14.04.2009 Tina Seyffert

Mehr Selbstbewusstsein ist gefragt!

Im Auftrag des Dachverbandes der Architektenkammern und Verbände in Europa - Architects Council of Europe ACE - hat die in Londoner Consulting Firma Mirza & Nacey gegen Ende 2008 eine europaweite Onlinebefragung gemacht. Diese drehte sich um die Situation der Architekten und ihrer Märkte in Europa. Wir zeigen Deutschland im europäischen Vergleich.

Was sich da alles zeigt! Meistgebaute Bereiche sind in Deutschland Ein- und Zweifamilienhäuser, die Büros bestehen aus vielen Einzelkämpfern und Frauen sind Mangelware. Wem das jetzt nicht direkt behagt, der kann sich zumindest darüber freuen, dass wenigstens das Gehalt der deutschen Architekten über dem europäischen Durchschnitt liegt. Die deutsche Architektenschaft kommt relativ jung daher und ist nicht übermäßig arrogant.

Einkommen und Umsatz
In Deutschland gibt es eigentlich keinen Grund zu Jammern, das durchschnittliche Einkommen der Architekten liegt mit knapp 40.000 ? leicht oberhalb des europäischen Durchschnitts. Die höchsten Einkommen erzielen Architekten in Irland und unserem Nachbarland den Niederlanden. Und Deutschland ist zwar der größte Markt für Architekturleistungen in Europa, aber der Umsatz pro Architekt liegt hier leicht unterhalb des europäischen Durchschnitts. Die höchsten Umsätze pro Architekt werden in Großbritannien, Irland, Österreich und die Niederlande erzielt.

Mobilität und Alter
Das nach dieser Erkenntnis alle die Koffer packen und nach Holland oder Irland auswandern ist jedoch eher unwahrscheinlich, denn laut Umfrage ist Internationalisierungsgrad der Architekten in Europa ohnehin gering. Nur etwa 6% des gesamten Umsatzes wird im Ausland erwirtschaftet. In Deutschland ist dieser Anteil mit lediglich 3,5 Prozent zu beziffern. Die deutschen Architekten scheinen weniger flexibel und das obwohl sie doch zu den vergleichsweise jüngeren gehören. Architekten in Europa, insbesondere in Deutschland, sind im Verhältnis zu anderen akademischen Berufen jung. Die größte Altersgruppe in der deutschen Architekten besteht aus 35 bis 49-jährigen.

Weiblichkeit
Schade: Deutschland hat mit knapp 30% eine unterdurchschnittliche Frauenquote. Tröstlich, dass es derzeit auf den Hochschulen, also bei den Architekturstudierenden, fiftyfifty aussieht. Um gerechter zu werden gilt es nun die Gehälter möglichst anzugleichen, denn im europäischen Durchschnitt verdienen Frauen immer noch rund 40% weniger als Männer.

Angebot und Nachfrage
Diese Situation und Quote gilt es grundsätzlich zu überdenken, gerade wenn es darum geht, sich in die Wünsche und Vorstellungen der Auftraggeber hineinzuversetzen. Ganzheitliche Architektur ist weltweit gefragt. Der größte Markt für Architekten in Europa ist der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern gefolgt vom Geschosswohnungsbau. Die wichtigsten Auftraggeber sind also private Bauherren. Wenn die Aufträge knapp werden liegt es nicht immer an der vielen Konkurrenz, denn Deutschland hat zwar eine hohe, aber nicht die höchste Architektendichte in Europa. 75% der ungefähr 483.000 Architekten in Europa leben und arbeiten in Italien, Deutschland, Spanien, Türkei, Großbritannien und Frankreich.

Bürostrukturen
Direkt nach Österreich hat Deutschland mit etwa 40 Prozent den höchsten Anteil von Ein-Mann-Büros in Europa. Im europäischen Durchschnitt arbeitet rund ein Viertel aller Architekten in Ein-Mann-Büros, sind also Einzelkämpfer. Etwa vier Fünftel der Architekturbüros in Deutschland sind entweder Ein-Mann-Büros oder Kleinbüros mit bis zu 3 Mitarbeitern. Die höchsten durchschnittlichen Bürogrößen nach Mitarbeitern haben Architekturbüros in den skandinavischen Ländern, Großbritannien, Irland sowie in der Türkei.
Alleine kann man jedoch kaum ganze Projekte stemmen und darum ist auch der Anteil an freischaffenden Architekten in der gesamten Architektenschaft in Deutschland am höchsten.

Mehr Selbstbewusstsein!
In der Selbsteinschätzung ihrer Reputation gegenüber der Öffentlichkeit, Berufskollegen, Wirtschaft, oder auch öffentlichen und privaten Auftraggebern sind Architekten aus Deutschland deutlich kritischer als ihre Kollegen in anderen europäischen Ländern. Manchmal ist ein Quäntchen Stolz jedoch durchaus angebracht. Man muss ja nicht gleich Speer, Gerkan, Jahn oder Nagler nacheifern.

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