Bauen in heißen Klimazonen
Frauenmoschee in Doha von Diller Scofidio + Renfro
Blick in die Frauenmoschee im Bildungszentrum Al Mujadilah Center in Doha: Die nach Mekka gerichtete Quibla-Wand mit Travertinbekleidung ist am höchsten Punkt in Raummitte nach außen gewellt und bildet eine Mihrab-Gebetsnische. © Iwan Baan
Der Neubau von Moscheen hat in den letzten Jahren in Europa, aber auch weltweit eine Renaissance erlebt. 2018 sorgte die monumentale DITIB Zentralmoschee in Köln von Paul Böhm mit einer 35 m hohen Kuppel aus Betonschalen für internationales Aufsehen. 2022 eröffneten die Architekten Bevk Perović in Ljubljana das Islamische Religions- und Kulturzentrum IRCC mit der ersten Moschee Sloweniens, einem weißen transluzenten Stahlwürfel mit 32 m Seitenlänge. Weit bescheidener, aber mit ebenfalls hoher spiritueller Raumqualität fiel die Bait Ur Rouf Jame Moschee von Marina Tabassum in Dhaka aus. Der 2012 eröffnete, schlichte Sakralbau aus traditionellem Ziegelmauerwerk in der Peripherie der Hauptstadt von Bangladesh geht auf eine Initiative der Mutter der Architektin zurück. In Katar ist nun, erstmals in der islamischen Welt, eine Moschee ausschließlich für Frauen entstanden. Initiatorin ist auch hier eine Frau: Die Vorsitzende der Quatar Foundation ihre Hoheit Sheika Moza Bint Nasser. Namensgeber des neuen Bildungszentrums Al Mujadilah Center in der Hauptstadt Doha ist die 58. Sure des Koran mit der Überschrift Al Mujadilah, in der die Rechte der Frauen abgehandelt werden.


Die perforierte Dachscheibe des Neubaus von Diller Scofidio + Renfro ist gewellt wie eine Sanddüne und exakt in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet. © Iwan Baan
Welle statt Kuppel
Auch typologisch ist der Neubau von Diller Scofidio + Renfro eine Weltneuheit. Die 62 x 89 m große perforierte Dachscheibe ist gewellt wie eine Sanddüne und exakt in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet. Um 17 Grad gedreht, also exakt in Richtung Mekka, ist ein Feld aus 5488 zylindrischen Oberlichtern. Das Dach steigt in der Mittelachse in Längsrichtung von 3,15 m auf 12,90 m an, die Dachränder ringsum bilden einen durchlaufenden Horizont auf einer Höhe von 5,50 m. Acht Hauptträger aus Stahl mit 25 m Spannweite und jeweils individueller Überhöhung bilden das Primärtragwerk. Nebenträger aus 40 cm hohen Stahlprofilen tragen die C-Profile, auf denen die gedämmten Sandwichplatten festgeschraubt sind. Die Dachfläche besteht aus 2 cm dicken individuell geschnittenen Platten aus Omani Marmor, die in eine Trägerschicht aus bewehrtem Estrich verlegt sind. Das Kunststück der Architektinnen und Tragwerksplaner bestand darin, die Stahlkonstruktion so aufgefächert zu konstruieren, dass die immense Zahl an Oberlichtern mit einem Durchmesser von je 25 cm in der Auf- und Untersicht ein homogenes Lichterfeld mit gleichen Abständen ergibt.
Welle als Mihrab
Die nach Mekka gerichtete Quibla-Wand mit Travertinbekleidung ist am höchsten Punkt in Raummitte nach außen gewellt und bildet eine Mihrab-Gebetsnische, die über eine linsenförmige Verglasung im Dach in diffuses Streiflicht getaucht wird. Die minimalistische Kanzel aus dünnen Stahlblechen, der Minbar, wird durch eine Gegenschwingung der Natursteinwand im Raum verortet. Gestaltprägend ist auch der 20 x 35 m große Gebetsteppich, der zu einem einzigen Stück verwoben wurde und flächenbündig in den Boden eingelegt ist. Das Design basiert auf einem traditionellen Teppichmuster, das Diller Scofidio + Renfro mit einem Grafikprogramm aufgepixelt und abstrahiert haben. Entlang der Gebetshalle sind die Schuhablage mit Räumen für die rituelle Waschung angeordnet sowie die Lounge ihrer Hoheit und Seminarräume.


Der 20 x 35 m große Gebetsteppich ist zu einem einzigen Stück verwoben und flächenbündig in den Boden eingelegt. © Iwan Baan
Innenhof mit Ölbäumen
In der Mitte des Gebäudes trennt ein ovaler Innenhof mit Olivenbäumen den Gebetsaal vom Mehrzweckraum, der für Veranstaltungen flexibel bespielt werden kann. Während Ramadan wird hier ein weiterer großer Gebetsteppich ausgerollt, sodass insgesamt 1300 Muslima im Gebäude beten können. Eine Bibliothek bietet den Frauen die Möglichkeit zum Studium islamischer Literatur. Unterschiedliche Arbeitsplätze mit viel Tageslicht ermöglichen vielfältige Formen des Lernens: am Innenhof, in den Seminarräumen oder im Mehrzweckraum. Ein Café rundet das Raumprogramm ab. Vegetation spielt auch im direkten Umfeld des Bildungszentrums eine entscheidende Rolle. Ein schachbrettartiger Park umgibt die transparenten Räume und bietet attraktive schattige Außenbereiche mitten im heißen Wüstenklima.


Die 39 m hohe Stahlnadel der Minarette schwebt als Tensegrity Struktur 2 m über dem Boden. © Iwan Baan
Minarett als Kunstinstallation
Das Al Mujadilah Center mit Frauenmoschee bildet den westlichen Auftakt zur 12 km² großen Education City, die ebenfalls von der Quatar Foundation initiiert wurde. Es ergänzt die Ansammlung von acht internationalen Universitäten und 13 Schulen mit insgesamt 11000 Studierenden, deren Zentrum die Nationalbibliothek von OMA bildet. Das Minarett ist also gleichzeitig der Moschee zugeordnet, aber auch eine Landmarke für den gesamten Bildungscampus. Die 39 m hohe Stahlnadel schwebt als Tensegrity Struktur 2 m über dem Boden. Bei Nacht wird die transluzente Hülle aus ornamentalen perforierten Metallblechen hinterleuchtet. Fünf Mal am Tag fahren automatisch gesteuert an den drei Seiten innerhalb der transluzenten Hülle drei Lautsprecher in die Höhe, um das Gebet zu verkünden.
Mehr dazu in Detail 10.2025 sowie in unserer Datenbank Detail Inspiration.
Architektur: Diller Scofidio + Renfro, Elisabeth Diller, Evan Tribus
Bauherr: The Private Office of Her Highness Sheika Moza Bint Nasser
Standort: Zone 52, Street 2748, Building 66
Doha (QA)
Tragwerksplanung: Werner Sobek, New York mit Halcrow, Doha
Landschaftsarchitektur: Atelier Miething, Paris
Lichtplanung: Buro Happold, New York
Dachbelag: Nassar Stone
















