DETAIL Klima Forum in München
Bauen für Morgen

Von links: Franziska Meisel, Robert Platje, Jeanette Kunsmann und Søren Pihlmann beim Klima Forum am 5. Juni 2025 im Occhio Experience Center, © Tim Petersen
Sollten junge Menschen heute noch Architektur studieren? Diese Frage wurde beim Detail Klima Forum aufgeworfen, das im Occhio Experience Center in München am 5. Juni 2025 stattfand. Die Antwort fiel eindeutig aus und sie spiegelte die optimistische Grundstimmung dieses Nachmittags wider: „Unbedingt“ – antworteten Franziska Meisel, Global Director Landscape bei Henning Larsen, Robert Platje, Project Manager und Partner bei Mei Architects und Planners, Søren Pihlmann von Pihlmann Architects und Rebecca Waerde von Heidelberg Materials.


von links: Søren Pihlmann, Rebecca Waerde, Jeanette Kunsmann, Franziska Meisel und Robert Platje bei der anschließenden Podiumsdiskussion. © Tim Petersen
„Nice projects with nice people“
Die Zeit sei ideal für „nice projects with nice people“, sagt Robert Platje. Heute sei man besser vernetzt, die Zusammenarbeit mit vielen Bauherren – insbesondere in den niederländischen und dänischen Büros – finde auf Augenhöhe statt. Auch bei sehr großen Projekten seien wieder kontextbezogene Lösungen möglich. Auch Franziska Meisel sieht die Rolle der Architektinnen und Architekten im Wandel. Die zentrale Frage laute heute: Was können wir für die Natur tun? Wie Platje spricht sie vom kulturellen Umdenken und dem wachsenden Fokus auf Nachhaltigkeit, Standort, Menschen und Biodiversität. Es sei heute die beste Zeit, Architekt zu sein, sagt Søren Pihlmann. Dazu passt seine undogmatische, beinahe spielerisch und lustvoll anmutende Arbeitsweise.


Søren Pihlmann spricht bei seinem Vortrag über den diesjährigen Dänischen Pavillon der Architekturbiennale 2025 in Venedig und über sein Projekt Thoravej 29 in Kopenhagen. © Tim Petersen
Radikale Transformation
„Wir suchen den Wert im scheinbar Wertlosen“, sagt Søren Pihlmann von Pihlmann Architects. Der Architekt beeindruckt mit seinem furiosen Plädoyer für radikale Transformation. Was genau gemeint ist, veranschaulicht auch der dänische Pavillon auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig, den sein Team aus Kopenhagen kuratiert hat. Philmann Architects haben das Gebäude mit schwerem Gerät in eine Art Rohbauzustand zurückversetzt. Sämtliche Materialien sind akribisch inventarisiert und gelagert, um sie direkt im Anschluss an die Biennale für die ohnehin fällige Sanierung wiederzuverwenden. Den gleichen unkonventionellen Ansatz verfolgte Søren Pihlmann bei Thoravej 29, einem alten Industriegebäude in Kopenhagen, das von Grund auf neu gedacht wurde. Der Architekt überzeugte den Bauherrn, eine Stiftung, das Projekt als eine Art Fallstudie zu betrachten, aus der andere lernen können. Auch hier wurde alles, was sich wiederverwenden ließ, umgewandelt: Betonfragmente und Stahl wurden zu Treppen und Möbeln, ehemalige Fassadenziegel zu Bodenbelag, und Holzreste zu Tischen und Regalen. Thoravej 29 ist heute ein Ort für soziale Initiativen, der die Zivilgesellschaft, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen vernetzt.


Robert Platje, Architekt bei Mei Architects and Planners, präsentiert sein Projekt „Sawa“ in Rotterdam. © Tim Petersen
Urbaner Holzbau Sawa in Rotterdam
Robert Platje von Mei Architects and Planners zeigte beim Klima Forum, wie nachhaltiges Bauen in der Stadt gelingen kann. Sein Projekt Sawa in Rotterdam ist ein konsequent in Holzbauweise entwickeltes Wohnhaus – ressourcenschonend, CO₂-bindend und auf zirkuläre Prinzipien ausgelegt. Der Name Sawa verweist auf die Form des Gebäudes, die an indonesische Reisterrassen erinnert. Es steht am Hafen, von dem früher Schiffe nach Südostasien ausliefen. Heute steht es für ein neues, gemeinschaftliches Wohnen: offen, grün und lebendig. Die Wohnungen gruppieren sich um große, bepflanzte Terrassen. Einige Bereiche sind öffentlich zugänglich, andere fördern gezielt das Zusammenleben der Bewohnerinnen. Ein zentrales Ziel war es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der unterschiedliche Nutzergruppen anspricht. Das Haus wurde flexibel geplant: Leichte Innenwände aus Gips lassen sich einfach versetzen, ganz ohne Leim – so bleiben spätere Anpassungen problemlos möglich. Die nährstoffreiche Erde aus dem Bauaushub kam hier erneut zum Einsatz – als fruchtbare Grundlage für eine Dachbegrünung. In enger Zusammenarbeit mit Botanikern wurden außerdem 140 Nistkästen integriert, um gezielt die Biodiversität zu fördern. Robert Platje betont: „Architektur ist der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel.“ Mit dem Projekt Sawa soll nicht nur ein konkreter Beitrag zur ökologischen Transformation geleistet werden, sondern auch ein Impuls zum Weiterdenken entstehen.


Franziska Meisel, Landschaftsarchitektin bei Henning Larsen, regt in ihrem Vortrag zum „Bauen für die Natur“ an. © Tim Petersen
Integriertes Seniorenwohnprojekt in Singapur
In einem dicht bebauten Umfeld entstand ein Ort, der nicht nur soziale Teilhabe ermöglicht, sondern auch gezielt die Biodiversität fördert. Mit 730 Bäumen, 80 000 Sträuchern und 140 Nistkästen folgt die Bepflanzung einem klaren ökologischen Konzept. Auch Franziska Meisel von Henning Larsen, stellte beim Forum ein Projekt vor, das den Anspruch an zukunftsorientiertes Bauen besonders eindrucksvoll erfüllt: das integrierte Wohnprojekt „Kampung Admiralty“ in Singapur. Dabei geht es nicht nur um Ästhetik, sondern vor allem um Verschattung, Wasserspeicherung und Artenvielfalt. Für Meisel ist Biodiversität ein zentrales Thema, das bisher oft hinter der Klimakrise zurücksteht. Dabei bildet die Natur die eigentliche Grundlage für Gesellschaft und Wirtschaft. Ihre Arbeit zeigt, dass Landschaftsarchitektur in Zeiten des Klimawandels zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Gestaltung von Freiräumen, Wassersystemen und grüner Infrastruktur rückt dabei stärker ins Zentrum. Gleichzeitig bringt sie eine neue, rauere Ästhetik mit sich, die konventionelle Vorstellungen von Ordnung und Pflege infrage stellt. Natur muss nicht perfekt aussehen, um wirksam zu sein. Sie muss funktionieren.
Wir danken unseren Sponsoren Heidelberg Materials, Envola, Occhio, Etex, Promat, Siniat und Artek, die das Forum als Aussteller und mit Vorträgen bereichert haben. Das kommende DETAIL Klima Forum wird voraussichtlich Anfang Oktober 2025 in Düsseldorf stattfinden.
Text: Zoe Scholz und Heike Kappelt