Architekturbiennale 2025 in Venedig
Weltrettung aus dem 3D-Drucker?

„The Other Side of the Hill“ heißt diese Installation gleich zu Beginn der Hauptausstellung im Arsenal von Venedig. Konzipiert wurde sie von Geoffrey West, Roberto Kolter, Beatriz Colomina, Mark Wigley und Patricia Urquiola. © Jakob Schoof
Wenn man dem Stadtplaner Carlo Ratti, Direktor des Senseable Cities Lab am MIT, Glauben schenkt, wird der Mensch seine Behauptungen in nicht allzu ferner Zukunft von künstlicher Intelligenz entwerfen lassen und mit dem von 3D-Drucker herstellen. Das zumindest suggeriert die von Ratti kuratierte, zentrale Ausstellung der diesjährigen Architekturbiennale im Arsenal von Venedig.
Viel Technikeuphorie, wenig Praxisbezug
Forscherteams aus aller Welt stellen dort ihre Materialexperimente mit Bioalgen, Pizmyzel und neuartigen Betonmixturen her, wahlweise in Form riesiger Termitenhügel, wuchernder Bodendecker oder Skulpturen, die an außer Kontrolle geratene Laborexperimente erinnern. Als künstlerische Versuche mögen die meisten dieser Installationen noch durchgehen, aber einen Bezug zum Bauen lässt sich oft erst auf den dritten Blick erkennen.


Im kanadischen Pavillon werden Skulpturen aus 3D-gedrucktem Sand allmählich von Bakterien verfestigt. © Jakob Schoof
Dennoch entsprechen diese Experimente dem Geist einer Zeit, die das Bauen komplett neu erfinden will – mit nachhaltigeren Materialien und anderen Fertigungsmethoden als bisher. Fraglich ist in den meisten Fällen allerdings ihre Skalierbarkeit. Das beginnt bei der Verfügbarkeit von Industrierobotern und endet bei der Zeit, die Mikrobenkulturen benötigen, um Sand betonhart zu verfestigen. Das strebt zumindest das Living Room Collective als Kuratorenteam des kanadischen Pavillons, mit seiner Installation „Picoplanktonics“ an. Die Skulpturen – aus dem 3D-Drucker, was sonst – sind faszinierend anzusehen, das Material jedoch zum Bauen völlig unbrauchbar.


Im dänischen Beitrag „Build of Site“ macht Søren Pihlmann die Baukonstruktion des Pavillons selbst zum Thema. © Marco Zorzanello
Bauarbeitern über die Schulter geschaut
Es war zu erwarten, dass Carlo Rattis Technikeuphorie auch auf einige nationale Beiträge in den Pavillons der Giardini abfärben würde. Andere dagegen behandeln das Thema Material deutlich bodenständiger – indem sie von der ohnehin vorhandenen Substanz eines Bauwerks ausgehen. Beispielhaft sei hier Søren Pihlmanns Beitrag „Build of Site“ im dänischen Pavillon genannt. Der Architekt erhielt zeitgleich mit der Ernennung als Kurator auch den Auftrag zur Ertüchtigung des Bauwerks selbst. Oder genauer: zum hochwassersicheren Umbau von dessen 1958 durch Peter Koch errichteten Erweiterung. Mit chirurgischer Präzision gingen Pihlmann und sein Team an den Rückbau heran, demontierten Fenster und Bodenbeläge und zersägten die Bodenplatte aus Beton. Während der Biennale pausiert die Baustelle. Alle demontierten Einzelteile sind – soweit möglich – sortenrein getrennt im Gebäude ausgestellt. Nach der Ausstellung sollen sie dort wieder eingebaut werden – die ertüchtigen Fenster an Ort und Stelle, die zerbrochenen Bodenplatten als Zuschlagsstoff im neu eingebrachten Terrazzoboden.


Die Ausstellung „Internalities“ im spanischen Pavillon wendet ihren Blick den Ressourcen der eigenen Heimat zu. © Luca Capuano
Ressourcennutzung vor der eigenen Haustür
Auch der spanische Pavillon führte mit der von Manuel Bouzas Barcala und Roi Salgueiro Barrio kuratierten Ausstellung „Internalities“ vor, wie CO2-sparendes Bauen praktisch funktionieren kann. Sei es mit regionalem Sandstein und vor den Küsten geernteten Seegras von den Balearen oder mit ungebrannten Lehmsteinen aus Katalonien. Hergestellt werden sie zumeist von kleinen Familienbetrieben, verarbeitet von qualifizierten Handwerkern statt von Algorithmen in 3D-Druckern. Ein Modell für die ganze Welt? Die Baumaterialien mögen überall unterschiedlich sein. Die zugrunde liegende Denkweise, sich zunächst auf die Ressourcen vor der eigenen Haustür zu konzentrieren, ist jedoch uneingeschränkt übertragbar.
Ausstellung: 19. Biennale Architettura 2025
Ausstellungsort: Venedig (IT)
Ausstellungsdauer: 10. Mai bis 23. November 2025
Öffnungszeiten: Täglich außer Montag, 11-19 Uhr
Weitere Informationen: labiennale.org