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Atelier wird Labor: Perspektiven der Architekturausbildung
Held? Märtyrer? Führer? Welche Rolle spielt der Architekt künftig in der Gesellschaft? Welche Fragen und Aufgaben werden Architekten in Zukunft beschäftigen? Und wie können Universitäten und Hochschulen sie darauf vorbereiten? Genau dies erforschte der IAES International Architecture Education Summit, eine im Jahr 2008 von Hitoshi Abe ins Leben gerufene internationale Konferenz von Architekturdozenten, in seiner dritten Ausgabe im September 2013: ein Schlaglicht auf die Veranstaltung, die diesmal von AEDES/ANCB in Berlin ausgerichtet wurde.
Eine Million. Das war die Zahl, die während des zweitägigen Symposiums immer wieder fiel. Eine Million Architekturstudenten gibt es weltweit. Aber: Soll man sich nun darüber freuen, dass zumindest die Popularität des Architektenberufs weiter ungebrochen ist – und damit anscheinend auch die Relevanz der Auseinandersetzung mit Architektur? Oder stellt sich angesichts einer solchen Masse an Studenten vor allem die Frage, was all diese Architekten in Zukunft tun werden? Neben zehn individuellen Positionen so genannter „Master“ – international tätiger, namhafter Architekturdozenten –, gaben die Veranstalter mit der Gliederung des Summit in drei Themenfelder bereits die Richtung der Antworten auf diese Fragen vor: 1. Die Rolle alternativer Architekturausbildungsstätten, 2. Interdisziplinäre Strategien in der Architekturausbildung, 3. Kollaboration zwischen Architekturausbildung und nicht-akademischen Partnern.
Die Frage der Selbstdefinition des Architekten und seine Rolle in der Gesellschaft blieb einer der wichtigen Themenstränge der Konferenz. Nikolaus Hirsch (Städelschule Frankfurt) brachte in seinem Statement die Position des Architekten zwischen Autor und Dienstleister ins Spiel, der Architekten jenseits des „Starchitectureship“ unterworfen sind. Bereits zur Architekturbiennale 2010 hatte ja Rem Koolhaas in seiner Ausstellung „Cronocaos“ die Schwächung der politischen Relevanz des Architekten bei gleichzeitiger Steigerung seiner Prominenz („Starchitects“) anhand einer eindrücklichen Grafik illustriert. Einen Ausweg aus dieser Falle der glamourösen Bedeutungslosigkeit sieht Nikolaus Hirsch darin, als Architekt alle unterschiedlichen, auch widersprüchlichen Medien zu nutzen – vom Gebäude über die Ausstellung bis zur Publikation.
Hubert Klumpner, unter anderem Dekan der Architekturfakultät der ETH Zürich, findet ebenfalls, dass es Zeit ist für die Architekten, verstärkt politische und soziale Verantwortung zu übernehmen: Er sieht den Architekten in der Führungsrolle („Leadership“), der künftige soziale Probleme – auch auf internationaler Ebene – voraussieht und interdisziplinäre Strategien zu ihrer Lösung entwickelt. Das von ihm mitverantwortete Projekt Torre David – eine zum Wohnturm umgenutzte Hochhausruine in Caracas – wurde 2012 mit dem Goldenen Löwen der Architekturbiennale Venedig ausgezeichnet. Wichtig ist Klumpner aber vor allem, den Finanzsektor in die städtebauliche Planung einzubeziehen – sowohl für große infrastrukturelle Projekte als auch für weitere existentielle Bereiche wie Landwirtschaft oder Wohnungsbau.
Interdisziplinarität war ein weiteres Themenfeld, das nach einhelliger Meinung die Zukunft des Architektenberufs prägen wird. Dies ist zunächst nicht überraschend, geht doch die klassische Architektenausbildung schon in Richtung des interdisziplinär denkenden Generalisten, der sich in viele unterschiedliche Lebens- und Arbeitsbereiche hineinversetzen können muss, um dann dafür und die konkrete räumliche Situation eine gestalterische Lösung zu finden. Doch außer Hubert Klumpner, der diese Kompetenz des Architekten im politischen Rahmen weiterdenkt, streiften nur Mathias Klotz oder Yoshiharu Tsukamuto diesen Aspekt, ansonsten wurde eine Weiterentwicklung der interdisziplinären kulturellen Leistung des Architekten auf dem IAES nicht weiter vertieft. Der Fokus lag hier vielmehr auf dem technischen Bereich: So machten sich Chris Luebkemann von Arup oder Wolfgang Schäffner von der Humboldt Universität für einen verstärkten Austausch mit der Ingenieurstechnik respektive den Informationstechnologien stark. Die Künstlerin Elena Agudio, die ein interdisziplinäres Projekt zur Erforschung von Kunst und Neurowissenschaften verantwortet, brachte die medizinische Seite ein. Und für Mette Ramsgaard Thomsen vom Zentrum für Informationstechnologie und Architektur CITA an der königlichen Kunsthochschule in Kopenhagen ist es selbstverständlich, dass Architekten dank Computing künftig nicht nur Materialien aussuchen, sondern im Molekularbereich selbst neue Materialien entwickeln werden. Zum Thema Interdisziplinarität war auf dem IAES also eine Tendenz der „Verwissenschaftlichung“ von Architektur zu beobachten, bei der die Architekturproduktion immer weiter weg vom „Atelier“ in Richtung „Labor“ rückt.
Architektur als kulturelle Praxis wurde beim IAES eher unter dem Aspekt der Stadtplanung diskutiert, von Joachim Declerck (Architecture Workroom, Brüssel) zum Beispiel, der sich mit Städtewachstum und Verdichtung beschäftigt. Oder als soziale Praxis wie bei dem Studentenprojekt 1:1 aus Johannesburg: Hier errichteten Studenten gemeinsam mit den Bewohnern ein Gemeinschaftshaus in Soweto. Solche Projekte „aus dem echten Leben“ als Ergänzung zur akademischen Ausbildung waren auch das Thema des vorletzten Panels des IAES.
Die letzte Diskussionsrunde spannte erneut den Bogen zu den Fragen der Lehre, wobei die anfängliche Polarisierung zwischen „traditionellem Curriculum“ und projektorientierten Forschungsprojekten in den Konsens mündete, beides zu brauchen. Winy Maas machte sich für eine bessere didaktische Ausbildung der Dozenten, mehr Transparenz und bessere Evaluierungsprozesse in der Architekturlehre stark, Christoph Gengnagel (UdK Berlin) schilderte seine Erfahrungen mit so genannten „Table Reviews“ in der UdK, bei denen Studenten und Professoren gemeinsam das vergangene Semester bewerteten. Diskutiert wurde auch die Frage klassischer Meister-Schüler-Beziehungen, deren Untersuchung in der Architekturgeschichte noch aussteht: Während zum Beispiel Tatjana Schneider (University of Sheffield) in ihrem Beitrag „Shaking up Alberti“ die „Heldenrolle“ des „Architektur-Meisters“ kritisch hinterfragt hatte und zu Gunsten kooperativer Strukturen als überholt ansieht, betonte Winy Maas, dass gerade starke Persönlichkeiten wie Aldo van Eyck das Studium in Delft interessant gemacht hätten; er selbst habe seine eigene Haltung in der Kontroverse gefunden: indem er nämlich einfach immer genau das Gegenteil von dem gemacht hätte, was ihm sein Lehrer geraten habe. (Cordula Vielhauer)