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Technikfixiert statt öko-verträumt: Green Dream
Was läuft schief in der gegenwärtigen Nachhaltigkeitsdebatte? Das Buch ‚Green Dream: How future cities can outsmart nature’ der niederländischen The Why Factory nennt die Schwachpunkte und ersetzt sie durch eine Zukunftsvision nach dem Motto: Technik und Infrastruktur werden es richten müssen. In ihrer Kritik am Status quo sagen die Autoren viel Richtiges, ihre Zukunftsvisionen bleiben jedoch hinter den Anforderungen zurück.
Für Naivität und übertriebene Political Correctness ist Winy Maas, Mitbegründer des Architektubüros MVRDV und Professor an der TU Delft, nicht bekannt. Im Buch ‚Green Dream’ legt er gemeinsam mit seinen Mitautoren vom Think Tank ‚The Why Factory’ (bestehend aus Mitarbeitern seines Architekturbüros und seines Lehrstuhls) den Finger in die Wunden unserer Gesellschaft, die Umwelt, Klima und Arten retten, dabei aber bloß keine finanziellen Risiken eingehen möchte und deswegen nicht so recht vom Fleck kommt. ‚Some things are wrong with Green’, heißt es im Klappentext, und gleich das zweite Kapitel des Buchs, ‚Twenty-Two Observatios on Today’s Green’, verdeutlicht, welche: Die Komplexität der Probleme wirkt oft lähmend, die Nachhaltigkeitsbestrebungen gehen zu langsam voran und – Stichwort ‚Greenwashing’ – grünes Denken und Handeln verkommt allzu oft zur Marketing-Masche.
Damit ist die Liste der Autoren noch lange nicht abgearbeitet: ‚Nachhaltige Gebäude sind hässlich’, ‚Nachhaltigkeit ist zur Religion geworden’ und ‚Grünes Denken ist unwissenschaftlich’ lauten weitere Thesen. Der argumentative Tenor der 22 ‚Observations’ ist indes schnell zusammengefasst: Die Nachhaltigkeitsbewegung krankt derzeit vor allem an ihrem Hang zum Klein-Klein, zur Überbetonung individueller Verhaltensänderungen und zur unwissenschaftlichen Argumentation. „Kleine grüne Taten sind nicht genug“lautet denn auch eine zentrale These des Buchs. Notwendig seien künftig vor allem bindende internationale Regeln und ein Denken in globalen Zusammenhängen. Gigantische Investitionen in neue Infrastrukturen müssten in den nächsten Jahrzehnten getätigt werden, und die Nachhaltigkeitsbewegung täte gut daran, ihre Argumentationen stärker auf Fakten denn auf Glaubenssätze zu stützen. Doch auch gute Botschaften haben Maas und Kollegen für ihre Leser übrig: Energie sei im Überfluss vorhanden, die Demokratie könne – anders als diktatorische Staatsformen - noch immer am ehesten die Wende zur Nachhaltigkeit bewerkstelligen, und: Grüne ‚Ikonen’, etwa in der Architektur, hätten trotz ihrer geringen Zahl durchaus einen Einfluss auf künftige Planungen.
Das Vertrauen in Fakten und fortschrittliche Technologie zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Zahlreiche, gut recherchierte und anschauliche Diagramme illustrieren die 22 Thesen im zweiten Kapitel. Ihre Quellen legen die Autoren konsequent offen – was zur Folge hat, dass die Fußnoten mitunter länger sind als der eigentliche Text. Kapitel 3 enthält fünf Experteninterviews und –essays, die die Grundthesen der Autoren weitgehend bestätigen. Am Ende des Buchs blickt ‚The Why Factory’ schließlich in die Zukunft: Doppelseitige Renderings zeigen neun ‚Green Dreams’, Zukunftsvisionen für konkrete Städte rund um den Globus. Die Neigung des Büros MVRDV zu großen, provokativen Konzepten, die gezielt mit Konventionen und dem gegebenen Kontext brechen, wird hier unübersehbar.
Leider krankt das Buch ziemlich an seiner einseitigen Technikgläubigkeit und daran, dass es ihm nirgends gelingt, Einzelgedanken und -konzepte zu einem schlüssigen Gesamtansatz zusammenzubringen. Vor allem die neun Zukunftsvisionen sind ohne den Menschen gedacht, der sie einmal nutzen und bewohnen soll. Ebensowenig werden sie der Komplexität der zeitgenössischen Stadt gerecht. Auch in ihrer Offenlegung der Mängel unserer Nachhaltigkeitsgesellschaft zeigen die Autoren wenig analytischen Tiefgang. Noch weniger scheinen sie verinnerlicht zu haben, was sie selbst schreiben: dass Nachhaltigkeit langfristig nur in einer Demokratie funktioniert und dass sie daher auf die Kultur, die Ambitionen und die Mitwirkung der Menschen setzen muss, die sie betrifft. Das Denken in Masterplänen statt Handlungsplänen, wie es uns dieses Buch vorführt, wird allein kaum ans Ziel führen. Wie sagte doch Hans Joachim Schellnhuber, Deutschlands führender Klimaforscher, nach dem gescheiterten Gipfel in Kopenhagen: Womöglich sei es nun an der Zeit, die Psychologen hinzuzuziehen, nachdem es die Naturwissenschaftler allein nicht vermocht hätten, den Politikern die Notwendigkeit klimapolitischen Handelns nahe zu bringen. Von dieser Haltung ist in ‚Green Dream’ wenig zu spüren.
The Why Factory (Hrsg.): Green Dream. NAi Publishers 2010. 352 Seiten, €35,-, ISBN 978-90-5662-741-6
Damit ist die Liste der Autoren noch lange nicht abgearbeitet: ‚Nachhaltige Gebäude sind hässlich’, ‚Nachhaltigkeit ist zur Religion geworden’ und ‚Grünes Denken ist unwissenschaftlich’ lauten weitere Thesen. Der argumentative Tenor der 22 ‚Observations’ ist indes schnell zusammengefasst: Die Nachhaltigkeitsbewegung krankt derzeit vor allem an ihrem Hang zum Klein-Klein, zur Überbetonung individueller Verhaltensänderungen und zur unwissenschaftlichen Argumentation. „Kleine grüne Taten sind nicht genug“lautet denn auch eine zentrale These des Buchs. Notwendig seien künftig vor allem bindende internationale Regeln und ein Denken in globalen Zusammenhängen. Gigantische Investitionen in neue Infrastrukturen müssten in den nächsten Jahrzehnten getätigt werden, und die Nachhaltigkeitsbewegung täte gut daran, ihre Argumentationen stärker auf Fakten denn auf Glaubenssätze zu stützen. Doch auch gute Botschaften haben Maas und Kollegen für ihre Leser übrig: Energie sei im Überfluss vorhanden, die Demokratie könne – anders als diktatorische Staatsformen - noch immer am ehesten die Wende zur Nachhaltigkeit bewerkstelligen, und: Grüne ‚Ikonen’, etwa in der Architektur, hätten trotz ihrer geringen Zahl durchaus einen Einfluss auf künftige Planungen.
Das Vertrauen in Fakten und fortschrittliche Technologie zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Zahlreiche, gut recherchierte und anschauliche Diagramme illustrieren die 22 Thesen im zweiten Kapitel. Ihre Quellen legen die Autoren konsequent offen – was zur Folge hat, dass die Fußnoten mitunter länger sind als der eigentliche Text. Kapitel 3 enthält fünf Experteninterviews und –essays, die die Grundthesen der Autoren weitgehend bestätigen. Am Ende des Buchs blickt ‚The Why Factory’ schließlich in die Zukunft: Doppelseitige Renderings zeigen neun ‚Green Dreams’, Zukunftsvisionen für konkrete Städte rund um den Globus. Die Neigung des Büros MVRDV zu großen, provokativen Konzepten, die gezielt mit Konventionen und dem gegebenen Kontext brechen, wird hier unübersehbar.
Leider krankt das Buch ziemlich an seiner einseitigen Technikgläubigkeit und daran, dass es ihm nirgends gelingt, Einzelgedanken und -konzepte zu einem schlüssigen Gesamtansatz zusammenzubringen. Vor allem die neun Zukunftsvisionen sind ohne den Menschen gedacht, der sie einmal nutzen und bewohnen soll. Ebensowenig werden sie der Komplexität der zeitgenössischen Stadt gerecht. Auch in ihrer Offenlegung der Mängel unserer Nachhaltigkeitsgesellschaft zeigen die Autoren wenig analytischen Tiefgang. Noch weniger scheinen sie verinnerlicht zu haben, was sie selbst schreiben: dass Nachhaltigkeit langfristig nur in einer Demokratie funktioniert und dass sie daher auf die Kultur, die Ambitionen und die Mitwirkung der Menschen setzen muss, die sie betrifft. Das Denken in Masterplänen statt Handlungsplänen, wie es uns dieses Buch vorführt, wird allein kaum ans Ziel führen. Wie sagte doch Hans Joachim Schellnhuber, Deutschlands führender Klimaforscher, nach dem gescheiterten Gipfel in Kopenhagen: Womöglich sei es nun an der Zeit, die Psychologen hinzuzuziehen, nachdem es die Naturwissenschaftler allein nicht vermocht hätten, den Politikern die Notwendigkeit klimapolitischen Handelns nahe zu bringen. Von dieser Haltung ist in ‚Green Dream’ wenig zu spüren.
The Why Factory (Hrsg.): Green Dream. NAi Publishers 2010. 352 Seiten, €35,-, ISBN 978-90-5662-741-6