14.05.2013 George Frazzica

Das Gedächtnis des Wassers: Museum unter den Caracalla-Thermen

Im Untergrund der Caracalla-Thermen in Rom entstand ein neues Museum für eine Sammlung archäologischer Funde von hohem Wert, die bisher im Lager abgestellt und vergessen wurden. Der große Badekomplex ist unterlaufen von vier Kilometern Tunnel, die bisher verschlossen waren, dank des Mutes und der Entschlossenheit des Landesdenkmalamtes nun aber für das Publikum geöffnet wurden. Die Atmosphäre ist sehr beeindruckend, und die minimalistische Ausstattung spiegelt die Gefühle einer Gesellschaft wider, welche der Pflege des Körpers sowie der Harmonie der Formen große Bedeutung beimaß.
Architekt: Fabio Fornasari, Bologna, Italien
Standort: Caracalla-Thermen, Rom, Italien

Foto: Oscar Ferrari

Im Dezember 2012 wurde das neue Museum in den Untergrundräumen der Caracalla-Thermen eingeweiht. Mit dem ausgestellten Material, das erstmalig in den Versorgungstunnels gezeigt wird, hat der Auftraggeber vor allem jene Teile der architektonischen Verzierung hervorheben wollen, die außer ornamentalischer Qualität, sich für mehr oder weniger ideologischen Inhalt auszeichnen. Die in diesem Sinne reichsten Räume waren die zwei Turnhallen.

Die unterirdische Ausstellung zählt 45 Fundstücke aus Marmor, welche bisher nie ausgestellt und ausdrücklich hierfür restauriert wurden. Darunter riesige figürliche Kapitelle, die aus dem Frigidarium und dem Natatio stammen und Herkules, Venus und Mars darstellen, neben Fragmenten eines großen Basreliefs, welches Caracalla im Andenken an seine kriegerischen Unternehmen meißeln ließ, nach dem Modell der Trajan- und Marcus Aurelius- Säulen. Das Basrelief beinhaltete die verschiedenen Feldzüge aus der Zeit um 200 n. Ch. gegen nördliche Völker und zeigte Szenen aus Schlachten und Soldatenleben.

Foto: Oscar Ferrari

Die Untergrundgeschosse waren ursprünglich mit Oberlichtern versehen für die Luftströmung, um das Faulen des gestapelten Holzes zu verhindern. Marina Piranomonte, Direktorin des Thermen-Denkmals: „Es handelt sich um ein Labyrinth aus großen, befahrbaren Tunnels (6 m hoch und 6 m breit), das unter einem Großteil des Geländes verläuft. Es gab auch Lager für Holz und Heizöfen, zum Erwärmen des Wassers für Warmbad und Sauna, außer einer Wassermühle und einer Wasserregulierung: alles Notwendige für das Wohlbefinden der 6000 bis 8000 Menschen, die den Geländekomplex täglich besuchten. Die Marmorteile sind 1996 von überallher zurückgebracht worden. Aus Angst vor Diebstählen wurden sie im Innern des Untergrundgeschosses verwahrt. Es handelt sich um wertwolle Stücke, es hat 16 Jahre gedauert, sie wieder dem Publikum vorstellen zu können.“

Die Ausstellung bewegt sich längs zwei parallel laufenden Tunnels, die von der Eingangstreppe zuerst zu den zwei Ausstellungsinseln führt, der Turnhallen und des Frigidariums, und dann zum zweiten Tunnel mit den Inseln der Natatio und den Bibliotheken.

Foto: Oscar Ferrari

„Als ich zum ersten Mal in den Untergrund hinabstieg, befand ich mich plötzlich in einer suggestiven Umgebung, wenn auch voller Möglichkeiten, konnte sie doch wie irgendein unterirdischer Tunnel erscheinen, der nicht die Komplexität und Intelligenz einer Galerie erahnen ließ, die den Sklaven erlaubte, das Holz für das Funktionieren der Thermen aufzubewahren, zu transportieren und zu verbrennen“, erzählt Architekt Fabio Fornasari, Ideator und Kurator der Ausstellung. „Der nasse Boden, Wasser und von den Wänden ausgeschwemmte Krume weckten in mir die Idee, die einstige Pracht der Thermen wiederherzustellen: das fehlende Element war nur das Wasser selbst. Zu diesem Zeitpunkt entschloss ich mich, das evokativste Wasser der „Ewigen Stadt“ zu untersuchen – das Wasser der Fontana di Trevi. Dabei fand ich den Farbeffekt, mit welchem das kostbare Wasser strömen sollte, eine Farbe, die auch schmutzig sein durfte, aber mit einer Tiefe ausgestattet um die Säulen widerzuspiegeln und ihre Kraft zu erhöhen: die gefundene Farbe war „Glauco“ (Blaugrün).“

Um den gewünschten Effekt zu erhalten, wurden den farbigen Teilen etwas Schmutz und eine dünne Harzschicht mit „Glossy“ Chromatik beigefügt, die der Wasseroberfläche den Anschein von Bewegung verleihen sollte.

Foto: Oscar Ferrari

Die Podeste, von unten beleuchtet und mit der neuen Folie belegt, dienen in einigen Fällen dazu, die falschen Säulen zu beleuchten, auf deren Gipfel die riesigen Kapitelle von ca. 1,5 m ruhen. Ursprünglich waren die Kapitelle in 20 m Höhe, aber im Innern der Galerien ist die höchstmögliche Verfügbarkeit nur 8 m. Auf jeden Fall erscheinen die Elemente mit Hilfe der beeindruckenden Beleuchtung in ihrer korrekten Dimension im Verhältnis zum Beobachtungspunkt der Besucher.

Foto: Oscar Ferrari

Die Ausstellungsregale, welche die Fragmente der Friese aus den Turnhallen zeigen, erinnern an eine natürliches-biologisches Katalogisierungssystem, mehr als ein Trägersystem. Der Architekt hat zur Aufbewahrung der Artefakte ein „Wireframe“ von Zeitzellen aus Stahl entwerfen wollen, so als ob es sich um Kapitel einer Geschichte handele. Jede Zelle platziert das Kunststück am genauen Punkt des gesamten Gebälks (ursprünglich fast 100 m lang) und bestimmt so den genauen Zeitpunkt in der Erzählung (im Maßtab 1:1). Damit wird die pädagogische Dimension der Ausstellung betont. Der Frame von unten belichtet, projiziert außerdem den eigenen Schatten auf die Tonnengewölbe und betont so Geometrie und Tiefe, um damit der komplexen Arbeit der römischen Ingenieure Ehre zu erweisen.

Foto: Oscar Ferrari

Die Konstruktion der Anordnung ist Frucht einer 20-jährigen Arbeit von Gunhild Jenewein aus dem Österreichischen Historischen Institut Rom. Und der Besucher, angezogen vom Wunder das jeden unterirdischen Ort umgibt, kommt zum Wiedersehen der Sterne und bringt ein Stück Gedächtnis mehr mit sich: das des Wassers. Projektdaten

Auftraggeber: Ministero per i Beni Culturali, Soprintendenza speciale per i beni archeologi di Roma, Dott.ssa Maria Rosaria Barbera
Leitung Terme di Caracalla: Dott.ssa Marina Piranomonte
Technische Leitung: Arch. Maurizio Pinotti
Produktion: Electa Mondadori
Ausführung: Articolarte, Frascati, Roma

Weitere Informationen:
fabiofornasari.net
www.oscarferrari.com
www.coopculture.it
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