06.12.2012 Florian Maier

Ordnender Solitär: Synagoge und Jüdisches Gemeindezentrum in Ulm

Foto: Christian Richters

Mit dem Ulmer Münster im Hintergrund, Foto: Christian Richters

Im historischen Zentrum von Ulm formuliert der klar zugeschnittene Kubus des neuen jüdischen Gemeindezentrums eine deutliche Platzkante am Weinhof. 20 Monate nach dem Spatenstich übergaben ksg architekten am 2. Dezember 2012 das Gebäude, in dem sich auch die Synagoge befindet, an die jüdische Gemeinde. Bundespräsident Joachim Gauck hielt die Eröffnungsrede.

Architekten: kister scheithauer gross architekten, Köln
Ort: Weinhof, D-89073 Ulm

Synagogenraum, Foto: Christian Richters

2009 entschloss sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) eine neue Synagoge für ihre orthodoxe Ulmer Gemeinde zu bauen und initiierte gemeinsam mit der Stadt Ulm einen Wettbewerb. Die Stadt stellte den Bauplatz mitten auf dem Weinhof, nur einen Steinwurf von der ehemaligen, in der Pogromnacht zerstörten Synagoge zur Verfügung.

Im Januar 2010 entschied sich die Jury für den Entwurf von kister scheithauer gross architekten und stadtplaner (ksg). Ulms Baudezernent Alexander Wetzig kommentierte damals: »Es ist dem Kölner Team gelungen, diese hochsensible Stelle im Ulmer Stadtraum zu bereichern, ohne ihr ihren einzigartigen Charakter zu nehmen.«

Foto: Christian Richters

Nach seiner Fertigstellung ist der Quader niedriger und kürzer als zunächst im Wettbewerb geplant. Er misst nun 24 Meter in der Breite, 16 in der Tiefe und ist mit 17 Metern Höhe deutlich niedriger als das nahe gelegene Schwörhaus. Das große Fenster mit Davidstern-Motiv markiert die Ausrichtung nach Jerusalem.

Ostseite, Foto: Christian Richters

»Die Synagoge und das jüdische Gemeindezentrum sind in einem einzigen Baukörper zusammengefasst. Der kompakte Quader steht frei auf dem Platz. Die Position ergibt sich aus der Geschichte: In der Pogromnacht 1938 wurde die ehemalige Synagoge, die in die Straßenrandbebauung des Weinhofes eingefasst war, zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Lücke mit einem Gebäude profaner Nutzung bebaut. So verlor die Synagoge ihren angestammten Platz im Zentrum der Stadt Ulm. 

Das Bauwerk der jetzigen Synagoge hat ein neues Grundstück eröffnet. Als wäre die Synagoge von ihrer ehemaligen Position aus einen Schritt nach vorne getreten, hat sie sich ihren Standort zurückerobert. Ohne baulichen Saum steht sie als Solitär auf dem Weinhof«, erläutert Prof. Susanne Gross das städtebauliche Konzept.

Lageplan

Historischer Lageplan

Die Innenausstattung der Synagoge basiert in Teilen auf Plänen von ksg, wie etwa der zwölfeckige Leuchter, ein Symbol für die zwölf Stämme des Volkes Israel. Gemeinsam mit den Vertretern der IRGW übernahm Rabbiner Shneur Trebnik die Auswahl des Gestühls und beauftragte die Anfertigung von Thoraschrein samt Bima, ein erhöhtes Podium mit Pult, von dem aus die Thora verlesen wird. Alle drei Elemente wurden in Israel angefertigt. Der Gebetsraum bietet – inklusive der 40 Sitze auf der Frauenempore – Platz für 125 Personen. 

Blick auf das Schwörhaus, Foto: Christian Richters

Treppenhaus, Foto: Christian Richters

Alle Nutzungen sind in dem glatten Baukörper zusammengefügt: Foyer, Synagoge, Mikwe (Ritualbad), Versammlungssaal, Schul- und Verwaltungsräume, sowie die Kindertagesstätte mit einem nicht einsehbaren Innenhof, der direkt über dem Sakralraum liegt.

Die Räume sind orthogonal organisiert. Nur die Synagoge ist um die einzige freistehende Stütze des Gebäudes gedreht, ihre Achse verlagert sich in die Diagonale. Der Ausrichtung nach Südosten liegt eine übergeordnete religiöse Bedeutung zu Grunde, sie zielt geographisch exakt nach Jerusalem, dem geistigen und religiösen Zentrum des Judentums.

Durch den diagonal ausgerichteten Sakralraum entsteht das Eckfenster, welches mit dem Motiv des Davidsternes als Raumfachwerk spielt. Anhand von über 600 Öffnungen ergibt sich in der Synagoge ein vielfach illuminierter Raum mit Schwerpunkt auf dem liturgischen Herzstück, dem Thoraschrein. Die mittels eines Hochdruck-Wasserstrahls hergestellte Perforation der Fassade umspielt innen den Schrein und bildet nach außen die Synagoge ab.

Foto: Christian Richters

Thoraschrein und Bima, Foto: Christian Richters

Projektbeteiligte

Bauherr: Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs K.d.ö.R.
Nutzer: Rabbiner Shneur Trebnik, die orthodoxe Gemeinde Ulms
Projektleiter, künstlerische Oberleitung: Grzegorz Rybacki
Projektsteuerung: nps Bauprojektmanagement GmbH, Ulm
Generalunternehmer: Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Baltringen

Statik: Dr.-Ing. W.Naumann & Partner, Köln
TGA: ZWP AG, Köln
Akustik: ISRW Dr.-Ing. Klapdor GmbH, Düsseldorf
Bauphysik: Ing.-Büro für Bauphysik Heinrichs, Köln
Brandschutz: BFT Cognos, Aachen

Projektdaten

Wettbewerb: November 2009
Leistungszeit: 2010-2012
Baubeginn: März 2011
Fertigstellung: Dezember 2012
BGF: 1.980 m²
Leistungsphasen: 1 – 4 plus künstlerische Oberleitung und Leitdetails
Baukosten: 4,6 Mio. Euro
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