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Marseille 2013 - neue Architektur für die Kultur (1)
Marseille ist in diesem Jahr – neben Košice in der Slowakei – europäische Kulturhauptstadt. Hier eröffnen 2013 eine Reihe von Kulturbauten, die sich entlang der Hafenareale konzentrieren. Sie sind ein kleiner Teil der großflächigen Umstrukturierungsmaßnahme "Euroméditerranée", die seit einigen Jahren das Gesicht der Hafenmeile nördlich des Viertels Panier, dem ältesten Stadtteil Marseilles, grundlegend verändert.
Vom Hangar »J1« sind es nur wenige Minuten Fußweg ins Stadtviertel Joliette. Hier wurde im März der Neubau des FRAC (Fonds Régional d’Art Contemporain) eröffnet, entworfen von Kengo Kuma. Das langgestreckte, auf der Nordseite durch einen höheren Kopfbau akzentuierte Gebäude hebt sich mit seiner eleganten Fassadenbekleidung wohltuend von der heterogenen Nachbarbebauung ab. Weiße Glastafeln, in unterschiedlichen Winkeln vor der massiven Außenwand befestigt, umspielen als leichte Hülle das große Bauvolumen über dem voll verglasten Erdgeschoss.
Im intensiven mediterranen Licht entfalten die semitransparenten Elemente eine differenzierte plastische Wirkung. Die Fassade ist quasi in Pixel aufgelöst, die unterschiedlichen Lichtstimmungen beleben das Fassadenbild. Die Glastafeln entstanden in Zusammenarbeit mit dem Glaskünstler Emmanuel Barrois, jedes Element, 63 x 126 cm groß, ist individuell verschieden, da die weiß emaillierten Punkte von Hand aufgetragen wurden.
Im Inneren überrascht das Gebäude mit dem kühlen Charme von Sichtbetonwänden, feuerverzinkten Fassadenpfosten, polierten Betonböden und Streckmetallverkleidungen. Doch erscheint deren ruppige Ausstrahlung im Zusammenklang mit den Exponaten der zeitgenössischen Sammlung angenehm zurückhaltend und betont die Ausrichtung des FRAC, das sich mehr als experimentelles Labor denn als Museum versteht.
Auf breite Zustimmung stoßen die Neugestaltungen im Vieux-Port. Hier wurde nach den Plänen von Michel Desvigne eine großzügige Esplanade für Fußgänger geschaffen, indem einerseits technische Einrichtungen auf Plattformen in das Hafenbecken verlegt, andererseits die Verkehrsführung neu geordnet und die mehrspurige Trasse auf zwei Fahrstreifen zurückgebaut wurde. Entstanden ist ein öffentlicher Raum im Herzen der Altstadt, der von Einwohnern und Touristen als städtischer Platz neu entdeckt wird. Am östlichen Rand des Hafenbeckens erkennt man erst auf den zweiten Blick ein leichtes Dach auf schlanken Stützen. Der 46 x 22 m große Stahlpavillon von Foster + Partners dient als Sonnenschutzdach und ist zugleich ein architektonisches »Folly«: Mit poliertem Edelstahl verkleidet, reflektiert die Untersicht wie ein Spiegel das Geschehen unter dem Dach und im Hafenbecken. Die Flächen verjüngen sich zum raffiniert schmalen, nur als dünne Linie sichtbaren Dachrand, der den immateriellen Eindruck des Pavillons verstärkt.
Ein bereits seit Jahren erfolgreiches Umnutzungsprojekt ist »La Friche« im Viertel La Belle de Mai unweit des Bahnhofs Saint-Charles. Das 40 000 m2 große Areal einer Tabakfabrik, das seit 1990 leer stand, wurde anfänglich von Künstlern besetzt, ist jedoch seit langem etabliert und in der alternativen Kunstszene Marseilles von großer Bedeutung. Mit Unterstützung der Stadt wurden die einstigen Fabrik- und Lagergebäude sukzessive zu einem Medien-, Kultur- und Kreativzentrum umgestaltet. Das Areal hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem kleinen Stadtviertel entwickelt, mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen, Ateliers, Restaurant, Büros, Kinderkrippe und Skaterparcours.
Seit 2001 arbeiten Matthieu Poitevin und Pascal Reynaud von ARM Architecture an diesem Projekt, mit dessen Gesamtplanung sie betraut sind. Ihr grundlegender Ansatz ist, das Gelände für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und mit Leben zu füllen, Bestandsgebäude mit wenigen Eingriffen und geringen Kosten an neue Nutzungen zu adaptieren und die baulichen Strukturen neu zu ordnen. So verwandelten sie beispielsweise eine riesige, ursprünglich dunkle Fabrikationshalle durch Dachoberlichter und große, teils mit Glas, teils mit transluzenten Polycarbonatplatten verkleidete Wanddurchbrüche in das Restaurant »Les Grandes Tables«.
Keinesfalls auslassen sollte man bei einem Marseille-Besuch eine Ikone der Moderne: Le Corbusiers Cité radieuse, die L’Unité d’Habitation. Wenn auch etwas abgelegen vom Zentrum, lohnt sich der Weg, denn öffentlich zugänglich sind nicht nur Foyer und Dachterrasse. Auch ein Restaurant und das »Hôtel Le Corbusier« mit 21 unterschiedlich ausgestatteten Zimmern laden dazu ein, eines der Hauptwerke Le Corbusiers unmittelbar zu erleben. Ab Juni wird zudem der nördliche Bereich der Dachterrasse zum Kunstzentrum: Der französische Designer Ora-Ito gestaltet das ehemalige »gymnase« zu einem Ausstellungsraum um, dabei wurden störende Ergänzungen der letzten Jahre rückgebaut und ein Teil der Fassade originalgetreu ergänzt. Hier im »MaMO« werden Künstler Arbeiten präsentieren, die in Dialog mit dem Werk Le Corbusiers treten und eine der vielen Facetten des kreativen Potenzials von Marseille zeigen.
Ein Beitrag von Claudia Fuchs
Marseille 2013 - neue Architektur für die Kultur (1)
Eine ausführliche Print-Dokumentation zum Projekt lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe DETAIL 2013/6 zum Thema »Massives Bauen«.
Weitere Informationen
www.euromediterranee.fr
www.mp2013.fr
www.fracpaca.org
www.fosterandpartners.com
www.lafriche.org
mamo.fr
www.marseille-citeradieuse.org
www.hotellecorbusier.com
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Neben den beiden Ausstellungssälen bieten zwei große Außenflächen zusätzliche Möglichkeiten: auf der Dachterrasse im ersten Obergeschoss, die direkt vis-à-vis der Balkone der anschließenden Wohnbauten liegt, und in einem zweiten, überdachten Freibereich, der »Terrasse urbaine« im Kopfbau. In dieser geschützten Outdoor-Lounge laden eigens entworfene Sitzmöbel zum Verweilen ein.
Auch im Gebäudetrakt »Les Magasins«, einem früheren Lagerhaus für Zigaretten, musste für die neue Nutzung als Ateliers zuallererst Tageslicht hereingeholt werden. Die Architekten schnitten vertikale Durchbrüche in die zweigeschossigen Stahlbetonhallen, um Lichthöfe zu schaffen. Auf dem Dach entstand eine 7000 m2 große öffentliche Terrasse mit Blick über die Stadt. Zwei angrenzende Bauten wurden 2013 eröffnet: das »Panorama«, ein neuer weißer Stahlkubus auch für großformatige Exponate und der »Tour«, ein umgenutztes Industriegebäude, das auf fünf Etagen Ausstellungsflächen bietet.