24.06.2015 Bettina Sigmund

Kosten versus Baukultur? Normen versus Kreativität? Herausforderungen für den kostengünstigen Wohnungsbau

Wie kann der öffentlich geförderte Wohnungsbau effizienter, nachhaltiger und besonders auch kostengünstiger werden – ohne jedoch an der Qualität oder der Baukultur zu sparen? Diese Frage stellten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit BMUB und die Bundesarchitektenkammer BAK und baten Architekten und Wohnungsbaugesellschaften um ein konstruktives Feedback. Ziel ist es, das kostengünstige Bauen mithilfe aller Beteiligten zu fördern – denn die Schaffung und der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum ist gerade in den Ballungszentren eines der drängenden Themen. Wie zu erwarten, waren die Wortmeldungen, Ansätze und Wünsche der knapp 150 Teilnehmer die Mitte April zu verschiedenen Vorträgen und Workshops geladen wurden, vielseitig, teils kontrovers und nicht ohne eine gewisse Brisanz. Gemeinsam mit Verbänden aus der Wohnungswirtschaft, den planenden Berufen und der Bauwirtschaft wurde durch Bundesministerin Dr. Barbara Hendriks das „Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen“ und die „Baukostensenkungskommission“ ins Leben gerufen. In Kooperation mit Architekten und Ingenieuren, aber auch der Wissenschaft und den öffentlichen Körperschaften, wie Bund, Länder und Kommunen sollen Standards hinterfragt und ein Statusbericht erstellt werden. Die Dokumentation des Symposiums „Architekturqualität im kostengünstigen Wohnungsbau“, das in Kooperation mit DETAIL research durchgeführt wurde, ist dabei ein wichtiger Baustein die Stimme der Architektenschaft in die kommenden Entscheidungen zu integrieren.
In allen Vorträgen des Symposiums sowie den Workshops wurde deutlich, dass sich Architekten in einer nicht immer konfliktfreien Rolle als Verfechter der Baukultur auf der einen Seite und als Treuhänder des Bauherrn auf der anderen Seite befinden. Besonders im kostengünstigen Wohnungsbau – der in der Diskussion meist mit öffentlich gefördertem, sozialem Wohnungsbau gleichgesetzt wurde – müssen die Planer in einem sehr engen Korsett aus Budget, Anforderungen, Normen und Regelwerken agieren. Dadurch sahen sich viele Teilnehmer in ihren Möglichkeiten der aktiven Steuerung zur Kostenreduzierung stark beschnitten und teils fremdgeleitet. Die Bereitschaft, die Baukosten zu minimieren und im Rahmen der Möglichkeiten zu einem kostengünstigen Wohnungsbau beizutragen ist absolut vorhanden, jedoch nicht um den Preis der Baukultur. Dies zeigte sich deutlich in der Forderung, den Wettbewerb als Mittel zur Steuerung der Entwurfsqualität auch im Wohnungsbau stärker zu fördern. Die Teilnehmer waren sich weiterhin darüber einig, dass allein durch eine Reduzierung der Planungs- und Baukosten nicht zwangsläufig nachhaltig Kosten eingespart werden. Vielmehr sprachen sie sich dafür aus, die Qualität von Planung und Realisierung zu erhöhen, auch wenn dies zunächst weitere Kosten verursachen mag, um langfristig über den Gebäudelebenszyklus wieder Kosten zu reduzieren. Planer und Bauherren wurden dabei gleichermaßen in der Verpflichtung gesehen, die möglichen Parameter und Stellschrauben im Vorfeld genau zu analysieren und festzulegen. Auch die Frage nach den Erwartungen von Bauherren und Nutzern wurde kontrovers diskutiert. Durch die Reduzierung von Flächen oder Standards könnten durchaus Kosten eingespart werden. Dabei solle jedoch nicht das Empfinden von Verzicht und Einschränkung entstehen, sondern durch intelligente Lösungen ein Mehrwert generiert werden. Unter anderem wurde hierbei das verändertes Mobilitätsverhalten besonders in städtischen Regionen genannt, das die Überarbeitung der aktuellen Stellplatzschlüssel mit sich brächte. Die Schaffung von zusätzlichen Gemeinschafts- und Freiflächen bei einer Reduzierung der privaten Wohnfläche, von neuen Wohnformen, Wohngemeinschaften und multifunktionalen Lösungen wurde als weiterer Ansatz gesehen. Ebenfalls wurde stark über Normen, Standards, Bauordnung und Richtlinien  diskutiert, die teilweise als nicht mehr zeitgemäß oder als übernormiert angesehen wurden. Die teilnehmenden Architekten wünschten sich mehr Freiheit und Flexibilität, um auch durch experimentelle Ansätze zu neuen Lösungen zu gelangen. Die Trennung von Planung und Realisierung wurde teils als unzeitgemäß angesehen, die aktuellen Vergabeverfahren beim geförderten Wohnungsbau verhindern beispielsweise ein Reagieren auf die Marktsituation. Beides führe dazu, dass viele intelligente und kostensparende Ansätze von Anfang an ausgeschlossen werden. Ein weiterhin kritisierter Nebeneffekt der hohen Anforderungen – hier bezogen sich die Teilnehmer häufig, aber nicht ausschließlich, auf die Richtlinien der EnEv 2014 – ist, der sprunghafte Anstieg von Fachplanern, der mittlerweile selbst bei einfachen Wohnungsbauten zu verzeichnen ist. Allgemein war man sich einig: Die wichtigste Ressource ist die architektonische Intelligenz. Die Fähigkeit von Architekten, Routinen zu hinterfragen und genau zu definieren, was bei welchen Projekt und in welcher Situation Sinn macht. Allerding muss man den Architekten dann auch innerhalb der starken Reglementierungen die Möglichkeit dazu lassen. Um zu sinnvollen neuen Ansätzen zu gelangen und die Aufgabe der Kostenreduktion gerecht auf alle Schultern der am Wohnungsbau Beteiligten zu verteilen, müssen nicht nur Planer und Bauherren, sondern auch die Politik bereit sein, die vermeintlich alternativlosen Aspekte wie Normen und Regelwerke zu diskutieren, so der Wunsch der Teilnehmer. Nur durch einen Bewertungskanon von Technik, Ressourcen, Ansprüchen und Baukultur könne man eine langfristig alle Seiten zufriedenstellende Lösungen finden. Alle gemeinsam bräuchten mehr Mut zum Experiment und zu einem neuen Denken, um auch zu wirklich neuen und zukunftsorientierten Ansätzen zu kommen. Download der Dokumentation „Architekturqualität im kostengünstigen Wohnungsbau“
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