Achterbahnfahrt an der Maas
Museum Fenix in Rotterdam
24 m hoch ist die Aussichtsplattform, die MAD über den Dächern des Fenix-Lagerhauses im Rotterdamer Rijnhaven errichtet haben. © Hufton + Crow
Rund um den Rijnhaven praktiziert die Stadt Rotterdam „slow urbanism“ in seiner hoch verdichteten Form: 1993 eröffnete das Hotel New York im umgebauten Bürogebäude der Holland-Amerika-Linie seine Pforten. 2000 bauten Bolles + Wilson das Luxor-Theater am östlichen Ende des Hafenbeckens, 2013 kam das Bürohochhaus de Rotterdam von OMA hinzu. Und noch immer warten einige alte Lagerhäuser auf der Südseite des Hafenbeckens darauf, von Architektinnen und Developern wachgeküsst zu werden.


Der zweigeschossige Altbau wurde von Bureau Polderman aus Rotterdam mustergültig saniert. © Jakob Schoof
Migrationsmuseum in der alten Lagerhalle
Jetzt haben Ma Yansong und sein Büro MAD das Lagerhaus Fenix II zum ersten Museum der Niederlande umgebaut, das sich komplett dem Thema Migration widmet. Es war der erste Planungsauftrag für MAD in den Niederlanden und ist das erste Museum überhaupt, das ein chinesischer Architekt in Europa errichtet hat. Bei der Sanierung des historischen Kaispeichers ließ sich MAD durch das Rotterdamer Bureau Polderman unterstützen. Ihr Auftraggeber war die Privatstiftung Droom en Daad (deutsch: Traum und Tat).


Große Schrägverglasungen tauchen das Café in ein helles, aber blendfreies Nordlicht. © Jakob Schoof
Rotterdam als perfekter Standort
Als es 1923 errichtet wurde, galt das Lagerhaus mit einer Länge von 360 m als größter derartiger Bau in Europa. Errichtet hat es die Holland-Amerika-Linie, der Millionen von Europäern ihre Auswanderung nach Amerika zu verdanken haben. Was also könnte geeigneter sein für ein Migrationsmuseum – und welche Stadt wäre besser dafür geeignet als der früher weltgrößte Hafen Rotterdam, in dem Menschen aus 170 Ländern zusammenleben?


Die aufsehenerregende, 550 m lange Rampe nimmt im zentralen Atrium ihren Anfang. © Arch-Exist
Zwei Wege führen nach oben – und herunter
In der Mitte des Erdgeschosses gelangt man in das große Atrium, dass sich mit großen Glasfronten nach beiden Seiten öffnet – zum Ufer im Norden und zum Wohnviertel Katendrecht im Süden. Daran schließen zwei Räume mit Dauerausstellungen an, die für jedermann kostenlos zugänglich sind. Der weitaus größte Teil der Ausstellungsfläche ist in zwei großen, ungeteilten Sälen im Obergeschoss untergebracht. Dazwischen schraubt sich die Rampe empor zur Aussichtsplattform, die das Gebäude in 24 m Höhe überragt. Streng genommen handelt es sich um eine 550 m lange Doppelhelix, die zwei Wege hinauf oder hinab erlaubt: einen für den schnellen Aufstieg und einen zum gemütlichen Flanieren.


Filigrane Glaswände trennen die Ausstellungssäle im Obergeschoss vom Atrium. Die Profile der alternierend nach innen und außen zu öffnenden Türen wurden von Jansen gefertigt, einem Tochterunternehmen des Fassadenspezialisten Schüco. © Jakob Schoof
Eindrucksvolle Betonstruktur ans Licht geholt
Das Museum Fenix hat auch abseits des Atriums unbestreitbare Qualitäten. Dem Bureau Poldermann ist es gelungen, den verbauten Altbestand zu öffnen, von späteren Anbauten zu bereinigen und die eindrucksvolle Betonstruktur aus dem Jahr 1923 neu zur Geltung zu bringen. Die frisch verputzten Fassaden zeigen nun wieder ein einheitliches Bild mit lindgrün gestrichenen Schiebetüren im Erdgeschoss und großen achteckigen Fensteröffnungen im Obergeschoss. Sie sind nicht die einzige Lichtquelle: Eine große, nach Norden ausgerichtete Schrägverglasung und eine nach Süden ausgerichtete Oberlichtreihe fluten vor allem das Obergeschoss mit hellem, aber blendfreiem Licht.


Der mehr als 2200 m² große Plein bietet den Rotterdamer Bürgern reichlich Freiraum für informelle Treffen, zum Zeitungslesen und Tischtennisspielen. © Jakob Schoof
Viel Freiraum ohne Konsumzwang
Nicht nur internationale Architektur- und Kunstfreunde finden hier ein reichhaltiges Angebot. Mit einer Eisdiele, einer anatolischen Bäckerei und einem Sternelokal mit türkischer Küche löst Fenix den Anspruch der Bauherren ein, Migration nicht nur in den Ausstellungen zum Thema zu machen, sondern auch Esskulturen aus aller Welt nach Rotterdam bringen. Außerdem gibt es den „Plein“, ein über 2000 m² großes urbanes Wohnzimmer im Ostteil des Erdgeschosses. Hier finden Anwohner und Fremde einen Kiosk zum Zeitungslesen, Tischtennisplatten und eine kleine Bühne für Veranstaltungen. Viel Freiraum ohne Konsumzwang also – eine Qualität, die wohl nur durch eine Stiftung in dieser Form und in dieser Lage finanzierbar war.
Mehr dazu in Detail 9.2025 sowie in unserer Datenbank Detail Inspiration.
Architektur: MAD
Altbausanierung: Bureau Polderman
Partnerarchitekt: EGM
Bauherr: Droom en Daad Foundation
Standort: Paul Nijghkade 5, 3072 AT Rotterdam (NL)
Tragwerksplanung: IMd Raadgevende Ingenieurs
Lichtplanung: Beersnielsen Lichtontwerpers
TGA-Planung: Bosman Bedrijven
Bauphysik: LBP Sight
























