03.09.2009 Katja Domschky

Fremde Märkte Teil 1: Delegationsreisen

Man kennt das Bild aus den Fernsehnachrichten: Herren in Businessanzügen besichtigen in Begleitung von Politikern Fabriken in fernen Ländern. Solche politisch flankierten Delegationsreisen von Wirtschaftsvertretern erleichtern deutschen Unternehmen die Markterschließung im Ausland. Sind solche Reise auch für Architekten sinnvoll?
Wie gewinnen Sie bessere Kenntnisse über kulturelle und wirtschaftliche Besonderheiten eines Landes, können die Menschen kennen lernen sowie mögliche Vorbehalte und Unsicherheiten beseitigen, wenn nicht auf einer solchen Reise? Hinzu kommt, dass die Teilnahme an Delegationsreisen ein Türöffner für neue Märkte ist, da sie einen unkomplizierten Zugang zu Regierungs- und Wirtschaftsvertretern vor Ort bietet. In so kurzer Zeit können Sie Kontakte zu ausgewählten Entscheidungsträgern nicht auf eigene Faust knüpfen.
Oft wird bereits im Vorfeld solch einer Reise über politische Hintergründe, die wirtschaftspolitische Lage und die Branchenstruktur des jeweiligen Gastlandes informiert. Die Reisen dauern zwischen 2 und 7 Tage, bei 15 bis 25 Teilnehmern bietet sich da viel Gelegenheit zum Austausch. Chancen und Risiken des Engagements im jeweiligen Zielland können schon während der Reise ausführlich erörtert und beurteilt werden.
Nicht nur für 3-Buchstaben-Büros
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, solche Reisen seien nur etwas für große Büros. Aber auch kleine Architekturbüros sind gerne gesehene Teilnehmer an politisch unterstützten Unternehmerreisen. „Mittlerweile werden spezielle Architekten- und Ingenieurreisen angeboten“, erklärt Thomas Welter vom Netzwerk Architekturexport (NAX) der Bundesarchitektenkammer. „Unter den Architekten hat es sich herumgesprochen, dass Auslandsengagements reale Chancen bieten, die Auslastung eines Büros auf breitere Füße zu stellen.“ Oft sind es Zufälle, die ein Büro in fremde Länder verschlagen. Beispielsweise wenn ein deutsches Unternehmen im Ausland baut und dazu seinen Architekten mitnimmt. Oder es menschelt einfach. „In 80 Prozent der Fälle sind persönliche Neigung und Vorlieben des Chefs der Anlass, warum Büros in einem bestimmten Land aktiv werden“, sagt Welter.

Foto: Wirtschaftsministerium Bayern

Das NAX bietet im Internet umfangreiche Informationen über geplante Delegationsreisen. Sortiert nach Ländern werden zudem Erfahrungsberichte und Partnerorganisationen aufgelistet sowie Honorarempfehlungen gegeben. Den Einsteig in die Reisevorbereitung bildet eine klare Formulierung von Erwartungen sowie die Erörterung kultureller Besonderheiten und Verhaltensregeln in einem Land.
Organisiert und koordiniert werden Delegationsreisen mit und ohne politische Begleitung auf Bundes- oder Landesebene, von Berufsverbänden, den Industrie- und Handelskammern sowie von privaten Organisatoren. Sie alle haben Beziehungen zu regionalen Ansprechpartnern und Behörden sowie Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten.
Wichtig ist, dass die Kontaktaufnahme zu den Akteuren vor Ort professionell vorbereitet worden ist. Thomas Welter fasst den Ablauf so zusammen: „Deutsche mit Marktkenntnissen vor Ort, z.B. Mitarbeiter der Außenhandelskammer, organisieren für die Delegation Business zu Business-Treffen mit z.B. Immobilienentscheidern. Als ideal hat sich dabei eine Kombination von kurzen Fachvorträgen und einem anschließenden Zweiergespräch erwiesen.“
Neben Kontaktbörsen auf politischer Ebene mit Vertretern von Ministerien und Behörden sowie mit potenziellen Vertragspartnern wie Unternehmern und Investoren wird auch die Kontaktaufnahme mit ansässigen Architekturbüros zum Ausbau des Partnernetzwerkes angeboten.
Erfahrene Veranstalter gehen bei der Vorbereitung einer Delegationsreise auch auf Vorgaben und Vorschläge der Teilnehmer ein. Weiterhin erkennt man eine gute Gestaltung an der Zusammenstellung eines individuellen, branchenbezogenen Delegationsprogramms und der Organisation von persönlichen Gesprächsterminen für die Mitreisenden.
Moderater Aufwand
Bisher scheuen sich viele Architekten, entsprechende Angebote wahrzunehmen – die Teilnahmekosten können kaum der Grund sein, denn sie sind mit 50,00 bis 600,00 Euro moderat. Hinzu kommen Flug- und Hotelkosten, die stark vom Zielland abhängen. Neben den Reisekosten muss man jedoch auch in die internationale Medien investieren. Faltblätter, Broschüre und andere Büroinformationen sollten in einer englischen Version vorliegen, damit sie ihre Wirkung nicht verfehlen.
Vergleicht man diesen Aufwand beispielsweise mit dem Zeitaufwand sowie den Lohn- und Materialkosten eines Wettbewerbs, fällt die Investition erheblich geringer aus. Dabei sind die Erfolgschancen zur Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten deutlich höher als bei einer Wettbewerbsteilnahme.

Kiew / Ukraine, Mirax Plaza, Eller Eller Architekten (Quelle: NAX)

Fazit
Trotz Unterstützung bei solch einer Reise: Eine hohe Eigeninitiative ist erforderlich, da Marketing im Ausland zum Großteil aus der Pflege von Kontakten besteht und der Zeitaufwand für die Nachbearbeitung der gesammelten Kontakte nicht zu unterschätzen ist. Dennoch ist eine Delegationsreise für Architekten und Ingenieure ein lohnendes Instrument für den Start in ein erfolgreiches Auslandsengagement. Als exportorientiertes Planungsbüro sollten Sie daher die Reise wagen.
Eine Delegationsreise lohnt sich in doppelter Hinsicht: Sie ist Grundlage für den Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen, aber auch als Informationsbörse von unschätzbarem Wert. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern der Reisegruppe kann der Anstoß für eine Netzwerkbildung im Heimatland sein. Welche Chancen eine Zusammenarbeit von mehrerer Büros auf einem Auslandsmarkt bietet, ist Thema des folgenden 2. Teils der Serie: „Gemeinsamer Erfolg – Netzwerke und Kooperationen“.

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