miteinander verwoben werden.
Architektur & Ausstellungsgestaltung: COAST
Bauherr: Universitätsstadt Tübingen
Standort: Bursagasse 6, 72070 Tübingen (DE)
Ausstellungsgrafik: TOUSSAINT x TEACHOUT
Mediendesign: 2AV GmbH
Kuratorenteam: Prof. Dr. Thomas Schmidt (DLA Marbach) und Dr. Sandra Potsch