13.11.2017

HABITAT: Gedanken zum Potential traditioneller Bauweisen

Foto: Fabian von Poser/imageBROKER/Superstock

Das folgende Gespräch mit Christian Kieckens, Architekt und Godecharle-Preisträger für Architektur führte Sandra Piesik, Architektin, Gründerin von 3 ideas Ltd. und Herausgeberin des Buches HABITAT, in Rektion auf die Dutch Design Week 2017.

What is next?

Kann Design die großen Probleme der Welt angehen? Oder trägt Design dazu bei, diese Probleme zu lösen?

Sandra Piesik (SP)
Christian Kieckens (CK)

SP: Die diesjährige Dutch Design Week steht unter dem Motto »Gutes Design für eine schlechte Welt«.
CK: Ich mag das Wort »schlecht« nicht.

SP: Warum?
CK: Weil es die jüngere Generation nicht inspiriert. Die Welt ist nicht per se »schlecht«, sondern voller Probleme, so dass »problematisch« hier besser passen würde.

HABITAT ist die Suche nach Glück, individuellem wie kollektivem Glück. Ich sehe das Buch HABITAT als den ersten Schritt zu etwas Neuem, das wir jetzt noch nicht fassen können. Formale Ausdrucksformen reichen nicht mehr aus, und deshalb müssen wir etwas Neues, Wunderbares und Inspirierendes finden.

Die Themen der Dutch Design Week 2017 sind komplex und miteinander verknüpft: Klimawandel, Flüchtlinge, Terrorismus im Zusammenhang mit Religion – kein neues Phänomen – und schließlich die Politik. Derzeit haben wir eine Politik des 19. Jahrhunderts in der Welt des 21. Jahrhunderts.


SP: Würden Sie sagen, dass wir in der sich wandelnden Welt eine Architektur des 19. Jahrhunderts haben?

CK: Ja, genau das meine ich.

SP: Das bedeutet einen architektonischen Paradigmenwandel vor dem Hintergrund neuer Realitäten.

CK: In der jüngeren Vergangenheit hat die Einführung von Eisen und Beton die Architektur verändert. Wir haben jetzt ein neues Paradigma, das auf Ressourceneffizienz basiert, daher zählt das Material umso mehr, welches wir in der Nähe des Standorts zur Hand haben. Die volkstümliche, endogene Architektur positioniert den Begriff des Raumes neu, und zwar im Kontext der Begriffe Zuhause und Glück. Die reflektierte Sicht auf Natur und Klima wird so zur neuen DNA der Architektur.

SP: Welche Rolle spielt der Architekt darin?

CK: Architekten schaffen und reflektieren Räume. Diese wirken sich auf das Wohlbefinden der Menschen aus, und wenn wir nicht die richtigen Räume mit den richtigen Materialien schaffen, leidet das Wohlgefühl. Ein Paradigmenwechsel bei der Ausbildung von Architekten ist ebenfalls wichtig, da ihre gegenwärtige Ausbildung zu sehr auf Individuen, weniger auf Gemeinschaften als Ganzes ausgerichtet ist. So gesehen, ist Intellektualität nicht gleichbedeutend mit Intelligenz.

SP: Die Flüchtlingskrisen und Migrationen beeinflussen den sozialen Kontext von Gemeinschaften in sehr starkem Maße. Es geht um Vertriebene und die Integration von Menschen aus verschiedenen Kulturen und sozialen Strukturen in ihre neue Umgebung. Wie gehen wir mit diesen Herausforderungen für Menschen und Städte in Bezug auf die Infrastruktur um?

CK: Wir müssen wieder lernen, positive Gemeinschaftsräume zu gestalten und einen Weg finden, einzelne Fragmente wieder in die allgemeine soziale Landschaft zu integrieren. Wir haben das Glück des Menschen und sein danach strebendes Denken aus den Augen verloren. Wir sehen in unseren Städten die Ergebnisse von Fassadengestaltung, nicht die Resultate funktionierender Gemeinden oder Stadtviertel. Wir müssen gute und bedeutsame Räume für alle Menschen schaffen.

SP: Die Materialität einer Stadt und deren Architektur sind ebenfalls wichtig. HABITAT präsentiert eine Palette verschiedener Materialien, die in den unterschiedlichen Klimazonen zum Einsatz kommen. Hier ist ein Konzept der Anpassung und des Technologietransfers erkennbar. Was würden Sie zu diesem Thema in Ihren nächsten »Letters to Young Architects« sagen?

CK: Traditionelle Räume sind glückliche, mit natürlichen Materialien gestaltete Räume. Ich denke, dass wir heute daran arbeiten müssen, die Möglichkeiten dieser natürlichen und regional vorkommenden Materialien auszureizen, um zu sehen, was wir sonst noch damit machen können – einige verfügen über noch ungenutztes Potential. Im Namen der Technik und maschineller Prozesse haben wir den Sinn für die Bedeutung der Handwerkskunst verloren. Wobei nicht vergessen werden darf, dass es auch um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht. Wir sehen uns derzeit mit dem gesellschaftlichen Wandel von Einfachheit, natürlichen Materialien und glücklichen Räumen hin zu Maschinen, Geld, Unglück und sozialer Unruhe konfrontiert.

SP: Würden Sie sagen, dass wir vielleicht neu definieren müssen, was HABITAT heute ist?

CK: Ja. Wir leben in einer Zeit des Wandels. HABITAT war historisch gesehen ein Zuhause, eine Wohnung. Heute besetzen viele junge Menschen immaterielle, virtuelle Räume und für sie ist das ein neuer HABITAT. Wir müssen einen Weg finden, HABITAT neu zu definieren. Es ist ein Paradigmenwechsel, der sich jenen Herausforderungen stellen muss, die wir hier diskutiert haben.

25. Oktober 2017, Brüssel

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