Singapur - Grünes Versuchslabor Asiens

Singapur ist eine Metropole höchster Dichte, in der auf weniger Fläche als in Hamburg dreimal so viele Menschen leben. Dagegen stehen eines der preiswertesten öffentlichen Verkehrsnetze überhaupt, eine unwahrscheinlich niedrige Autodichte und eines der effizientesten Wasserversorgungssysteme weltweit. Neueste Technologien und Bestrebungen zur Optimierung von Mobilität oder Ressourceneffizienz prädestinieren die Stadt als Teilnehmer des Projekts „Morgenstadt: City Insights“, an dem verschiedene Institute der Fraunhofer Gesellschaft arbeiten. Auch weit in die Zukunft gerichtete Pläne und Visionen zeichnen die Stadtplanung der asiatischen Metropole aus.

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Der Inselstaat ist durch seine geografische Lage stark eingeschränkt. Das trifft sowohl auf die Ausdehnungsmöglichkeiten als auch auf die natürlichen Ressourcen zu. Das Straßennetz kann nicht beliebig ausgebaut und an eine steigende Nachfrage angepasst werden, wie in vielen Ländern weltweit immer noch Usus. Auf das Bevölkerungswachstum und die Anziehungskraft des wirtschaftsstarken Standorts hat dieser Umstand jedoch keinen begrenzenden Einfluss, die Stadt wächst stattdessen in die Höhe. Die Einwohnerzahlen steigen stetig, was in erster Linie auf die ungebremste Immigration zurückzuführen ist. Trotz dieser oder aus diesen Zwängen heraus gelingt es der Stadt, sich nachhaltig und zukunftsweisend zu präsentieren. Eine hierarchisch geführte Regierung, die großen Rückhalt in der Bevölkerung genießt, beschränkt bereits seit Mitte der 1970er-Jahre den Verkehr in der Stadt; zunächst durch Gebühren für Autofahrer, später wurde eine Lizenz eingeführt, die sich käuflich erwerben lässt und deren Quote Jahr für Jahr neu festgelegt wird. Zwischen 35.000 € und 45.000 € kostet das „Certificate of Entitlement“ aktuell für einen Mittelklassewagen. Auch in der „Schweiz Asiens“ können und wollen sich das nur wenige leisten. Zusätzlich wird der Verkehr gezielt durch Straßen- und Parkgebühren geregelt. Je nach Bedarf werden bestimmte Straßen und Bereiche zeitlich variabel höher oder niedriger berechnet. Gleichzeitig wird das öffentliche Verkehrsnetz stetig ausgebaut und verbessert. Mit Bus oder Bahn lassen sich alle Orte in der Stadt in einem zeitlich vertretbaren Rahmen erreichen. Die Tickets gehören – anders als für eine der teuersten Städte der Welt zu erwarten wäre – zu den günstigsten weltweit. Dies führt dazu, dass in Singapur auf 1.000 Einwohner lediglich 117 PKWs kommen, während beispielsweise als Vergleich in der kleinen Stadt Freiburg knapp 400 Autos pro 1.000 Einwohner gemeldet sind.  

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Singapur wird von der Welternährungsorganisation als „wasserarm“ eingestuft. Zwar ist der Inselstaat allseitig von Wasser umgeben, die Entsalzung von Meerwasser kann jedoch nur etwa zehn Prozent des Trinkwasserbedarfs decken. Zudem ist die Methode teuer und aufwendig. Ein Vertrag mit dem Nachbarstaat Malaysia regelt bis 2060 die Importe von Wasser über riesige Pipelines. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist aber nicht unbelastet und so schmiedet Singapur ehrgeizige Pläne, bis zum Ablauf der Frist einen Großteil seines Trinkwassers aus eigener Anstrengung zu erzeugen. Um keine neuen Abhängigkeiten zu generieren, wird auf zwei weitere Systeme gesetzt: eine Quelle ist Regenwasser, das dank hoher Niederschlagsraten in großen Mengen vorhanden ist. Das Problem ist auch hier der eingeschränkte Platz und damit verbunden mangelnde Speichermöglichkeiten. Mit fast 20 Speicherseen ist die Kapazität des Stadtstaates fast ausgereizt. Ein 200 Millionen Dollar Projekt stemmt derzeit die Entstehung eines der größten Speicherbecken, die Marina Barrage. Ein 350 Meter langer Staudamm riegelt den Singapur River vom Meer ab. Ab 2015 soll hier etwa 30 Prozent der erforderlichen Trinkwassermenge gefiltert werden. Mit zu den effektivsten und modernsten Methoden weltweit zählt das Recycling von Abwasser. Ein neuartiges Umkehr-Osmose-Verfahren macht aus Abwasser Trinkwasser, das die Auflagen der Weltgesundheitsorganisation mehr als erfüllt. Singapur ist auch hier Vorreiter. Die Technik steht Modell für weitere wasserarme Länder.

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Visionen für die Zukunft
Um die Wasserversorgung aus Meer- und Abwasser zu etablieren und Rückhalt in der eigenen Bevölkerung zu erhalten, ist Öffentlichkeitsarbeit unablässig. So verteilt die Regierung bei Veranstaltungen Wasserflaschen zu Werbezwecken. Informationsveranstaltungen und regelmäßige Führungen durch die Trinkwasser generierenden Anlagen sind an der Tagesordnung. Auch im Mobilitätssektor ruht sich Singapur nicht auf dem aktuellen Status Quo aus. Im Transport Masterplan 2013 ist beispielsweise nachzulesen, welche weiteren Maßnahmen bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden sollen. Außerdem arbeiten Experten aus der ganzen Welt unablässig an Verbesserungen. Ein Schweizer Ingenieur koordiniert in Singapur ein richtungsweisendes Projekt namens Future Cities Laboratory. Die Stadt einschließlich aller Straßen und Verkehrswege, U-Bahnen und Einrichtungen wird als Computersimulation zum Leben erweckt. Eine künstliche Population bevölkert den virtuellen Lebensraum. Diese Population wird aus den Daten einer Umfrage aus einem Prozent der realen Bewohner der Stadt gespeist. Durch verschiedene Modifikationen, wie z.B. die Erhöhung der Gebühren für eine bestimmte Strecke oder die Anpassung der Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel kann direkt auf die Auswirkungen und die beste Strategie geschlossen werden. Längst haben weitere Städte Interesse an der Technik angemeldet.

Das Morgenstadt Modell für eine nachhaltige Stadentwicklung für die Stadt Singapur; (Quelle: Fraunhofer IAO)

Projekte wie diese und Innovationen wie die Trinkwassergewinnung aus Abwasser üben eine starke Anziehungskraft auf internationale Unternehmen, Forscher und Institutionen aus. Singapur fungiert als eine Art Versuchslabor, in dem zukunftsfähige neue Technologien in erster Linie für den asiatischen Raum, aber auch für andere Länder in der ganzen Welt entstehen und getestet werden können. Die Besonderheit der politischen Organisation eines Stadtstaats, der ähnlich eines Wirtschaftsunternehmens geführt wird, erleichtert das effiziente Handeln und die Einführung von innovativen neuen Ideen. Als die großen Herausforderungen für die Zukunft sehen die Teams des Forschungsprojekts „Morgenstadt: City Insights“ nach der ersten Projektphase neben der Weiterentwicklung der bestehenden Systeme und Technologien im Bereich Wasser und Verkehr die Reduzierung von Abfällen und den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Weitere Informationen Verbundforschungsprojekt „Morgenstadt: City Insights“ der Fraunhofer Gesellschaft mit zahlreichen Partnern aus Städten, Wirtschaft und Forschung zur Analyse und Entwicklung von Konzepten und Strategien für die nachhaltige wandlungsfähige Stadt von Morgen.
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