15.05.2013 Peter Popp

Urbanes Baumhaus: House NA von Sou Fujimoto

»In einem Haus zu wohnen ist wie in einem Baum zu wohnen«. So lautete das Motto der ersten monografischen Ausstellung zum Werk des japanischen Architekten Sou Fujimoto in Europa, die vergangenes Jahr in der Kunsthalle Bielefeld gezeigt wurde. Neben einer 1:1-Kopie seines Schlüsselwerks »Final Wooden House« (DETAIL 11/2008) befanden sich unter den Exponaten auch mehrere Modelle seines im Herbst 2011 fertiggestellten »House NA«. Architekt: Sou Fujimoto Architects, J–Tokio
Standort: Koenji, Suginami, J–Tokio

Foto: Iwan Baan

Die Anklänge an ein Baumhaus sind offensichtlich: Neben dem Gefühl grenzenloser Offenheit stellt die wandlose Struktur mit den luftig darin verteilten Ebenen für die Bewohner allerdings in jeder Hinsicht auch eine große Herausfor­derung dar. Der Kontrast zwischen der Einfachheit der kons­truktiven und gestalterischen Mittel auf der einen und der Komplexität des räumlichen Gefüges auf der anderen ­Seite eröffnet eine irritierende Fülle an Möglichkeiten. Ob diese mit einer temporären Funktion belegt werden, definieren allein die Nutzer.

Foto: Iwan Baan

"Das Faszinierende an einem Baum ist, dass die einzelnen Plätze nicht hermetisch abgeschlossen, sondern miteinander verbunden sind. Man hört Stimmen von allen Seiten, springt von einem Ast zum anderen, die Bewohner führen ihre Gespräche über mehrere Äste hinweg. Das sind sehr bereichernde Momente, die durch das Wohnen in räumlicher Dichte ermöglicht werden. Durch die Unterteilung des Bodens in einzelne Bodenplatten in der Größenordnung von Möbeln, bietet dieses Haus Wohneinheiten, die durch die räumlich-zeitliche Relativität aufeinander abgestimmt sind – einem Baum ähnlich." (Sou Fujimoto)

Grafik: Sou Fujimoto

Foto: Iwan Baan

Die Stufen zwischen den Platten werden manchmal als Sitzgelegenheiten oder Tische genutzt, manchmal auch als Vorrichtungen zur Raumaufteilung oder einfach als Sonnenschutz. Sie laden ein zu permanentem Wechsel und Veränderung. Die räumliche Flexibilität macht damit auch ein privatmaßstäbliches Angebot an das mobilitätswillige Dasein des modernen Stadtnomaden.

Foto: Iwan Baan

:"Die Stahlkonstruktion in Weiß ähnelt in keiner Weise der Erscheinungsform eines Baumes. Aber das Leben, das in diesem Haus geführt und erfahren wird, ist eine zeitgenössische Adaption an die Reichhaltigkeit des Lebens, die unsere Vorfahren geführt haben, als sie noch auf Bäumen gelebt haben. Das Haus stellt eine Beziehung dar zwischen der Stadt, der Architektur, der Möbel und dem Körper und ebenso zwischen dem Natürlichen und Unnatürlichen." (Sou Fujimoto)

Ansichten: Sou Fujimoto

Schnitte: Sou Fujimoto

Durch seine Lage inmitten eines Wohngebiets in der Tokioter Innenstadt ist Sou Fujimotos »House NA« als ideelles Baumhaus, Experiment und Provokation zugleich. Es bietet unbegrenzten Freiraum, beschwört jedoch auch den permanenten Entscheidungswillen, Leere sinnhaft zu füllen und einer fein balancierten Offenheit Richtung zu geben. Diese maximal "gläserne" Wohnform, einsehbar bis zur Durchsichtigkeit, fordert in letzter Konsequenz seine Bewohner dazu auf, sich den existenziellen Fragen des Lebens zu stellen. (Peter Popp)

Foto: Iwan Baan

Grundrisse: Sou Fujimoto

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