05.09.2014 Bettina Sigmund

Das Effizienzhaus Plus in Zahlen

Antje Bergmann, Forscherin am Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart, setzt sich im Rahmen der Begleitforschung der Modellvorhaben im "Effizienzhaus Plus-Standard" der Bundesregierung mit dem technischen Monitoring der Objekte auseinander. Die geförderten Modellvorhaben unterscheiden sich sowohl in der architektonischen Gestaltung als auch in ihrer baulichen Ausführung und der technischen Ausstattung. Neben der Erforschung der Vielfalt technischer Lösungen, wird der neue Gebäudestandard unter realen Nutzungsbedingungen getestet. Ziel ist es, alle Energieströme messtechnisch zu erfassen und energetisch zu bewerten.

Exemplarische Seiten des Kurzberichts der messtechnischen und energetischen Validierung des Effizienzhaus Plus in Berlin (Quelle: Fraunhofer IBP)

Das Netzwerk
Im Netzwerk der Initiative Effizienzhaus Plus befinden sich Modellprojekte, die nach dem Effizienzhaus Plus Standard erstellt wurden bzw. sich noch in Bau oder in der Planung befinden. Bisher handelt es sich dabei 37 Modellprojekte, davon sind 22 fertiggestellt. Diese fertiggestellten Projekte sind auf der Internetseite www.bmub.de veröffentlicht. Die unterschiedlichen Effizienzhaus Plus-Modellprojekte befinden sich in ganz Deutschland. Der Großteil sind Einfamilienhäuser, die von zwei bis fünf Personen bewohnt werden. Neben einer Musterhaussiedlung in Köln von Fertighausherstellern befindet sich ein weiteres Musterhaus in Bremen. Das Pilotprojekt in Berlin, ein Gebäude in Brieseland und das Velux Lichtaktiv Haus in Hamburg wurden jeweils von Testfamilien bewohnt. In Bischhofswiesen befindet sich das erste fertiggestellte Mehrfamilienhaus.

Netzwerk Effizienzhaus Plus (Quelle: Fraunhofer IBP)

Der Standard
Das Effizienzhaus Plus definiert sich wie folgt: Nach der Vorgabe des BMUB muss das Effizienzhaus Plus im Laufe des Jahres mehr Energie erzeugen, als es im durchschnittlichen Gebrauch verbraucht. Die rechnerische Bewertungsmethode ist ein erweiterter EnEV-Nachweis, bilanziert nach der DIN 18599. Dabei werden der End- und Primärenergiebedarf für Beleuchtung und Haushaltsgeräte und -prozesse mit 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter, jedoch nicht mehr als 2.500 Kilowattstunden pro Wohneinheit, in die Bilanz mit einbezogen.

Definition und Bewertungsmethode des Effizienzhaus Plus-Standards (Quelle: Fraunhofer IBP)

Die Effizienz-Plus-Häuser
Die bisher fertiggestellten Gebäude liegen bei einer Größenordnung der mittleren Wohnfläche bei 200 m2 und ca. 900 m3 beheiztem Gebäudevolumen. Die mittleren U-Werte liegen im Dach-/Wandbereich bei 0,18 (W/m2K), die Fenster bei 0,8 (W/m2K) und die Bodenplatten bei 0,2 (W/m2K). Die PV-Kollektorfläche pro Quadratmeter Wohnfläche liegt in den Gebäuden im Mittel bei 0,5. Für die Leistung der Photovoltaikanlage gibt es keine Vorgaben durch den Standard, deshalb variieren die Flächen und Leistungen. Im Mittel liegt die Leistung bei etwa 12 Kilowatt.

Gebäudekennwerte der Häuser im Netzwerk (Quelle: Fraunhofer IBP)

Der Monitoring-Prozess
Im Rahmen des Monitorings sollen die berechneten technischen Werte für die Modellprojekte verifiziert werden. Alle Energieströme im Haus werden gemessen und aufzeichnet. Dazu werden Mess-Schemata für Elektro- und Wärmeversorgung ausgearbeitet. Die Elektrozähler ermitteln die Leistung der PV-Kollektoren, messen den Bezug aus dem öffentlichen Stromnetz sowie die Einspeisung und den Verbrauch. Weiterhin werden die Wärmemengen der Haustechnik gemessen sowie die erforderlichen Energieströme. Diese Messwerte werden monatlich an das IBP übergeben. Der Hausverbrauch für die einzelnen Objekte wird in Heizung- und Trinkwarmwasserverbrauch, Beleuchtung, Hilfsenergie und Elektrogeräte aufgeteilt. Um zu demonstrieren, dass das “Plus" erreicht wird, wird die aufsummierte Energie aufgezeichnet. Der Energieeintrag aus der Photovoltaik wird dem Gesamt-Endenergieverbrauch gegenübergestellt.

Darstellung der Messwerte am Beispiel des Schwörer Haus, Monitoring 03.2012 bis 12.2012 (Quelle: Fraunhofer IBP)

Das Fazit
Neun der ersten elf Projekte, die im ersten Messjahr ausgewertet wurden, haben das "Plus" erreicht. Bis auf wenige Ausnahmen war der Energieüberschuss jedoch geringer als vorherberechnet. Antje Bergmann weist jedoch darauf hin, dass der Erfolg eines solchen Projekts nicht nur allein anhand der technischen Zahlen gemessen werden darf. „Die Energiewende ist auch eine Technologiewende. An die neue Technik müssen wir uns erst gewöhnen. Wir befinden uns gerade im Wandel von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern. Ich glaube trotzdem nicht, dass die Technologie die einzig richtige Lösung ist.“ Sie setzt auf Vernetzung und denkt das Konzept bereits weiter: „Bei der Auswertung fällt immer stärker auf, dass der Bezug zur Umgebung, zum Quartier, zur Stadt wichtiger wird. Die Definition des Effizienzhaus Plus hört mit der Grundstücksgrenze auf. Das Konzept ist aber nicht als Lösung für den Einzelnen gedacht. Wir müssen an den Bestand ran und wir müssen im Netzwerk denken!“
Zur Person
Antje Bergmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Wärmetechnik des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP, Stuttgart. Dort ist sie u. a. für die Bearbeitung des Forschungsprojekts Effizienzhaus Plus verantwortlich. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens an der TU Braunschweig war Antje Bergmann von 1994 bis 2001 als Projektleiterin bei BBS Ingenieurbüro in Wolfenbüttel tätig. Im Anschluss wechselte sie zu S3-Sasse-Stein-Sasse Bremen, wo sie für das Aufstellen und Prüfen von bauphysikalischen Berechnungen sowie die Planung von energiesparenden und nachhaltigen Neubauten und Bestandbauten zuständig war. Von 2008 bis 2012 war Bergmann für Bouwhaven Consult Barendrecht in den Niederlanden tätig und mit bauphysikalischen Berechnungen zur Energieeinsparung, Bau- und Raumakustik sowie Tageslicht nach niederländischer Norm betraut. Seit 2012 ist Bergmann für das IBP tätig.

Vortrag von Antje Bergmann, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Stuttgart, im Rahmen der fünfteiligen Veranstaltungsreihe „Die Zukunft des Bauens“, veranstaltet von DETAIL research und der Forschungsinitiative Zukunft Bau des BMUB und BBSR am 22. Mai in Frankfurt zum Thema "Ganzheitliche Konzepte zur Erstellung von Plusenergiehäusern
Die Ergebnisse
Die Vorherberechnungen werden mit den tatsächlichen Messwerten verglichen. Eine hohe Übereinstimmung von Berechnung und Ergebnissen hat sich bei der Photovoltaikanlage gezeigt. Differenzen gibt es hingegen bei dem berechneten und dem gemessenen Endenergieertrag. Hier wurden Abweichungen in beide Rechnungen ermittelt. Teilweise wurde weniger Energie gebraucht als vorhergesagt, teilweise aber auch mehr Energie benötigt. Bezogen auf die Wohnfläche liegen die Werte im Durchschnitt bei einer Größenordnung von 20 kWh/a für Beleuchtung und Haushaltsprozesse. Ein weiteres Kriterium, das im Rahmen des Forschungsprojekts ausgewiesen werden muss, ist die Eigenstromnutzung. Hier variierten die derzeitigen, nach einem Jahr gemessenen Projekte zwischen 16 % und 60 % Eigenstromnutzung. Dabei wurden sowohl Projekte mit und ohne einem elektrischen Speicher gemessen. Inwieweit dieser das Ergebnis beeinflusst, kann im Moment noch nicht eindeutig nachgewiesen werden.

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