01.04.2014 Maier@detail.de

Vor, zurück und Seitwärtsschritt – die imm cologne 2014

Wie wollen wir wohnen? Auf der diesjährigen imm cologne zeigte sich vor allem, dass es auf diese Frage nicht nur eine Antwort gibt. Vielmehr lassen sich dazu unterschiedliche Phänomene beobachten. Interessant ist, dass sich der Wohnbereich in den Augen vieler Designer zu einem technikbefreiten Rückzugsort entwickelt, in dem auf und an handwerklich hergestellten Möbeln selbst gewerkelt wird: Dies war zumindest die Wohnvision der dänisch-britischen Designerin Louise Campbell für die von der Kölnmesse seit drei Jahren durchgeführte Inszenierung »Das Haus«. Eine Vielzahl an Re-Editionen vergessener oder nie in Serie gegangener Meisterentwürfe aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts prägte zudem das Bild der Premiumbereiche der imm cologne, z. B. eine von den Vereinigten Möbelwerkstätten VS erstmals aufgelegte »Richard-Neutra-Kollektion« oder der von Artek herausgegebene »Karuselli«-Sessel des finnischen Designers Yrjö Kukkapuro. Wir identifizieren dieses Phänomen als ein ambivalentes Bedürfnis nach wertbeständigem, kanonisiertem Design, dessen Distinktionsmerkmal in der geringeren visuellen Abnutzung im Vergleich zu bekannten ­Klassikern der Moderne (»Eames Chair«) besteht. Gleichzeitig sehen wir ihn als Indiz für eine Musealisierung westlicher Produktkultur. Eine Marktverschiebung in Richtung Osten – der Absatz von Möbeln in Russland und China steigt, in Westeuropa sinkt er ­hingegen – trägt zudem anderen repräsentativen Bedürfnissen Rechnung: hochwertige Materialien spielen hier zum Beispiel eine wesentliche Rolle. Edle, natürliche Materialien liegen insgesamt hoch im Kurs bei den Möbelherstellern. Ihre Anwendung kondensiert in den Wohnjuwelen, wie wir die kleinen Beistellmöbel, Leuchten und Accessoires im Wohnbereich genannt haben. Denn hier finden sich zahlreiche Beispiele aus Edelmetallen, Marmor und buntem Glas. Interessant sind vor allem diejenigen Produkte, die neuartige Anwendungen und Techniken solcher Materialien erproben, wie es zum Beispiel die jungen Designer Sebastian Herkner, Mathias Hahn und Martin Hirth vormachen.

Pegasus Home Desk

An den Designhochschulen geht man ähn­liche Wege: hier werden für neue Techniken wie das »inkrementelle (schrittweise) Drücken« neue Produkte erfunden, zum Beispiel in der Ausstellung »Metal Scapes« der FH Potsdam. Auch das von DETAIL research veranstaltete Forum im Messebereich »Living Interiors« widmete sich neuen Forschungserkenntnissen: Während auf der Makroebene Vernetzung und Mobilität bei voranschreitender Urbanisierung eine wichtige Rolle spielen, übernehmen im Mikrobereich z. B. nanoskalige Beschichtungen die Funktionen mechanischer Geräte. Da in der Industrie die Individualisierung des Produkts im Gegensatz zur Massenproduktion immer wichtiger wird, ­sehen die Forscher digital gesteuerte Formen der Mass Customization auf dem Vormarsch. Dass solche digitalen Produktionsweisen – ebenso wie ihr Gegentrend handwerklicher Herstellung – die Gründung junger, von den teuren Werkzeugen der Massenproduktion unabhängiger Design-Unternehmen begünstigt, thematisieren wir ebenfalls in unserem Artikel »Trend folgt Markt«.

Più Grande

Und dann gibt es selbstverständlich auch noch die »echten« Möbelneuheiten: Frei stehende, richtungslose Sofas haben wir auf der Messe entdeckt – bei Richard Lampert und Ligne Roset. Und bei den insgesamt wieder zierlicher werdenden Polstermöbeln kehrt das sichtbare Holzgestell zurück – wahlweise mit fülligen Daunenpolstern (COR) oder klassisch gesteppt. Eine Renaissance feiert auch der Sekretär: Unterschiedliche Funktionen und digitale Geräte gut organisiert und möglichst unsichtbar in einem kleinen Arbeitstisch zu verstauen, verstehen viele Designer als Herausforderung, die z. ?B. von Tilla Goldberg (Ippolito Fleitz Group) für Classicon beim »Pegasus Home Desk« mit einer schweren Lederabdeckung elegant bewältigt wird. Und bei den neuen Tischen wird mit Auszieh-Varianten experimentiert: Während Claudio Dondonli und Marco Pocci den Tisch »Più Grande« für Ligne Roset in drei Schritten quadratisch wachsen lassen, erweitert Mathias Hahn seinen zweifarbigen Tisch »E8« für Zeitraum um die lange, schmale Version »E8 Lounge«. (CV)

E8 Lounge

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