06.05.2010

Dicke Luft in Mailand

Das Unterfangen war von Beginn an ungewöhnlich – hätte aber nicht nur den musikbegeisterten Mailändern ein Highlight beschert, sondern vor allem der abgasgebeutelten Stadt langfristig Erleichterung geschafft. Nun ist das Angebot von Stardirigent Claudio Abbado, gegen eine Gage von 90.000 in der Stadt gepflanzten Bäumen erstmals seit 23 Jahren wieder in der Scala aufzutreten, geplatzt. Renzo Piano, der sich der Planung der Pflanzung angenommen hatte, ist schwer enttäuscht.

Am Geld scheitert letztlich ein Projekt, dass, obwohl unter so ungewöhnlichen Umständen zustande gekommen, ein echter Segen für die Industriemetropole Mailand hätte werden können. Die Mailänder Gemeinde könne sich ein solches Projekt nicht leisten – die Summe wird mit ca. 22 Millionen Euro beziffert. Auch auf dem Mailänder Domplatz hätten Bäume gepflanzt werden sollen, weitere in zehn verschiedenen kleinen Wäldern rund um die lombardische Hauptstadt und in einigen Parks. Aus dem Projekt werde nichts, da es zu teuer sei, beschloss der Mailänder Stadtrat.

Die Mailänder Bürgermeisterin Letizia Moratti soll Piano aufgerufen haben, einen Sponsor für sein Projekt zu finden. "Die Bedingungen, um weiterzumachen, sind nicht mehr vorhanden", erwiderte der 73-jährige Architekt. Die Gemeinde betrachte den Aufforstungsplan lediglich als dekoratives Projekt. Dabei seien die Bäume eine absolute Notwendigkeit für eine verschmutzte Industriestadt wie Mailand, so Piano.

In einem offenen Brief an die Tageszeitung Corriere della Sera schrieb der Architekt: "Ich hatte gedacht, dass man in Mailand mit den Bäumen wieder ein Gleichgewicht mit der Natur schaffen könnte, das das Geheimnis einer glücklichen Stadt ist. Außerdem bereitet sich Mailand auf die Weltausstellung Expo 2015 vor, die unter dem Zeichen der Natur und der Umweltverträglichkeit steht. Leider muss ich feststellen, dass die Stadt Mailand nicht auf diesem Weg fortfahren will. Schade." Außerdem würde die Gemeinde kritisieren, dass die Bäume Parkplätze für die Autos wegnähmen und die Leuchtschilder der Boutiquen verdecken würden, bemängelte er weiter.

Ob Abbado, Naturliebhaber und leidenschaftlicher Hobbygärtner nun wie ursprünglich geplant zwei Konzerte im Juni dirigieren wird, ist noch unklar. Von 1968 an war er Chefdirigent des weltberühmten Opernhauses in Mailand, 1986 hatte er die Musikleitung der Scala im Streit abgegeben.

Zur Webseite des Corriere della Sera

Foto: Corriere della Sera

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