23.06.2013 Cordula Vielhauer

Einfachheit als Chance: Architekturgesellschaft, die VIERZEHNTE, zu massivem Bauen

Bei der vierzehnten Architekturgesellschaft, der Diskussionsrunde von DETAIL bei Boffi in München, räumte der Münchner Architekt Dominikus Stark mit vielen Vorurteilen auf, die wir vom Bauen in Entwicklungsländern haben: Dass es hier um uneigennützige Hilfsprojekte gehe, zum Beispiel. Dass die Bevölkerung in Afrika arm, aber ehrlich sei. Oder, dass Afrikas Landschaft vor allem aus einer großen kargen Steppe bestehe. Stimmt alles nicht. Dafür kann man von Dominikus Stark lernen, was es heißt, seine Illusionen zu verlieren, ohne seinen Idealismus aufzugeben.

Nein, er verstehe sich keineswegs als Entwicklungshelfer: Der Münchner Architekt Dominikus Stark wehrt sich gegen das Image des Gutmenschentums, das Architekten oft unterstellt wird, die in Entwicklungsländern bauen. Bei dem von ihm realisierten Ausbildungszentrum in Ruanda ging es zwar auch um Idealismus –, aber um einen ästhetischen, den man sich im Grunde von allen Architekten wünscht. Für ihn war es eine professionelle Herausforderung, in Afrika unter besonders erschwerten Bedingungen zu bauen. Er hat sie angenommen, um hier ein Modellprojekt des einfachen Bauens zu verwirklichen. Selbstverständlich auch für die jungen Menschen, die hier nun unter räumlich und klimatisch hervorragenden Bedingungen lernen können – noch dazu in einem ausgesprochen schönen Haus. Aber ganz sicher auch für sich selbst.

Noch mal nein: Ruanda ist eigentlich gar keine so karge, wüstenähnliche Region, wie wir uns das hier in Mitteleuropa so vorstellen. Das von Unruhen und Bürgerkrieg gezeichnete Land präsentierte sich Dominikus Stark bei seinem ersten Besuch von einer freundlichen Seite. Grüne, fruchtbare Hügel und Weiden prägen die Landschaft. Durch Zufall gelangte er an den Bauauftrag für ein Ausbildungshaus in Nyanza, das er als kompaktes umfriedetes Ensemble aus per Hand gebranntem Mauerwerk hier errichtete. Durch das Projekt, das Bildung und Wirtschaft miteinander verknüpft, ist hier etwas entstanden, das einen gewissen Leuchtturmcharakter für die Region besitzt. Das Zentrum hat einen nahezu quadratischen Grundriss und wirkt von außen wie eine Festung: Kein Fenster unterbricht die stillen, aber durch die unterschiedlich gefärbten Ziegel dennoch lebendigen Flächen der Mauern. Lediglich kleine Lüftungsöffnungen, die jeweils von zwei auskragenden Steinen vor Regen geschützt sind, betonen die dahinter liegenden Funktionen in präzise gesetzten Feldern.

Die einzelnen Räume des Ensembles entwickeln sich spiralförmig um einen großen zentralen Platz. Dabei ist fast jedem geschlossenen Raum auch ein offener Hof zugeordnet. Vor den Seminarräumen und der Verwaltung liegen zum Beispiel breite Gänge, die von tiefen Mauerpfeilern gesäumt werden. So entstehen natürlich verschattete Pufferzonen, die die Innenräume kühl halten und trotzdem einen Außenbezug gewährleisten. Den großen Räumen wie Sprachlabor, Bibliothek und Küche sind je eigene große Höfe als Raumerweiterungen zugeordnet. Lediglich der Speisesaal grenzt unmittelbar an den zentralen Platz und lässt sich – zum Beispiel bei festlichen Anlässen – über die gesamte Längsseite öffnen. Auf der Westseite des Grundstücks ragt das Internetcafé als öffentlicher Raum aus dem geschlossenen Rechteck heraus und markiert so den durch eine breite Treppe erschlossenen Eingang.

Die Entscheidung für Mauerwerk als Baustoff fiel dabei nicht zufällig: Lehm ist in dieser Region nicht geeignet, da es zu viel regnet, und mit Stampfbeton gibt es zu wenig Erfahrung in der Bevölkerung. Die Ziegel bieten hingegen nicht nur konstruktive Vorteile – sie können mit der Hand gemauert werden, wobei für die Ecken gelernte, für die Zwischenstücke auch ungelernte Kräfte zum Einsatz kamen –, sondern sie sind auch bauphysikalisch wirksam: Als Speichermasse für die in der Nacht kühleren Temperaturen bieten sie einen guten sommerlichen Wärmeschutz, die Lüftungsöffnungen sorgen für eine natürliche Belüftung der Räume. Auch die weiteren Baumaterialien greifen auf lokale Ressourcen und Traditionen zurück: So sind die Läden der Türen und Fenster zum Innenhof hin mit einem Flechtwerk aus Zweigen ausgefacht, das in einem Stahlgerüst liegt, die Decke des großen Speisesaals wurde mit Matten aus Papyrus verkleidet, die von den lokalen Korbflechterinnen hergestellt wurden.

Was ist denn nun das Besondere am Bauen in Afrika?, wollten die Gäste der Architekturgesellschaft wissen. Der große Unterschied besteht vor allem darin, dass Materialien sehr teuer und schwer zu beschaffen, Arbeitskräfte hingegen günstig und im Überfluss vorhanden sind, so Stark. Daraus zog er die Konsequenzen für die Bauweise des Projekts: Der Einsatz von arbeitsintensiven Konstruktionsmethoden wie von Hand gebranntem und geschichtetem Mauerwerk, von Hand geflochtenen Türausfachungen und Deckenverkleidungen sind diesem Umstand geschuldet. Auch die Präzision, mit der das Gebäude gemauert wurde, verdankt Stark vor allem den günstigen Arbeitskräften: Im Zweifel wurde eine Mauer eben wieder eingerissen, wenn unerwartete Gründungsprobleme auftraten oder sie einfach nicht so aussah, wie der Architekt es sich vorstellte. In Europa wäre solch ein Vorgehen sehr teuer und damit fast unmöglich. Umgekehrt gestalteten sich die für uns selbstverständlichsten Dinge als ungemein schwierig: So fehlte es anfangs allein zum Aufsetzen des Vertrags schlicht an Papier. Es kam zwischendurch immer wieder vor, dass Benzin aus den Maschinen abgezapft und durch Wasser „ersetzt“ wurde. Und auch das Recherchieren von geeigneten Baufirmen fand vor allem beim Durchstreifen der Umgebung statt – und an der Hotelbar.

Dass solch ein Projekt sich allein auf Grund des Honorargefälles zwischen Europa und Afrika nicht wirtschaftlich realisieren lässt, leuchtet ein. Für Dominikus Stark hat es sich dennoch gelohnt.

(Cordula Vielhauer)
alle Fotos: Florian Holzherr, München

Weitere Informationen:
www.dominikusstark.de
www.architekturfoto.net
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