16.06.2014 Peter Popp

Sensibel umgebaut: Sekundarschule von CVDB Arquitectos

Amorph geformte Öffnungen, plastisch ausgebildete Fensterlaibungen und die bauliche Hervorhebung einzelner Elemente durch farbige Akzentuierung sind die auffälligsten Merkmale der neu strukturierten Schule »Braamcamp Freire«, die ursprünglich in den 1980er-Jahren am nördlichen Stadtrand Lissabons errichtet wurde. Im Rahmen eines Konjunkturprogramms zur Verbesserung von Schulanlagen entwickelten CVDB Arquitectos ein intelligentes Konzept, das auf klare Raumhierarchien verzichtet, zugunsten einer inspirierenden funktionalen Mehrdeutigkeit. Architekten: CVDB Arquitectos, Lissabon
Standort:
Rua de Gama Barros, 1697-002 Pontinha, Lissabon

Foto: invisiblegentleman.com

Am nördlichen Rand der 20 000 Einwohner zählenden Gemeinde Pontinha liegt die 1986 errichtete »Braamcamp Freire Escola Secundária«. Zwanzig Jahre lang wurde der Schulalltag hier dominiert von standardisierter Tristesse. Kubische Pavillons aus Betonfertigteilen standen mehr oder weniger beziehungslos nebeneinader, verbunden nur durch lieblos eingeschobene Überdachungen. Glücklicherweise entsprach der Ausstattungsstandard nicht mehr den heutigen Anforderungen an eine Bildungseinrichtung für über 1000 Schüler. So konnte die Schule Aufnahme in das 2007 ins Leben gerufene portugiesische Konjunkturprogramm zur Modernisierung von Schulanlagen beantragen. Das intelligente Konzept von CVDB Arquitectos unterzieht den Bestand einer behutsamen und kosteneffizenten Neustrukturierung. Die vorhandene Bausubstanz wird dabei weitestgehend erhalten, punktuell ergänzt und zu einem formal einheitlichen Ensemble verschmolzen. Neue Gebäudeteile umfangen die bestehenden Pavillons und öffnen das Gebäude durch großzügige Aufständerung zur angrenzenden, noch unbebauten Landschaft mit Talblick.

Lageplan mit bestehender Bebauung (hellgrau) und Ergänzungsgebäuden (dunkelgrau), Grafik: CVDB Arquitectos

Für die integrative Neuausrichtung mussten lediglich zwei der ehemaligen Pavillons weichen. Dies ermöglichte die Einrichtung eines zentralen Freibereiches, der durch moderate Geländemodulierung einen fließenden Übergang zwischen »Lernstraße« und topografischem Gefälle herstellt und unter einem Gebäuderiegel im Norden hindurchfließt. Dieser komplett neue Klassenzimmertrakt wird getragen durch Betonscheiben mit unterschiedlich großen, amorph geformten Durchlässen. So treppt sich der neue »Lernplatz« fast wie ein überdachtes Amphitheater in Richtung Natur und bietet den Schülern einen witterungsgeschüzten, schattigen Bereich mit vielfältigen Sitzgelegenheiten und der Möglichkeit zu zwangloser Kommunikation.

Neu geschaffener zentraler Freibereich, Foto: invisiblegentleman.com

Unter dem aufgeständerten neuen Klassentrakt wurde ein fließender Übergang zur angrenzenden Landschaft modelliert. Foto: invisiblegentleman.com

Witterungsgeschützer Treffpunkt unter dem neuen Klassentrakt, Foto: invisiblegentleman.com

Kommunikative Nischen, Foto: invisiblegentleman.com

Die Entscheidung, das vorherrschende Material auch für die neuen Bauteile zu verwenden, mag auf den ersten Blick verwundern, werden Betongebäude aus den 70er und 80er-Jahren doch gerne ausgiebig mit dem Stigma der Unwirtlichkeit belegt. In diesem Fall erweist sich das Bekenntnis zum Baustoff jedoch als wahrer Glückfall: Neben ganz pragmatischen Vorteilen wie Rückgriff auf vorhandene Strukturen und geringere Kosten, reagieren die neuen, teils vorfabrizierten, teils vor Ort gegossenen Fassadenelemente mit formaler Raffinesse auf Fragen der Wirtschaftlichkeit: Skulptural ausgebildete, trichterförmige Fensteröffnungen reduzieren den Wärmeeintrag der portugiesische Sonne auf ein verträgliches Minimum uns sorgen für blendfreie Arbeitsbedingungen im Klassenraum. Die schräg geschnittenen, einseitig in die Farben Rot, Blau und Gelb getauchten Seitenwände der Fensterlaibungen wenden sich von der direkten Sonneneinstrahlung ab und bewirken, dass das Gebäude aus der Frontalperspektive eher geschlossen wirkt. Nähert man sich von der Seite, wirkt die Fassade offener.

Trichterförmige, vorfabrizierte Fensterelemente reduzieren die direkte Sonneneinstrahlung praktisch auf Null. Foto: invisiblegentleman.com

Die farbigen Seiten der Fensterlaibungen verleihen der Fassade eine freundliche Anmutung. Foto: invisiblegentleman.com

Die bestehende Ost-West-Achse transformieren Cristina Verissimo und Diogo Burnay in eine »Lernstraße«. Auf den verschiedenen Ebenen sorgen unterschiedlichste Nutzungen wie Bibliotheken, Gemeinschaftsbereiche, Schülerbüros und die einzelnen Fachbereiche für ein vielfältiges und bildungsstarkes Angebot.

Grundriss EG: Klassenräume (rot), Sozialbereiche, Mensa (gelb), Bibliothek, Mehrzwecksaal (grün), Sportanlagen (orange), Verwaltung (blau), Grafik: CVDB Arquitectos

Grundriss OG: Klassenräume (rot), Verwaltung (blau), Grafik: CVDB Arquitectos

Schnitt, Grafik: CVDB Arquitectos

Schnitt, Grafik: CVDB Arquitectos

Auch die Innenräume werden vom Material Sichtbeton dominiert. Die monochrome Ordnung wird jedoch insbesondere in den gemeinschaftlich genutzten Bereichen und Erschließungselementen aufgebrochen und durch großflächig eingesetzte Akzentfarben an Treppengeländern, Decken und Wänden kontrastiert. In den Klassenzimmern bleibt die Farbskala – außer bei den gelben Akustikdecken – neutral, der Fokus liegt hier eindeutig auf fokussierter Konzentration.

Farbig akzentuierte Oberflächen.....

...in den Erschließungsbereichen.
Fotos: invisiblegentleman.com

helle Flure als Begegnungsstätte
Foto: invisiblegentleman.com

zweigeschossige Mehrzweckhalle
Foto: invisiblegentleman.com

Trichterförmiger Lichteinfall....
Foto: invisiblegentleman.com

.....im zentralen Treppenhaus.
Foto: invisiblegentleman.com

Foto: invisiblegentleman.com

Ruhige Lernatmosphäre im Klassenzimmer
Foto: invisiblegentleman.com

Foto: invisiblegentleman.com

Fazit
Geschickt in die bestehenden Strukturen implantierte neue Räumlichkeiten ergänzen und verbinden die ehemals nüchtern zueinander stehenden Pavillonbauten der »Braamcamp Freire Escola Secundaria« und laden zum informellen Austausch ein. Im besten Falle könnten die Bewegungsräume selbst zum anregenden »Lernraum« werden. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Alt und Neu verbinden, die Schule sich dabei zur Umgebung öffnet und mit ihr verbindet, schafft beste Voraussetzungen für einen inspirierenden Schulalltag.


Bauherr:
Parque Escolar, E.P.E.
Architekten: CVDB Arquitectos
Team: Cristina Veríssimo, Diogo Burnay, João Falcão, Rodolfo Reis, Joana Barrelas, Tiago Santos, Adam Pelissero, André Barbosa, , Ângelo Branquinho, Ari Nieto, Guilherme Bivar, Hugo Nascimento, Inês Carrapiço, Irune Ardanza, José Maria Lavena, Leonor Vaz Pinto, Luigi Martinelli, Miguel Travesso, Silvia Amaral, Silvia Maggi

Farbplanung:
João Nuno Pernão
Landschaftsarchitektur: F&C Arquitectura Paisagista
Tragwerksplanung: AFA Consult

Generalunternehmer: Seth Consortium
Bauleitung: Tecnoplano Bruttogeschossfläche: 15.800 m2
Fertigstellung: 2013

Weitere Projekte zum Thema »Bauen mit Beton« finden Sie in unserer Ausgabe
DETAIL 2014/6
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