01.03.2011

Hoffnung für die Eisbären?

Er avancierte spätestens im Vorfeld des Kopenhagener Klimagipfels zum Wappentier der Klimaschützer: Ursus maritimus, der Eisbär. Die Befürchtung lautete, dass schmelzende Eiskappen ihn dauerhaft seines Lebensraums berauben könnten. Nun gibt es jedoch wieder Hoffnung für die Eisbären, wie jüngste Forschungen des Max-Planck-Instituts zeigen.
Der starke Rückgang des Meereises in der Arktis ließ in den letzten Jahren die Sorge aufkommen, dass die Eisbedeckung sich einem sogenannten „Kipp-Punkt“ nähern könnte. Nach Überschreiten dieses Punktes, so die Befürchtung, wären auch die verbleibenden Eisflächen der arktischen Meere dauerhaft nicht mehr zu retten.

Aktuelle Forschungsergebnisse des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie deuten jetzt jedoch darauf hin, dass es keinen solchen Kipp-Punkt für den Verlust des Sommereises in der Arktis gibt. Stattdessen reagiert die Eisbedeckung relativ direkt auf die jeweiligen klimatischen Bedingungen. Der fortschreitende Verlust des arktischen Meereises könnte also verlangsamt oder sogar gestoppt werden, wenn die globale Erwärmung verlangsamt oder gestoppt würde.

Steffen Tietsche, Erstautor der vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters erschienen Studie [1], sagte, er sei anfänglich ziemlich überrascht über die Ergebnisse gewesen: „Die mögliche Existenz eines Kipp-Punktes für den Verlust des Arktischen Meereises erscheint zunächst völlig logisch: Wenn die Eisbedeckung zurückgeht, nimmt das Meerwasser mehr Sonnenlicht auf und erwärmt sich deswegen stärker, sodass noch mehr Eis abschmilzt. Diese Rückkopplung kann prinzipiell dazu führen, dass der Verlust des Arktischen Meereises sich selbst verstärkt und unabhängig von den vorherrschenden Klimabedingungen wird.”
Die Gültigkeit dieses Konzepts untersuchten die Forscher jetzt mit einem Klimamodell. In diesem Modell entfernten sie die Arktische Eisbedeckung zu Beginn des Sommers vollständig, um so die Aufnahme von Sonnenlicht im offenen Wasser zu maximieren. “Wir erwarteten eigentlich, dass der Ozean nach der künstlichen Eisschmelze eisfrei bleiben würde, weil das offene Wasser im Sommer deutlich mehr Wärme aufnimmt”, sagte Tietsche. Unerwarteterweise erholte sich jedoch in den Modellsimulationen die Eisbedeckung stets innerhalb von etwa drei Jahren, sodass dann wieder Bedingungen wie vor der künstlichen Eisschmelze herrschten. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass der Zustand des Meereises jederzeit eng an die vorherrschenden Klimabedingungen gebunden ist, was die Existenz eines Kipp-Punktes unwahrscheinlich macht.

Die Forscher fanden auch heraus, welche Prozesse die Erholung der Eisbedeckung ermöglichen: Der Ozean verliert während des Winters den Großteil der im Sommer zusätzlich aufgenommenen Wärme. Dieser Wärmeverlust ist wegen des Fehlens einer isolierenden Eisdecke extrem effizient, weil der offene Ozean direkt Kontakt zur kalten Atmosphäre hat. Außerdem wächst das sich schließlich bildende dünne Eis sehr schnell, weil dünnes Eis schlechter isoliert als dickes Eis. Die Wärme, die vom Ozean durch das dünne Eis abgegeben wird, führt anschließend zu einer stärkeren Wärmeabstrahlung der Atmosphäre in den Weltraum und zu einem verringerten Wärmetransport aus dem Süden in die Arktis.

Die Kombination dieser stabilisierenden Rückkopplungen ist stärker als die destabilisierende Rückkopplung durch die zusätzliche Aufnahme von Sonnenlicht im Sommer. Die Studie der Max-Planck-Wissenschaftler bestätigt Forschungen von US-Wissenschaftlern, die mit einem viel einfacheren Modell durchgeführt wurden [2]. „Diese Übereinstimmung von Modellen völlig unterschiedlicher Komplexität bedeutet normalerweise, dass die Resultate vertrauenswürdig sind”, sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut und Koautor der neuen Studie.

Die Forscher betonen, dass ihre Ergebnisse nicht den dramatischen Verlust des Arktischen Meereises aufgrund des menschengemachten Klimawandels infrage stellen. “Wenn wir die globale Erwärmung nicht stark verlangsamen, wird die Arktis in einigen Jahrzehnten im Sommer eisfrei sein”, sagt Tietsche. “Unsere Forschung zeigt, dass die Geschwindigkeit, mit der das Meereis zurückgeht, eng mit der Geschwindigkeit der globalen Erwärmung zusammenhängt. Unsere Arbeit unterstreicht aber, dass wir den Verlust des arktischen Meereises grundsätzlich noch verlangsamen oder vielleicht sogar stoppen können.”

Weiterführende Informationen und Literatur:


[1] Tietsche, S., D. Notz, J. H. Jungclaus, and J. Marotzke (2011), Recovery mechanisms of Arctic summer sea ice, Geophys. Res. Lett., 38, L02707, doi:10.1029/2010GL045698.

[2] Eisenman, I., and J. S. Wettlaufer (2009), Nonlinear threshold behavior during the loss of Arctic sea ice, Proc. Nat. Acad. Sci. U. S. A., 106(1), 28–32, doi:10.1073/pnas.0806887106.


Link zum Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg
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