04.02.2011

Universal Design - Design für alle (Generationen) - ein Nachbericht

Das Thema ist spannend, brisant und überaus wichtig: Universal Design, Produkte, Services und Dienstleistungen, die für Menschen jeden Alters attraktive Angebote machen, werden aufgrund des demografischen Wandels dringend benötigt – und bieten Unternehmen und Dienstleistern großartige Chancen, ihren wirtschaftlichen Erfolg nachhaltig und langfristig zu sichern.  Dazu hat bayern design in Kooperation mit der IHK Nürnberg für Mittelfranken und gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie das 40. Unternehmerforum Design veranstaltet: Universal Design – Zukunftsfeld für Produzenten und Dienstleister.

Eröffnet von Dr. Udo Raab, Leiter Standortpolitik und Unternehmensförderung der IHK Nürnberg für Mittelfranken und Dr. Silke Claus, Geschäftsführerin, bayern design GmbH, Nürnberg, folgten mehrere spannende An- und Aussichten zum Thema. Ein Fazit gleich vorweg: Universal Design inklusive Barrierefreiheit ist eine Wachstumsbranche, die – trotzdem seit vielen Jahren der demografische Wandel und die daraus resultierende prozentuale Verschiebung zwischen älteren und jüngeren Menschen gerade in Deutschland, aber auch europa- und weltweit thematisiert sind – noch immer in den Kinderschuhen steckt.

So stellte Designer Stefan Brodbeck (Geschäftsführer brodbeck design, München) als erster Referent gleich klar, dass diese jüngere Disziplin viel Fachwissen erfordert, was die Bedürfnisse älterer und auch generell beeinträchtigter Menschen anlangt. Dennoch ist die Zielgruppe von Universal Design beieleibe nicht ausschließlich auf ältere Menschen ausgerichtet – Produkte und Dienstleistungen, die uns allen generationenübergreifend das Leben und den Umgang mit den Dingen, die wir täglich nutzen, leichter machen, wissen alle zu schätzen. Denn: Wir alle wissen, dass Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Farbenblindheit oder durchaus schon um die Vierzig einsetzende Sehschwächen auf die Nähe, keine gravierenden Behinderungen, sondern einfach nur lästig sind.

Ein weiteres Fazit: Es geht nicht um Design von Produkten und Dienstleistungen, die speziell für die so genannten „Senioren“ interessant sind – Universal Design sollte quer durch alle Altersschichten attraktiv und nutzbar sein – ohne dass dabei der Anspruch an Ästhetik, Qualität und Komfort zu leiden hätte. Einfach Produkte, die einfach zu bedienen oder benutzen sind, flexibel und mit Gestaltungsanspruch auf höchstem Niveau. Denn: Wenn vielleicht Alter oder eine körperliche Beeinträchtigung in jüngeren Jahren beispielsweise eine Duschhilfe erforderlich machen, muss deren Design noch lange keine in Form gebrachte Beleidigung fürs Auge sein… Gleiches gilt natürlich für alle anderen Produkte auch – ob sie speziellen Bedürfnissen angepasst sein müssen oder nicht.

Auch die Individualisierungsmöglichkeit spielt künftig eine immer größere Rolle, der Erfolg von Produkten wie dem iPhone von Apple oder Nintendos WII Spielekonsole sind der beste Beweis dafür – mit Softwareangeboten und Apps, die Menschen zwischen acht und 98 interessieren und leicht zu nutzen sind.

Hochinteressant auch das Referat von Andrea Ferger-Heiter, der Demografie-Beauftragten der GALERIA Kaufhof GmbH, Köln. Als Dienstleister haben die Verantwortlichen hier offensichtlich früh den Trend der Zeit erkannt: Unter dem Motto „Galeria für Generationen“ – und mit der Erkenntnis, dass nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitarbeiter älter werden – wird hier sehr sensibel mit der Thematik umgegangen. Nicht nur, was die generationengerechte Gestaltung der Kaufhäuser anlangt, sondern auch das menschliche Miteinander untereinander und in der Verkäufer-Kunden-Ansprache. So werden nach und nach alle Galeria-Häuser u.a. mit Sitzmöglichkeiten auf allen Etagen ausgestattet – Ruhezonen, die von müden Kindern, stillenden Müttern, dem jungen Mann mit Gipsbein und natürlich gerne auch von älteren Menschen für eine Pause genutzt werden.

Aus ganz anderer Sichtweise hat Web- und Kommunikationsdesigner Andreas Koop von der designgruppe koop, München, das Thema beleuchtet. Noch immer sei Barrierefreiheit – wenn auch seit einigen Jahren zumindest für die Webseiten öffentlicher Institutionen per Gesetz Pflicht – zu hundert Prozent umzusetzen. Dass es mit der Einstellbarkeit der Schriftgröße nicht getan ist, erschließt sich dabei fast von selbst.

Beim Thema Webdesign allerdings eine Diskrepanz: Seiten, die den Beeinträchtigungen aller User gerecht werden würden, würden fast automatisch rund 95 Prozent der „normalen“ User ausschließen bzw. ihnen den Zugang und die Nutzung deutlich erschweren.

Der Sozialpädagoge Thomas Bade, Managing Director, universal design GmbH, Hannover, brachte das bisherige Dilemma der Tatsache, dass noch längst nicht alle Unternehmer und Dienstleister den Geist der Zeit entsprechend umzusetzen wagen, auf den Punkt: „Wir haben es bisher leider noch nicht geschafft, Industrie, Wirtschaft und Dienstleister wirklich zu überzeugen – sonst würden wir hier alle nicht zusammensitzen!“ Eine Ursache fürs Problem sieht er schlicht darin – und, seien wir ehrlich, ein bisschen gehen wir alle, solange alles „passt“, auch mit weitsichtigen Projekten, seien dies Rentenversicherungen, Berufsunfähigkeit etc.,  um – früher anzusetzen und Strategien, Produkte und Lösungen zu planen.

Also in den jetzigen Zeiten, wo die „Macher“ – Unternehmer, Designer und Dienstleister –  Universal Design selbst vielleicht noch nicht brauchen. Bade definiert Universal Design nicht als Standard, sondern als Prozess. Empathie, Emotion, Qualifikation und Wirtschaftlichkeit – das sind seine grundlegenden Forderungen an Hersteller und Dienstleister. Und: „Es ist nicht mehr sehr viel Zeit übrig, um auf Universal Design umzustellen – auf geht’s!“

In der das 40. Unternehmerforum Design abschließenden Podiumsdiskussion aller Referenten, moderiert von Dr. Silke Claus, wurde nochmals deutlich, dass es nicht um „seniorengerechtes“ Design geht, sondern wirklich um attraktives Design für alle. Zertifizierungen waren im Gespräch – scheinen aber nicht wirklich der Weisheit letzter Schluss, genauso wenig wie Vorschriften, die bestimmte Forderungen an Hersteller oder Dienstleister richten könnten.

Ein Unternehmen – dessen Vertreterin Hannelore Warning, Group Product Manager für den Bereich Spielen & Lernen, Faber-Castell AG, ein weiteres Referat beigetragen hatte – feiert heuer 250. Unternehmensjubiläum. Eine Erfolgsgeschichte, die für sich spricht – und ein Unternehmen, das mit dem Claim „Gewöhnliche Dinge ungewöhnlich gut machen“ allein eine Zusammenfassung alles zum Unternehmerforum Design Gesagte zusammenfasst. Wäre dieser Claim nicht geschützt, sollten sich ihn inhaltlich zumindest viele Unternehmen auf die Fahne schreiben.

Der wirtschaftliche Erfolg, gegründet auf Weitsicht für eine sich verändernde Welt, wird ihnen recht geben. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen in Bayern haben hier nicht nur die Chance, sich im Markt als Vorreiter zu etablieren. Die Investition in gutes, in Universal Design, drückt sich in allen Bereichen in steigendem Umsatz – und damit natürlich auch in gesichertem Erhalt vieler Arbeitsplätze aus.

Nina Shell

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