„Reichtum statt Kapital“: Architektur neu gedacht

Was wäre, wenn Architektur nicht dem Profit, sondern den Menschen und der Natur dienen würde? Die Ausstellung „Reichtum statt Kapital“ regt dazu an, diese Frage neu zu stellen, und zeigt mit den Arbeiten der indischen Architektin Anupama Kundoo Beispiele für eine alternative Architektur. Mit lokalen Materialien und traditionellen Bautechniken entwirft Kundoo ökologische, soziale und ästhetische Gebäude. Ihr Ansatz widersetzt sich dem Wachstumsimperativ und setzt auf Fülle statt Kapital. Kundoo selbst sagt dazu: „Welchen Sinn hat es, Dinge effizient zu tun, die gar nicht getan werden müssen?“ 

Anupama Kundoo nutzt die In-situ-Brenntechnik, um ein Ensemble zu bauen, das obdachlosen Kindern und ihren Pflegeeltern ein Zuhause bietet. Volontariat Homes for Homeless Children, Puducherry, 2008 © Javier Callejas

Kundoo entwirft Gebäude, die weit mehr sind als nur funktionale Hüllen. Dabei stellt sie die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt. Ihrer Ansicht nach liegt Reichtum nicht in teuren Materialien und perfekten Industrieprodukten, sondern in der neuartigen Verwendung vor Ort verfügbarer Materialien und traditioneller Techniken – eine Kombination von Hightech mit Lowtech. So werden Erde, Lehm, Stein und handwerkliches Können zu Bausteinen für innovative, nachhaltige Architektur. Ihre Projekte, wie das Wall House in Auroville, sind Versuchsräume, in denen Ideen entstehen, die später auf andere Bauten übertragen werden können. 

Poröse Wände aus Terrakotta-Modulen ermöglichen natürliche Querlüftung. Sharana Daycare Facility, Puducherry, 2019 © Javier Callejas

Die Ausstellung im Architekturzentrum Wien präsentiert Anupama Kundoos Schaffen der letzten drei Jahrzehnte und unterteilt es in acht Dimensionen von Reichtum und Fülle: Wissen, Material, Lösungen, Ansprüche, Unterschiede, Großzügigkeit, Natur und Erholung. Modelle, Pläne, Filme und Materialien laden dazu ein, Architektur mit allen Sinnen zu erleben. Viele Projekte sind in der experimentellen Stadt Auroville verwurzelt, in der Gemeinschaft statt Besitz im Zentrum steht. Kundoos Architektur macht deutlich, wie aus einfachen Mitteln reiche, zukunftsweisende Räume entstehen können. Dabei wirft sie drängende Fragen auf: Wie wollen wir in Zukunft bauen? Welche Werte sollen unsere Städte prägen? 

Lokal gefertigte Terrakotta-Kegel bilden die Grundelemente für natürlich ventilierte Gewölbedecken ohne Stahl. © Andreas Deffner

Anupama Kundoo, die ihre Laufbahn in Auroville begann und heute international tätig ist, zeigt, dass sich Elemente der Moderne, traditionelle Bauweisen und ortsspezifische Materialexperimente miteinander vereinen lassen. Anders als viele Architekturikonen, die für Macht, Kapital und Spektakel stehen, lädt ihre Architektur zum Innehalten, Auftanken und Verweilen im Moment ein. Die Ausstellung „Reichtum statt Kapital“ gibt inspirierende Antworten darauf, in welche Richtung sich das Bauen entwickeln kann und welche Werte Städte künftig prägen sollten. Sie ist ein eindringlicher Aufruf, Architektur als Verantwortung neu zu begreifen.