09.07.2010

Ur-Version der Architekten-Küche neu im Museum der Dinge

1926 legte die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotsky den Grundstein für die Küchenkultur und -architektur der späteren Jahrzehnte - mit dem Entwurf der so genannten "Frankfurter Küche". Ab sofort ist der Neuerwerb des Werkbundarchivs, ein Original der Küche, im Museum der Dinge in Berlin zu sehen.

Die "Frankfurter Küche" ist kulturgeschichtlich ein wichtiges Zeugnis für die Übertragung von industriellen, d.h. rationalisierten Arbeitsvorgängen in den Bereich des privaten Haushalts - ein zentraler Aspekt für die Moderne Architektur und Alltagskultur der 1920er Jahre.

Die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotsky hat die Küche 1926 als einen Typus entworfen, der 10.000-fach in zahlreichen Varianten in den Frankfurter Siedlungen realisiert wurde. Schütte-Lihotzky arbeitete im Auftrag des Frankfurter Stadtbaurats Ernst May, der in sich die Position des gestaltenden Architekten und die des politisch-kommunalen Managers für das neue Frankfurt der 1920er Jahre vereinigte. Angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen und der städtischen Wohnungsnot nach dem 1. Weltkrieg ging es bei diesem Wohnungsbauprogramm um günstigen, effizient und sparsam genutzten Wohnraum mit einer einfachen, preiswerten Ausstattung für große Bevölkerungszahlen.

Das vor allem von der SPD unterstützte Siedlungsbauprogramm war politisch motiviert und hatte zum Ziel, die möglichen technischen Standards der Zeit (fließendes Wasser, Hygiene, Gas- und Elektroenergie) auch unteren Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen. Das Programm wurde durch eine spezielle moderne Öffentlichkeitsarbeit vermittelt, in deren Rahmen z.B. auch die Küche erfolgreich auf der Frankfurter Frühjahrsmesse 1927 vorgestellt wurde.

“Frankfurter Küche” in der Schausammlung des Werkbundarchiv – Museum der Dinge, aus der Siedlung Römerstadt, Frankfurt, 1927/28. Alle Fotos: Armin Herrmann

Die Typisierung, d.h. die Entwicklung eines standardisierten Modulsystems, ermöglichte zum einen die Reduzierung der benötigten Grundfläche und zum anderen eine serielle Fertigung und damit die Senkung der Herstellungskosten. Die Frankfurter Küche fand eine große Verbreitung und wurde zum Vorbild für die moderne Einbauküche. Allerdings gibt es nicht die eine einzige Frankfurter Küche, sondern das Modell erfuhr in der Phase seiner Realisierung in verschiedenen Frankfurter Siedlungen bis 1930 diverse Veränderungen.

Die Frankfurter Küche orientierte sich an den Speisewagenküchen in Zügen, wurde auf der Basis taylorisierter Arbeitsabläufe geplant und war rationell und funktional gestaltet. Sie sollte als reine Arbeitsküche in Verbindung mit einem durch eine Schiebetür abtrennbaren Wohnzimmer genutzt werden und ein "Kochbetrieb" oder "Kochlaboratorium" sein.

Das in die Schausammlung des Werkbundarchiv - Museum der Dinge integrierte Exemplar der Frankfurter Küche stammt aus einem Zweifamilien-Reihenhaus im Heidenfeld 24 in der Römerstadt-Siedlung, die 1927/28 entstanden ist. In den Küchen der Römerstadt-Siedlung fehlten die in anderen Frankfurter Küchen vorhandene Schiebetür und die Kochkiste und sie waren mit Kombinationen aus Elektro- und Kohleherd ausgestattet. Der ursprüngliche Herd fehlt in diesem Interieur und wird durch ein vergleichbares Modell ergänzt. Die Küchenmöbel waren ursprünglich blaugrün gestrichen und wurden im Laufe der Nutzung creme-weiß überstrichen. Die Küche wird unrestauriert aufgestellt, da die Nutzungs- und Veränderungsspuren sichtbar sein sollen; nur die Beschläge wurden von Farbe befreit und einige fehlende Teile ergänzt.

Das Küchen-Ensemble ist eine ideale Ergänzung zur Schausammlung des Museums, da sich am Beispiel der Frankfurter Küche die Leitbegriffe der 1920er Jahre veranschaulichen lassen: Sachlichkeit, Funktionalismus und vor allem Standardisierung. Der Begriff der Standardisierung bezog sich nicht nur auf die Produktionstechnik, sondern spiegelt auch die ideologische Überzeugung der Aktivisten von Bauhaus und Werkbund wider, durch eine gleichförmige Gestaltung der alltäglichen Dinge zur Nivellierung der Klassengegensätze beizutragen. Der künstlerische Entwurf des standardisierten Objekts trug zur Veredelung und zur Endgültigkeit der richtigen Form bei.

“Frankfurter Küche” in der Schausammlung des Werkbundarchiv – Museum der Dinge, aus der Siedlung Römerstadt, Frankfurt, 1927/28

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