Bootshaus in Schottland von Barboza Blanco Office

Es hört sich ganz nach einer architektonischen Liebesgeschichte an: Der Bauherr hatte ein ruinöses Mauergeviert ohne Dach am Ufer des Tay in Schottland für sich entdeckt und den Plan gefasst, es als Wochenendhaus für seine Gäste bewohnbar zu machen. Im Projektverlauf fand er dann selbst so viel Gefallen an dem Gemäuer, dass er beschloss, es für sich als Sommerwohnsitz zu nutzen. Über die Vorgeschichte des Hauses ist wenig bekannt. Seine 60 cm dicken und bis zu 6 m hohen Außenwände deuten jedoch an, dass darin mehr als nur Fischernetze aufbewahrt wurden. Die Lage ist einzigartig, aber wenig alltagstauglich: vorn das Wasser, hinten dichter Wald. Es gibt keinen offiziellen Fahrweg zum Grundstück. Die nächste größere Stadt, Dundee, ist eine Autostunde entfernt. Selbst ins Zentrum der Kleinstadt Cupar, auf deren Gemarkung das Haus liegt, sind es mehr als 10 km.

Eine einzige, zentral im Raum platzierte Baumstütze trägt das Dach und den Fußboden. Ein großes Fenster gibt den Blick frei auf den Firth of Tay. Links hinter der zugemauerten Wandöffnung befindet sich das Bad. © Rohan Strathie  

Für das Büro des Brasilianers Caio Barboza und seiner spanischen Partnerin Sofia Blanco war es der erste Bauauftrag in Schottland, nachdem sie bislang vor allem im Nordwesten Spaniens tätig waren. Angesichts des abgelegenen Baugrundstücks entschieden sich Barboza Blanco für die Nutzung lokaler Ressourcen. Dabei kam ihnen die Tatsache zugute, dass das Waldstück hinter dem Haus ohnehin ausgelichtet werden musste. Das hierfür übliche, schwere Gerät hätte jedoch den Waldboden unnötig verdichtet. Daher ließen sich die Architekten von einheimischen Waldarbeitern und Rückepferden unterstützen, um Baumstämme für die Tragstruktur des neuen Dachs zu ernten.  

Grundriss des Bootshauses, Grafik © Barboza Blanco Office 

Ein Teil dieses Holzes bildet nun eine neue Baumstütze inmitten des Hauses. Sie trägt sowohl das Dach als auch den neuen Holzfußboden. Dabei nutzten Barboza Blanco ausschließlich zimmermannsmäßige Zapfen- und Kerbverbindungen, um die „Äste“ am „Baumstamm“ zu befestigen. Der Fußboden gliedert sich in vier Podeste unterschiedlicher Höhe, um die zentrale Baumstütze nicht unnötig zu schwächen. Sie bilden die einzige, subtile Zonierung des Innenraums, der ohne jegliche Trennwände auskommt. Über den Hauseingang an der Gebäudeecke und einige Treppenstufen gelangt man hinauf auf ein hochwasser- und feuchtesicheres Niveau.  

Die Verzweigungen der Holzkonstruktion wurden ausschließlich mit zimmermannsmäßigen Konstruktionen ohne Nägel und Schrauben hergestellt. © Barboza Blanco Office 

Angesichts der spartanischen Ästhetik überrascht es beinahe, dass das Haus dennoch alles Lebensnotwendige für einen Ein-Personen-Haushalt bereithält. An einer Längswand befindet sich eine komplette Küchenzeile; ein separat von außen zugängliches Bad enthält den Hausanschlussraum. Zur Verteilung der Wasser- und Abwasserrohre nutzten Barboza Blanco den großzügigen Raum unterhalb der Bodenplatte. Beheizen lässt sich das Bootshaus über einen Holzkamin in der Außenwand neben dem Eingang. Nach Angaben der Architekten verbringt der Bauherr inzwischen den größten Teil des Jahres hier am Wasser. Die Liebesgeschichte hat also offenbar noch kein Ende gefunden.