12.08.2009 Peter Popp

Edition Bauhaus: Modell und Mythos

»Ein beharrlicher Gedanke, der aus einem Stück gegossen zu sein scheint, ein Gestalt gewordener Kult der nackten Vernunft.« Ilja Ehrenburg (1891-1967), russischer Schriftsteller und Journalist, über das 1926 errichtete Bauhaus-Gebäude in Dessau
»Breuer war auschließlich interessiert an seinem eigenen Fortkommen.«

Dazwischen schweift die Handlung immer wieder in die Ferne und nimmt das internationale Bauhaus-Erbe ins Visier. Das Leben in der Bauhaus-Stadt Tel Aviv und die hohe Bautätigkeit im jungen Staat Israel werden dabei ebenso thematisiert wie der zweite Wolkenkratzer-Boom in den USA. Bisweilen geraten Argumentationen dabei etwas plakativ. So wird beispielsweise das Konstatieren allgemeiner Kommunikationslosigkeit durch einen New Yorker Teenager unvermittelt zum Indiz für das städtebauliche Scheitern zahlloser Bauhaus-Epigonen.

Für Bauhausgründer Walter Gropius liegt die eigentliche Bedeutung der Hochschule ohnehin jenseits ästhetischer Zuschreibungen, welche dem Bauhaus gerne eine zeitlos in die Zukunft strahlende Modernität attestieren. Revolutionär war vielmehr der interdisziplinäre Ansatz und die damit verbundene Zielvorstellung, Fragen von Kreativität und Gestaltung immer hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Wirkung zu beurteilen.

»Die Produkte des Bauhauses sind eigentlich nicht das Entscheidende, sondern die Richtung mit der wir eine Methode vorwärts getrieben haben. Das Bauhaus ist eine Idee der Methode, die ebenso lebendig heute angewendet werden kann wie vor dreißig Jahren.« Walter Gropius in einem Fernsehinterview aus dem Jahr 1967

Zeitgeschichtliche Dokumente und Filmausschnitte informieren über die fortschrittliche und libertäre Kunstpädagogik, die die allgemeine Skepsis gegenüber der Institution »Bauhaus« noch forcierte. Viele sahen in den nach außen als junge Bohemiens auftretenden Schülern »besessene Kultur zerstörende Elemente«. Konservative und völkische Kräfte sprachen von einer »kulturbolschewistischen Zelle sowjet-kommunistischer Prägung«. Wolf Hildebrandt (1926-1928 am Bauhaus)
»Damals glaubten wir, wir würden die Welt bewegen. Wir lebten doch mit unserem Intellektualismus und Ästhetizismus und Formalismus abseits von dem, was sich draußen als Welt bewegte, uniformierte und auf den nächsten Krieg hin marschierte. Wir waren ein lyrisches Außen.«

Wolf Hildebrandt (1926-1928 am Bauhaus)

Als die Nationalsozialisten im Mai 1932 eine Mehrheit im Land Sachsen-Anhalt erhielten, war das Schicksal des Dessauer Bauhauses besiegelt. Von Anfang an war die Feindschaft gegen das Bauhaus Bestandteil des Wahlprogramms. Im Frühherbst fasste der Gemeinderat den Beschluss, die Schule zu schließen. Das künstlerische Erbe versprengte sich in alle Richtungen. Die engere Bauhaus-Familie fand eine neue Heimat in den USA und steuerte ihren Teil zur Entstehung des Mythos bei.

Fazit:
Eine insgesamt sehr informative Dokumentation, die mehrere Handlungsebenen sinnstiftend zu verknüpfen weiß und zahlreiche Details aus dem Bauhaus-Alltag lebendig werden lässt. Die Stimmen ehemaliger Schüler nehmen dabei einen sehr großen Raum ein. So entstehen einerseits bewegende Momente, weil der Enthusiasmus mit der damals gelehrt und gelernt wurde, spürbar wird. Die Grenze zur nostalgischen Verklärung wird jedoch teilweise überschritten, wenn dramaturgische Stilmittel, wie z.B. das Rezitieren selbstverfasster Gedichte, inflationär eingesetzt werden. Hier tappen die Autoren bisweilen selbst in die Glorifizierungsfalle, deren mögliche Ursachen erst am Ende des Films thesenhaft aufscheinen. Die Frage nämlich, inwieweit die Identifizierung der Bundesrepublik mit dem Bauhaus und eine damit verbundene etwaige Reinigung und Distanzierung von der eigenen Vergangenheit zum Mythos »Bauhaus« beitrugen, hätte einen ebenfalls spannenden Ausgangspunkt für weit reichende Reflexionen ergeben. Sie muss nun in einem weiteren Film geklärt werden.
Ein Film von Kerstin Stutterheim und Niels Bolbrinker, Stiftung Bauhaus Dessau (Hg.), Berlin 2009, DVD, Laufzeit 104 Min., s/w und Farbe, 4:3, PAL, Dolby 1.0,
ISBN 978-3-89848-451-0, € 19,90


Edition Bauhaus: Medien-Kunst
Filmische Praxis war am Bauhaus ein Teil des Lehrkonzeptes einer »Wissenschaft des Sehens«. Kunst und Technik sollten eine neue Einheit bilden. Film, als technisches Medium par excellence, war wichtiges Element dieser Programmatik. Die erstmals in dieser Edition zusammengestellten filmischen Arbeiten des Bauhauses zur Medienkunst eröffnen einen Einblick in das Spektrum der verschiedenen Kunstgattungen, die am Bauhaus gelehrt und praktiziert wurden und sich gegenseitig beeinflussten.

In den ausgewählten Arbeiten von Heinrich Brocksieper, Werner Graeff, Kurt Kranz und Kurt Schwerdtfeger werden Malerei, Zeichnung, Grafik und Installation durch das Medium Film zusätzlich dynamisiert. Inspiriert durch die abstrakten Filme von Hans Richter und Viking Eggeling entwickelten Bauhäusler die moderne Formensprache in medienkünstlerischen Experimenten weiter.


Stiftung Bauhaus Dessau (Hg.), Christian Hiller, Philipp Oswalt, Thomas Tode, Berlin 2009, DVD, Laufzeit 76 Min., s/w und Farbe, 4:3, PAL, Dolby 1.0, ausführliches Booklet,
ISBN 978-3-89848-450-3, ? 19,90

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