Doshi Retreat von Balkrishna Doshi

Das Vitra Campus in Weil am Rhein umfasst ein einzigartiges Architekturensemble von weltbekannten Architektinnen und Architekten. Nun feiert es eine weitere Sensation: die Eröffnung des Doshi Retreats. Gemeinsam mit seiner Enkelin Khushnu Panthaki Hoof und Sönke Hoof hat der indische Pritzker-Preisträger Balkrishna Doshi ein kontemplatives Refugium entworfen. Es ist ein Ort, der dazu einlädt, sich mit dem eigenen Ich zu verbinden und eine erweiterte Bewusstseinshaltung zu entwickeln. Das Doshi Retreat ist das erste realisierte Projekt des Architekten außerhalb Indiens und zugleich das letzte, an dem er vor seinem Tod im Jahr 2023 arbeitete. 

Vogelperspektive auf das Doshi Retreat, 2025, © Vitra, Foto: Julien Lanoo

Der Ausgangspunkt für das neueste Bauwerk auf dem Vitra Campus war ein Foto eines kleinen Schreins des Modhera-Sonnentempels in Indien, den Rolf Fehlbaum, Chairman Emeritus von Vitra, Balkrishna Doshi in einem Gespräch zeigte. „Dann kamen Doshis Träume und Absichten – Texte, Skizzen und ein visuelles Exposé voller vielschichtiger Konzepte und Doppeldeutigkeiten“, erzählt Khushnu Panthaki Hoof. Aus der Vogelperspektive sieht die Form des Gebäudes wie eine Schlange aus. Die Enkelin erklärt, dass diese Architektur aus einem Traum von Doshi stammt, in dem er zwei ineinander verschlungene Kobras gesehen hat. 

Zeichnung, die Balkrishna Doshi an Khushnu Panthaki Hoof und Sönke Hoof übergab. Sie zeigt den Weg als Reise. 2022, © Balkrishna Doshi

Das Doshi Retreat ist ein Raum für Einsamkeit und Rückzug. Es inszeniert den Weg selbst als architektonisches Erlebnis: ein geschwungener Pfad, der zu einer physischen wie auch sinnlichen Erkundung einlädt. Mit jedem Schritt entlang des Weges – unterhalb des Erdniveaus, entlang der sanft resonierenden Wände – entsteht ein spürbarer Übergang von der äußeren Welt in einen Raum der Wahrnehmung und inneren Sammlung. Die gewundenen Wände führen Besucherinnen und Besucher auf eine Entdeckungsreise voller unerwarteter Richtungsänderungen und Perspektivwechsel. 

Ein gewölbter, kurzer Tunnel führt in den Kontemplationsraum. 2025, © Vitra, Foto: Julien Lanoo 

Für die Struktur ist Stahl verwendet worden, der größtenteils aus recyceltem Stahlschrott besteht und vollständig unter Einsatz erneuerbarer Energie hergestellt wird. Im Laufe der Zeit wird der Stahl durch kontrollierte Korrosion eine natürliche, warme Patina entwickeln. In konkave Vertiefungen im Boden sind Lautsprecher eingelassen, die ein wechselndes Klangfeld aus Gong- und Flötensequenzen entlang des Weges erzeugen. Nahe des zentralen Raumes werden diese Sequenzen von den Metallwänden zurückgeworfen. So interagieren die Klänge physisch und psychisch mit den Besucherinnen und Besuchern. Diese vielschichtige Sinneserfahrung verdichtet sich in einem kurzen, gewölbten Tunnel, der in den Kontemplationsraum mündet. Im Kontemplationsraum befindet sich mittig ein großer Gong, rechts und links zwei breite halbkreisförmige Steinbänke. Ein in Indien gefertigtes, handgehämmertes Mandala aus Messing ziert die Decke. Licht, Luft und Niederschlag dringt durch eine am Deckenrand verlaufende Öffnung. Ein Wasserbecken rund um die Plattform fängt den Regen auf.