17.02.2010 Marion Dondelinger

Andere Zeiten, andere Länder, andere Bäder

Brüche und abrupter Wandel prägen die Geschichte des Bades. Und auch heute lassen sich an keinem Wohnraum kulturelle Unterschiede so gut ablesen wie am Bad, Globalisierung und zunehmend einheitlicher Lebensstile zum Trotz.

Wellness und Entspannung gewinnen immer mehr Bedeutung im Bad, einem Ort der ursprünglich der Reinigung und Erleichterung vorbehalten war. Diese Entwicklung ist für uns, die wir noch mit dem Begriff der „Nasszelle“ und dem Konzept des „Samstagbads“ vertraut sind, relativ neu. Und ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass wir in puncto Wellness von den Römern noch einiges lernen können.

Schon 2000 vor Christus trifft man auf eine erste, an unsere heutigen Bäder erinnernden Sanitäranlage. Der Palast von König Minos auf der griechischen Insel Kreta verfügte über Räume mit Badewannen, Zisternen und Waschbecken. Auch findet man hier eine der ersten bekannten Spültoilette der Geschichte. Doch im griechischen Alltag spielte das Baden kaum eine Rolle. Es galt als Bestandteil der körperlichen Ertüchtigung und war stark an sportliche Aktivitäten geknüpft.

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Erst in Rom entwickelte sich eine Badekultur, die bis dahin unbekannte Ausmaße annahm. An ihrem Anfang im zweiten Jahrhundert vor Christus standen öffentliche Dampfbäder mit Tauchbecken. Später kamen Räume mit unterschiedlichen Temperaturen hinzu, ermöglicht durch die Entwicklung des Hypocaustensystems. Obwohl die meisten wohlhabenden Römer auch private Bäder besaßen, besuchten sie die öffentlichen Thermen. Denn neben der körperlichen Fitness hatte das Baden eine wichtige soziale Funktion. Ähnlich wie in unseren heutigen Freizeitzentren gab es in den Anlagen neben Ruheräumen, Umkleideräumen und beheizten Schwimmbecken zudem Trainingsbereiche, Bibliotheken, Geschäfte und Gärten.

Fast genau so fortschrittlich war die Versorgung mit öffentlichen Latrinen im alten Rom: Im dritten Jahrhundert gab es etwa 300 Einrichtungen dieser Art. Auch wurde damals schon Grauwasserrecycling in großem Maßstab betrieben: Die Latrinen in den Soldatenunterkünften wurden mit den Abwässern der öffentlichen Bäder gespült. Nach und nach eroberte die römische Badekultur auch die Kolonien und Provinzen. Doch mit dem Zerfall des römischen Reiches verfielen auch die jetzt kaum noch genutzt römischen Thermenanlagen in den westlichen Gebieten des Reiches. Im östlichen Teil hingegen,dem Byzantinischen Reich verschmolzen die römischen Badetraditionen mit den islamischen.

Quelle: Meyers Konversationslexikon, 1888

Foto: Dr.Rudolf Schandalik

Das europäische Mittelalter ist in Europa eine dunkle Epoche, auch in Bezug auf die Badekultur. Lediglich Klöster waren teilweise mit überdurchschnittlich guten Bädern und sanitären Anlagen ausgestattet. Der Rest der Bevölkerung wusch sich selten. Ob es allerdings Wirklichkeit oder Legende ist, dass ein durchschnittlicher Mensch in seinem Leben nur ein einziges Bad – üblicherweise im Monat Mai vor seiner Hochzeit – nahm, bleibt ungeklärt. Die Ursachen für die primitive Badekultur im Mittelalter liegen in einen Mangel an technischem Sachverstand, gepaart mit einem tiefen Misstrauen gegenüber allem Körperlichen und Eitlen.

Im Spätmittelalter jedoch erlebt die Badekultur eine kurze Blütezeit: Das gemeinsame Bad wurde in Adelskreisen zum Hofzeremoniell. Es galt als Zeichen der Gastfreundschaft, Gäste vor einem Festmahl zum Baden einzuladen. Zudem kam beim Adel die Mode auf, Besuch im Badezuber zu empfangen. Doch schon zu Ende des 16. Jahrhunderts hörte man in Mitteleuropa wieder auf, aus hygienischen Gründen zu baden.

Im 17. Jahrhundert ersetzte man das Waschen durch die „Toilette“ und wahrte mit Hilfe von Puder, Perücken, Parfums sowie aufwändiger Kleidung einen oberflächlichen Anschein von Reinlichkeit. Der Toilettentisch wurde zum wichtigsten Sanitärgegenstand, die Badewanne diente nur noch Repräsentationszwecken. Das schon 1589 in England erfundene Spülklosett konnte sich erst im 18. Jahrhundert in der Oberschicht durchsetzen. Zudem kamen jetzt die „modernen“ Badewannen aus Metall auf. Gerne wurde in Gesellschaft gebadet, beispielsweise im Salon.

Die Landflucht zu Zeiten der Industriellen Revolution führte zu alarmierenden hygienischen Verhältnissen in den großen Städten. Mitte des 19. Jahrhundert sahen sich Großstädte wie London, Paris und Hamburg dazu gezwungen, erste zentrale Kanalisationssysteme zu installieren. Rohrnetze versorgten nun öffentliche Zapfstellen und Haushalte mit Trinkwasser. Erstmals wurden wieder öffentliche Bade- und Waschhäuser eröffnet, so dass sich die allgemeine Hygiene verbesserte. Reinlichkeit gewann an Bedeutung und wurde in der öffentlichen Meinung mit moralischer Rechtschaffenheit und sozialem Status gleich gesetzt. Ihr wurde allerdings noch kein separater Raum gewidmet: Die Küche wurde zum improvisierten Waschraum, denn hier befanden sich die Zapfstelle und der Herd zum Erhitzen des Waschwasseres. Im Schlafzimmer richtete man sich mit Krug und Porzellanschüssel eine Waschstelle ein. Erst um 1900 gab es auch in Bürgerhäusern separate Badezimmer mit Badewanne und Waschbecken.

Quelle: aboutpixel.de / © maçka

In der Weimarer Republik gab es sich die zahlreiche gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften mit dem Ziel, Kleinwohnungen für die ärmeren Bevölkerungsschichten zu schaffen und diesen hygienische Wohnverhältnisse zu bieten. Aus Kostengründen ließ sich das Ideal eines Bads pro Wohneinheit meist nicht realisieren. Aber selbst die gemeinschaftlich zu nutzenden Waschküchen mit Bademöglichkeit waren ein großer Fortschritt. Mitte der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts verfügten jedoch immer noch weit weniger als die Hälfte aller Haushalte in Deutschland über eigene Badegelegenheiten.

Nach einem Rückschlag durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, trugen die Phase des Wiederaufbaus und das Wirtschaftswunder dazu bei, dass in den siebziger Jahren das eigene Bad auch in Deutschland eine Selbstverständlichkeit war. Mit Erfindung der Brausestange wurde das morgendliche Duschbad alltäglicher. Nach und nach eroberten Gästetoiletten und Gästebad Einfamilienhäuser und Wohnungen. Die anfangs noch betont funktionale Nasszelle entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einem gleichwertigen Wohnraum.

Quelle: Deutsche Fotothek

Betrachtet man sich die Sanitärstandards verschiedener Ländern genauer, sind noch viele Unterschiede zu bemerken, trotz Globalisierung immer. Oft sind es nur kleine Details, wie zum Beispiel der Hebel der Toilettenspülung, der in Amerika immer links angeordnet ist – und nicht rechts, wie bei uns. Manchmal sind es aber ganze Sanitärobjekte, die weggelassen werden. Wie beispielsweise das Bidet, das Anfang des 18. Jahrhunderts in Frankreich erfunden wurde. Sein Gebrauch wurde in Amerika lange Zeit als „unanständig“ erachtet, so dass es sich dort bis heute nicht durchsetzten konnte. Ganz anders die Situation in Südeuropa: In Italien würde man eher auf die Badewanne als auf das Bidet verzichten, sollte der Platz im Bad nicht ausreichen.

Hierzulande wurde die englische Sitte, das Bad mit Teppichboden auszustatten, stets als unhygienisch empfunden. In Großbritannien hingegen war das gemütliche Bad mit flauschigem Boden im Bad Normalität. Doch ist diese Tradition, genauso wie das Waschbecken mit zwei Wasserhähnen, jeweils für Warm- und für Kaltwasser, vom Aussterben bedroht. Bei Renovierungen und Neubauten werden inzwischen auch in Großbritanniens Bädern Mischbatterien eingebaut und Fliesen verlegt.

Quelle: aboutpixel.de / © mpdrei master

Die langen kalten Winter und die Temperaturen in Skandinavien sind wohl die Ursache für ein weitere badezimmertechnische Besonderheit: die finnische Sauna, die es in fast jedem Haus Finnlands gibt. In der traditionellen Form findet die komplette Reinigung dort statt, so dass die Sauna das Badezimmer ersetzt. In modernen Wohnhäusern werden Badezimmer und Sauna oftmals zusammengelegt. Wie die römischen Thermen hat die Sauna in Skandinavien eine große Bedeutung bei der Pflege sozialer Kontakte. Unter Geschäftsleuten ist es beispielsweise üblich, sich in der Sauna zu treffen und dort geschäftliche Entscheidungen zu fällen.

Schwieriger ist es, eine Erklärung dafür zu finden, warum in Frankreich die „toilettes à la turque” genannten Hock- bzw. Stehtoiletten weit verbreitet sind, diese in Deutschland aber nicht verwendet werden.
In Australien gibt es auffällig viele Sanitärobjekte aus Edelstahl, was mit dem hohen Vorkommen an Eisenerz in Down Under zusammenhängt. Eine weitere Besonderheit, die nahezu ausschließlich in Australien zu finden ist: Das Urinal in Form einer Rinne, die meist die gesamte Wandlänge des Sanitärraumes einnimmt.

Foto: John Goodridge

In der islamischen Welt widerspricht die Verwendung von Toilettenpapier der traditionellen Auffassung von Sauberkeit. So findet man neben der Toilette meist einen Wasserschlauch oder eine zusätzliche Wasserspülung. Weil die Reinheit auch unter religiösen Aspekten eine wichtige Rolle spielt, kommt dem Bad in den arabischen Ländern eine besondere Bedeutung zu. Das islamische Bad, der Hammam ist eine Mischung aus der griechisch-römischen und der asiatischen Badekultur. Er ist in drei Hauptbereiche unterteilt: In einen Umkleideraum, einen relativ warmen Raum und einen heißen Raum. Die Räume werden grundsätzlich nur durch Oberlichter in der Deckenkuppel belichtet. In arabischen Städten erfüllt der Hammam auch heute noch eine wichtige soziale Funktion.

Foto: Hammam Granada

Ähnlich wie im Islam gibt es im buddhistischen Japan eine Verbindung von körperlicher und seelischer Reinheit. Auch ist das Bad eine soziale Angelegenheit: Die Mitglieder einer Familie baden im Allgemeinen gemeinsam in einer Badebottich. Bisweilen werden auch Gäste zum Bad eingeladen. Ist die Wanne nicht groß genug für alle, wird nach alter Tradition in hierarchischer Reihenfolge gebadet. Deswegen ist es sehr wichtig, sich vor dem Wannenbad gründlich einzuseifen und abzuspülen, um das Badewasser nicht zu verunreinigen. Das eigentliche Bad dient nicht mehr der Reinigung, sondern dem sozialen Kontakt und dem Wohlbefinden. Mit deutlich über 40 Grad Celsius ist das Badewasser in Japan wesentlich heißer als bei uns. Die meisten Wohnungen in Japan verfügen heute über ein „ofuro“ genanntes Badezimmer, öffentliche Bäder sind sehr verbreitet.

Ofuro in Tamahan ryokan, Kyoto; Foto: Michael Maggs

Während die japanische Badekultur sehr traditionell ist, scheinen die Toiletten in Japan – aus deutscher Sicht – aus einem Science-Fiction-Film zu stammen. In etwa der Hälfte der japanischen Haushalte ist ein „Washlet“ – eine Art Bidettoilette – installiert, die unzählige Funktionen aufweist: Warmluftgebläse, Sitzheizung, Massagefunktion, einstellbare Wasserstrahlen, automatischer Deckelöffner, automatische Spülung, Funkbedienelemente, Heizung und Klimaanlage, die entweder in die Toilette oder in die Klobrille integriert ist. Bedient werden diese Hightech-Toiletten mittels einer separaten Steuerung, die seitlich befestigt ist und oft per Funk mit der Toilette kommuniziert.

Eine weitere Besonderheit bei den japanischen Toiletten ist ein „otohime“ genannter Apparat, der die Geräusche bei der Toilettennutzung mit einem Rauschen überdeckt. Fehlt er, neigen die Japaner dazu, zu diesem Zweck kontinuierlich die Spülung zu betätigen, was den Wasserbrauch erheblich steigert. Der „otohime“ wird mittlerweile standardmäßig in die meisten Neubauten öffentlicher Toiletten installiert und bei vielen älteren Anlagen nachgerüstet.

Das Tragen von Toilettenpantoffeln, die bei Betreten der Toilette angezogen werden, hilft den Japanern dabei, den Kontakt zwischen dem als „unrein“ geltenden Toilettenraum und dem „reinen“ Wohnbereich zu minimieren.

Quelle: Chris 73

Die traditionelle japanische Toilettenform ist das Stehklo – japanisch „washiki“ –, das in dieser Form in ganz Asien verbreitet ist und deshalb auch „asiatische Toilette“ genannt wird. Es ähnelt einem kleinen, liegend in den Boden eingelassenen Urinal. Viele öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Tempel und Bahnhöfe sind oft ausschließlich mit solchen Stehtoiletten bestückt.

In vielen Entwicklungsländern hingegen ist nicht die Frage wichtig, wie die Bäder und Toiletten aussehen, sondern, ob es sie überhaupt gibt. Gerade in ländlichen Regionen hat meist nur ein Bruchteil der Bevölkerung Zugang zu sanitären Anlagen. In illegalen Wohngebieten ist oft noch nicht einmal die Wasserversorgung – als Grundvoraussetzung für Hygiene – gesichert.

Mehr zur Geschichte des privaten Hausbades 1850 -1950
Übersicht der Themenserie "Zukunftstrends im Bad"
Teil 2: Bäder für alle - barrierefrei, seniorengerecht
Teil 3: Wasserverbrauch im Bad reduzieren

Teil 4: Messevorschau SHK Essen 2010

Teil 5: Heizen und Lüften im Bad
Teil 6: Neues Bad in alten Mauern

Teil 7: Enorme Bandbreite an Stilen

Teil 8: Materialien im Bad: Hightech trifft Tradition

Teil 9: „Evidenz“ – Interview mit den Palombas

Teil 10: Von Home-Spa bis Easy Bathroom

Teil 11: Das unsichtbare Bad

Teil 12: Back to the roots

Quelle: Chris 73

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