12.12.2012 Florian Maier

Spannungsvolles Gleichgewicht: Keltenmuseum am Glauberg

Die hybride Konstruktion des Baukörpers besteht aus zwei Teilen: Der massive Kern aus Stahlbeton verankert den auskragenden Austtellungsbereich im Hang. Zwei in Längsrichtung gespannte raumhohe Fachwerkträger, verbunden durch einen Vierendeelträger, verteilen die Lasten der Auskragung. Architekten: kadawittfeldarchitektur, Aachen
Standort: Am Glauberg 1, 63695 Glauburg
Das Keltenmuseum beherbergt archäologische Fundstücke der an diesem Ort entdeckten keltischen Fürstengräber. Der geschlossene, monolithische Baukörper wird den lichtempfindlichen Exponaten gerecht, der Besucher kann hier ganz in die Keltenwelt eintauchen. Höhepunkt der Ausstellung ist dabei das große, in dunklem Glas ausgeführte Panoramafenster: Es schützt die historischen Fundstücke und gibt zugleich den Blick frei auf den nahe gelegenen Grabhügel, der so zum eigentlichen Ausstellungsstück wird.

Der geschützte Freiraum unter der mächtigen Auskragung dient als Start- und Endpunkt für den Rundgang auf dem archäologischen Lehrpfad und für die Erkundung des Museums. Foto: Werner Huthmacher

Die im Jahr 2000 entdeckten keltischen Fürstengräber auf dem Glauberg mit ihren vollständig erhaltenen Grabbeigaben, dem Kultbezirk und der zugehörigen Siedlung gehören heute zu den wichtigsten keltischen Fund- und Forschungsstätten Europas. Mit dem im Mai 2011 eröffneten Museum haben die Architekten kadawittfeldarchitektur aus Aachen einen würdigen Rahmen für die Fundstücke geschaffen.
Den unverwechselbaren Ort achtend verzichtet die Architektur auf große Gesten und nimmt sich zugunsten der historisch geprägten Landschaft zurück. Als klar konturierter Baukörper fügt sich das Museum in die weite Landschaft ein. Halb im Hang verborgen richtet es sich zum Keltenhügel aus und lässt dabei bewusst den Grabhügel Hauptakteur sein.

Lageplan: kadawittfeldarchitektur

Grundriss EG: kadawittfeldarchitektur

Grundriss OG: kadawittfeldarchitektur

Schnitt: kadawittfeldarchitektur

Die kompakte Form wird durch eine Verkleidung aus großformatigen Cortenstahlplatten unterstützt. Das Material weckt zum einen Assoziationen mit Erdverbundenheit und Schwere und ist zum anderen eine Reminiszenz an den fortschrittlichen und handwerklich kunstvollen Umgang der Kelten mit Metallen. Die weitestgehend stützenfreien Räume werden über sechs Meter hohe Stahlfachwerke in den geschlossenen Seitenwänden ermöglicht, die als Auflager für die leichten Geschossdecken dienen. Die Rückverankerung ist als konventioneller Stahlbeton-Massivbau konstruiert.
Die kompakte Bauform und geringe Hüllfläche des Museums reduziert den Primärenergiebedarf. Die hinterlüftete Metallfassade stellt energetisch einen optimalen Standard dar, schützt die Konstruktion dauerhaft und minimiert die Betriebskosten, da laufende Wartungskosten entfallen. Hochisolierende, recycelbare Baustoffe reduzieren den Aufwand zusätzlich, wobei auch die gewählte Wärmedämmverglasung mit einem Ug-Wert von 1,1W/m2K ein wichtiger Baustein des Energiekonzeptes ist.
Auch die technische Gebäudeausrüstung wurde unter nachhaltigen Aspekten konzipiert und entspricht diesem Anspruch mit einer CO²-neutralen Holzpelletheizung und einer Lüftungsanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung.

Foto: Werner Huthmacher

Nach den Vorstellungen der Architekten sollte die große Glasfassade von außen dunkel erscheinen und die Szenerie im Innenraum nur schemenhaft erkennen lassen. Gleichzeitig sollte die Fassade den freien Blick auf den Kultbezirk zulassen. Es galt, die Lichtdurchlässigkeit soweit zu reduzieren, dass die hochempfindlichen keltischen Exponate im Innern des Museums zuverlässig geschützt werden. Ferner sollte das Glas einen guten sommerlichen Wärmeschutz bieten, absturzsichernd sein und  den Einbruchschutz über eine Alarmanlage gewährleisten. 
Die großformatigen Isoliergläser (2.150 mm x 4.676 mm)  bestehen aus 8 mm ESG Grau (außen) und  12 mm VSG mit Wärmedämmbeschichtung. Das Grauglas erfüllt mit seinem geringen Reflexionsgrad die Wünsche nach einer dunklen, fast schwarzen Oberfläche. Die Großformate der Fassadengläser ohne störende Rahmen- und Profilleisten bieten ungetrübte Ausblicke in die Natur und erfüllen als Sicherheitsglas die nötigen Anforderungen an die Absturzsicherung.

Foto: Werner Huthmacher

Die Lichtdurchlässigkeit des Glases beträgt  34 % und der sommerliche Wärmeschutz konnte aufgrund der höheren Absorption des Glases mit einem g-Wert von 30 % erfüllt werden. »Wir sind mit der Ausführung des Panoramafensters hoch zufrieden«, erläutert Oliver Venghaus, Projektleiter bei kadawittfeldarchitektur. »Mit dem Glasaufbau konnten all unsere technischen und optischen Anforderungen gut erfüllt werden und letztendlich sogar auf die zuerst angedachte Sonnenschutzverglasung gänzlich verzichtet werden«, resümiert Venghaus. 
Projekt: Dezentrales Archäologisches Landesmuseum Hessen »Keltenwelt am Glauberg«
Ort: Glauburg, Hessen (D)
Bauherr: Land Hessen vertreten durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) und das Hessische Baumanagement (HBM)
Architekten: kadawittfeldarchitektur, Aachen
Tragwerksplanung: Bollinger Grohmann Ingenieure, Frankfurt am Main
Landschaftsplanung: Club L94 Landschaftsarchitekten, Köln
Realisierung: 2008-2011, Wettbewerb 2006, 1. Preis
Bauvolumen: BGF 2190 m², BRI 9500 m³
Preise: Auszeichnung vorbildlicher Bauten in Hessen 2011
Fassadenbauer: Lummel GmbH & Co.KG, Karlstadt
Glasfassade: H & P Metallbau GmbH, Dautphetal-Dautphe
Verglasung Panoramafenster: Flachglas Wernberg GmbH Eine ausführliche Print-Dokumentation zum Projekt lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe DETAIL 2012/12 zum Thema »Hybride Konstruktionen«.


Foto: Werner Huthmacher

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