01.03.2023 Jakob Schoof

Experimentierfeld für den Hotellerienachwuchs

© Jakob Schoof

In Basel haben Harry Gugger Studio das Silo Erlenmatt zum Hostel und Restaurant umgebaut. Betreiber des Hauses ist der Verein Talent, der Nachwuchskräfte aus der Hotel- und Gastronomiebranche unterstützt. Die Vereinsvorstände Jonas Gass und Christoph Widmer berichten über ihre Erfahrungen mit dem Projekt.

Ihr Verein hat 2019 den Betrieb des Hostels und des Restaurants übernommen, nachdem der ursprüngliche Interessent abgesprungen war. Wie kam es dazu, und welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?
JG: Zwei unserer Vorstandsmitglieder hatten schon vor längerer Zeit die Idee, in Basel einen Talentbetrieb für den Hotellerienachwuchs zu gründen. Die Möglichkeit dazu bot sich jetzt, als die Stiftung Habitat einen neuen Betreiber für das Silo suchte. Daraufhin sind die beiden auf die Suche nach Mitstreitern in der Branche gegangen. Geschäftlich stehen wir im Wettbewerb miteinander, aber im Verein ziehen wir an einem Strang. Das ist das Schöne an dem Projekt.

Mixed-use

Der Nutzungsmix im Haus – Ateliers auf der einen, Hostel auf der anderen Seite – war schon vorgegeben. Haben sich da Synergien ergeben?
JG:
Wenige. Die Mieter im Haus sind als Restaurantgäste gern gesehen, aber sonst lebt man im positiven Sinne nebeneinander her. Andererseits beobachten wir, dass das Hostel-Restaurant durchaus zu einem wichtigen Treffpunkt für die Anwohner geworden ist. Viele seiner Gäste stammen aus dem Quartier.
CW: Es gibt aber auch ein gewisses Anspruchsdenken der Bewohner und einige Zielkonflikte. Das Konzept des Quartiers Erlenmatt-Ost ist ja von einem gewissen Idealismus getragen – ohne Gewinnstreben, mit gemeinsam genutzten Räumen und Ressourcen -, während wir ein kommerzieller Betrieb sind, der finanziell unabhängig sein muss.

Wie stellen Sie sich als Betreiber organisatorisch auf und welche Rollen übernehmen Sie gegenüber der Geschäftsführung?
JG:
Man kann uns mit einem Aufsichts- oder Verwaltungsrat vergleichen, die Geschäftsführer einstellt, auf einen wirtschaftlichen und gesetzeskonformen Betrieb achtet. Die Betreibergesellschaft, eine GmbH, ist ein Tochterunternehmen unseres Vereins. Die Arbeitsverträge der Geschäftsführer sind immer auf zwei bis drei Jahre befristet. Mit ihnen wechselt dann auch die komplette Belegschaft.
CW: Außerdem sehen wir uns als ehrenamtliche Berater der Nachwuchskräfte im Hostel, helfen ihnen, personelle und wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern.

Wo war Ihre Beratung während der Corona-Pandemie besonders gefragt?
JG:
Es war eine Herausforderung, die Belegschaft während der Lockdowns und Betriebseinschränkungen bei Laune zu halten. Nach meinem Empfinden war der Beratungsbedarf nach der Corona-Pandemie aber noch höher. Im Sommer 2022 hatten wir den ersten Führungswechsel im Hostel, bei vollem Betrieb. Dabei stellen sich unweigerlich Fragen des Betriebskonzepts und der Mitarbeiterführung. Für die Geschäftsführer ist das ja die erste Leitungsposition, sie müssen in kürzester Zeit aus der Mitarbeiter- in die Vorgesetztenrolle schlüpfen.

Managementkonzept

Die häufigen Personalwechsel bringen auch einen stetigen Wandel im Managementkonzept und im Image des Hostels mit sich. Fördern Sie das, oder wünschen Sie sich an gewissen Stellen auch Kontinuität?
JG:
Diesen Wandel anzunehmen und ihn zu begrüßen war auch für uns ein Umlernprozess. Traditionell hat Kontinuität in der Hotelbranche Vorteile – einen hart erarbeiteten guten Ruf will man nicht verlieren, die Stammkundschaft nicht vor den Kopf stoßen. Hier gehört Veränderung aber zum Konzept. Die neue Geschäftsführung holt sich jetzt beispielsweise Kulturveranstaltungen ins Haus und verfolgt ein ambitionierteres gastronomisches Konzept. Dass man dadurch neue Zielgruppen erschließt und alte verliert, ist normal. Die Nachwuchsteams müssen lernen, das als Chance zu sehen und ein einmal formuliertes Konzept auch durchzuziehen.

Wie ist generell die Personalsituation in der Schweizer Hotelleriebranche?
CW:
Das Nachwuchsproblem ist in der Branche tatsächlich hoch. Aktuell sind noch zahlreiche Stellen in den Wintertourismus-Destinationen offen. Aber auch hier in Basel ist der Personalmangel in vielen Betrieben spürbar.

Gibt es strukturelle Veränderungen bei den Gästen, kommen seit der Corona-Pandemie mehr Privat- und weniger Geschäftsreisende?
JG:
2021 war ich noch der Meinung, dass wir tatsächlich solch einen Umschwung erleben. Inzwischen hat sich das aber relativiert, wir sind im Prinzip wieder bei der Situation von 2019. Die Geschäftsreisenden sind wieder da – übrigens auch hier im Hostel. Schließlich haben wir im Dachgeschoss auch Doppelzimmer, die für Geschäftsreisen mit begrenztem Budget eine attraktive Option sind.

 

© Jonas Gass
© Christoph Widmer

Jonas Gass hat eine Ausbildung zum Hotelier an der Schweizerischen Hotelfachschule in Luzern absolviert. Heute ist er Direktor des Nomad Design & Lifestyle Hotels, Betriebsleiter der Volta Bräu Brauerei und Brewpub sowie Geschäftsleitungsmitglied und Miteigentümer der Krafft Gruppe in Basel.

Christoph Widmer ist gelernter Koch und Betriebswirt mit MBA-Abschluss. Seit 2018 arbeitet er als Mitglied der Geschäftsleitung bei der Wyniger Gruppe, die mehrere Hotellerie- und Gastronomiebetriebe in der Region Basel betreibt. Neben seinem Engagement für den Verein Talent hat Christoph Widmer den Non-Profit-Verein Malian als Start-up im Breich der sozialen Arbeitsintegration aufgebaut.

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