Hinter den Kulissen
V&A East Storehouse von Diller Scofidio + Renfro
An den Enden der Regale haben Diller Scofidio + Renfro immer wieder Vitrinen integriert, die für einen schnellen Wechsel der Ausstellungsstücke konzipiert sind. © Hufton + Crow
Das neue V&A East Storehouse ist weder ein Lager noch ein Museum, sondern eine experimentelle und optisch beeindruckende Mischung aus beidem. Die 16 000 m² große Einrichtung nimmt ein Drittel des ehemaligen Medien- und Sendezentrums der Olympischen Spiele 2012 in London ein. Man betritt sie durch eine Reihe absichtlich unauffällig gestalteter Eingangstüren. „Es ist kein typischer, bombastischer Museumseingang“, erklärt Projektarchitekt Bryce Suite, Senior Associate bei Diller Scofidio + Renfro. „Die Leute sollten sich fragen: Darf ich überhaupt hier sein?“


Die 20 m hohe Weston Collections Hall, © Hufton + Crow
Ein theatralisches Erlebnis
Das gleiche, fast beiläufige Konzept wurde auf die Lobby und das Café angewandt. Sie sind mehr Wohnzimmer und Arbeitsraum als formelles Museumsfoyer. Von hier aus führen eine Treppe und ein Aufzug in eine kurze Luftschleuse. Dahinter betritt man einen komprimierten, tunnelartigen Gang – vorbei an Reihen von Büsten und Statuen, die in Holzpaletten verschnürt sind – und gelangt direkt in die spektakuläre, 20 m hohe Sammlungshalle. Von diesem kathedralenartigen Zentrum aus kann man einige der mehr als 250 000 Objekte sehen, die auf vier Ebenen ausgestellt und gelagert werden. Durch den Glasboden fällt der Blick ins darunter liegende Erdgeschoss mit der Agra-Kolonnade aus dem 17. Jahrhundert.
„Die Einrichtung des Sammlungssaals war ein wenig wie die Entnahme einer Kernprobe bei der Gewinnung von Mineralien“, erklärt Suite. „In diesem Fall haben wir den zentralen Raum entnommen, um eine innere Piazza zu schaffen.“ Indem sie den Boden und die Palettenregale durchschnitten, schuf das New Yorker Architekturbüro eine Reihe von auskragenden Regalen und Ausstellungskisten an den Enden und Seiten der Gänge. An einigen Stellen hat das Kuratorenteam diese Regale mit Glas ummantelt, aber größtenteils sind die darin installierten Objekte zum Greifen nah. Größere Objekte wie das Kaufmann-Büro von Frank Lloyd Wright aus den 1930er-Jahren oder eine aufwendig restaurierte, verzierte Decke aus einem Renaissancepalast im spanischen Toledo werden zum ersten Mal seit Jahrzehnten ausgestellt. Dabei ist letztere erfreulicherweise von unten und oben sichtbar.


Links oben im Bild ist eine geschnitzte und vergoldete Holzdecke aus dem heute nicht mehr existierenden Torrijos-Palast in der Nähe von Toledo in Spanien zu sehen. Mit einer Größe von 6,5 m x 6,5 m x 5,6 m ist sie das größte Objekt im V&A East Storehouse. © Hufton + Crow
Antithese des konventionellen Museumsbaus
Das Planungsteam nutzte die vorhandene Tragfähigkeit der Gebäudekonstruktion, eines 8 × 8 m großen Rasters aus Stahlstützen auf einem massiven Erdgeschoss, um vier Etagen mit verstellbaren Palettenregalen sowie Metallgitterstegen mit Glasgeländern einzubauen. Das Organisationsprinzip, nach dem die Objekte in diesem hermetisch abgeriegelten Raum aufbewahrt und ausgestellt werden, richtet sich nach Größe, Form und Gewicht, erklärt Suite − und nicht etwa, wie in herkömmlichen Museen, nach Epochen, Fachbereichen oder Feuchtigkeits- und Temperaturanforderungen. Dabei ist das Herzstück des V&A Storehouse mit seinen offenen Kisten am zugänglichsten. Je weiter man zu den äußeren Rändern des Museumslagers vordringt, desto weniger öffentlich wird der Raum. Eines der vier Studios der Restauratoren verfügt über einen Glasbalkon, von dem aus Besucher dem Team bei der Arbeit zusehen können. Ein Bildschirm und ein Mikrofon ermöglichen es ihnen, Fragen zu stellen.


Die indische Agra-Kolonnade aus dem 17. Jahrhundert ist mit einem Gewicht von 18 t das schwerste Ausstellungsstück im Lagergebäude. © Hufton + Crow


Die Collection Hall ist durch konzentrische Ebenen der Zugänglichkeit gegliedert: Die mittlere Ebene ist ein eher traditionelles Archiv. © Hufton + Crow
Zwischen Arbeitsalltag und Ausstellung
Da das V&A Storehouse ein Arbeitsort und ein Museum zugleich ist, mussten die Abläufe agil und effizient gestaltet werden. Die Objekte sind leicht an Haken aufzuhängen oder in Regalen zu verstauen. Beschriftungen werden im Haus gedruckt und in die vorhandenen Metallständer eingehängt. Das bedeutet, dass die Exponate innerhalb weniger Tage ausgetauscht werden können, wenn es die Reaktion auf aktuelle Fragen erforderlich macht. „Die Kuratoren müssen nicht mehr darüber nachdenken, wie sie eine Ausstellung finanzieren können oder wie sie die Displays gestalten“, sagt Bryce Suite. „Das gibt ihnen die Freiheit, zu experimentieren und auch Fehler zu machen.“ Kaum vorstellbar, dass dies in einem traditionellen Museum möglich ist.
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Architektur: Diller Scofidio + Renfro
Bauherr: The Victoria and Albert Museum
Standort: Queen Elizabeth Olympic Park, London (GB)
Tragwerksplanung: Arup




