Bruder Leichtfuß – Fredericks/White-House in Jamberoo (1981-82)
„Glenn wer?“ dürften sich viele Zeitgenossen gefragt haben, als 2002 erstmals ein australischer Architekt mit dem Pritzker-Preis geehrt wurde. Glenn Murcutt, der passionierte Einzelgänger unter den großen Architekten des 20. Jahrhunderts, der nie ein großes Büro betreiben wollte, keine Aufträge außerhalb seiner Heimat Australien annahm und überwiegend Einfamilienhäuser für private Bauherren realisierte, denen er mitunter Wartezeiten von drei bis sechs Jahren zumutete, bevor er überhaupt zu entwerfen begann, war für viele Architekturinteressierte auch damals noch ein unbeschriebenes Blatt.
Leichtgewichtige Industriematerialien
Schon 13 Jahre zuvor hatte Detail mit dem Fredericks/White-House in Jamberoo rund 50 km südlich von Sydney ein typisches Beispiel für Murcutts Wohnhausarchitektur veröffentlicht. Typisch einerseits wegen der langgestreckten Form und des Holzständerwerks, mit dem sich das Haus leicht über den sonnigen, windgeschützten Nordhang (in Australien scheint die Sonne von Norden) erhebt. Typisch aber auch aufgrund der Palette leichtgewichtiger Industriematerialien, die Murcutt für die Gebäudehülle verwendete. Allen voran das verzinkte Stahlwellblech, mit dem das parabelförmige, gut hinterlüftete Dach gedeckt ist, aber auch die Aluminiumjalousien, die die bodentief verglaste Nordfassade und die Schrägverglasungen im Dach verschatten.
Optische Durchlässigkeit
Das Innenleben überrascht demgegenüber mit seiner Holzverkleidung an Decken, Böden und Wänden. Verglaste Giebelfelder zwischen den Räumen stellen eine optische Durchlässigkeit in Längsrichtung her. Schwer wirkt an dem Haus eigentlich nur der gemauerte Kamin, ein etwas fremdartiges Relikt aus dem Bauernhaus, das zuvor auf dem Grundstück stand. Ein kleiner Annex auf der südlichen Hangseite erweitert den Grundriss zur L-Form. In den ursprünglichen Publikationsplänen war er als Garage eingezeichnet, wurde später jedoch als Arbeitszimmer des Hausherrn verwendet.
Flexibles Gebäudekonzept
2001 – 2004 stellte das lineare Gebäudekonzept seine Flexibilität unter Beweis, als Murcutt das Haus für seine mittlerweile neuen Besitzer erweiterte. Dabei wandelte er ein Schlafzimmer mit Bad am westlichen Gebäudeende zur seitlich offenen, nur von dem Wellblechdach geschützten Veranda um und fügte jenseits davon einen neuen Schlafzimmertrakt an. Unterschiede zwischen Alt und Neu sind allenfalls im Detail erkennbar – ein Zeichen dafür, dass Murcutt seinen Entwurfsprinzipien über all die Jahre treu geblieben ist.