Nachbericht „Faszination Fassade“ in Stuttgart
Detail-Kongress: Gebäudehüllen von morgen entwerfen

Das Tramdepot in Bern von Penzel Valier war eines der Projekte, die beim Fassadenkongress von Detail in Stuttgart vorgestellt wurden. © Dominique Uldry
Längst sind die Zeiten vorbei, da Fassaden vor allem Schutz boten und dem Gebäude ein Gesicht gaben. Heute müssen sie Wärme- und Sonnenschutz vereinen, Starkwinden und Hochwasser trotzen, einbruchssicher sein und dennoch einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck haben. Entsprechend groß war die thematische Bandbreite der Vorträge beim Detail-Kongress „Faszination Fassade“ Anfang Mai in Stuttgart. Als Rednerinnen und Redner traten unter anderem Vertreter von AFF Architekten, Penzel Valier, Studio Esch Rickenbacher und Studiomolter auf. Sie präsentierten sanierte Bestandsbauten, aber auch wegweisende Neubauten vom Tramdepot bis zum Stadion, die in puncto Fassadentechnologie Maßstäbe setzen.


Die Spore Initiative in Berlin von AFF Architekten setzt Maßstäbe für handwerkliche Perfektion. © Tjark Spille
Fassadenhandwerk aus Ziegeln und Sichtbeton
AFF Architekten sind bekannt für die enge Zusammenarbeit mit den Bauhandwerkern und den hohen ästhetischen Anspruch, den sie an ihre Bauwerke stellen. In den vergangenen beiden Jahren hat das Büro in Berlin zwei auf den ersten Blick artverwandte und doch sehr unterschiedliche Projekte realisiert, die Ulrike Dix dem Publikum vorstellte. Beim Umbau des Kornversuchsspeichers bekam es das Büro mit einer der ersten Betonkonstruktionen in der deutschen Hauptstadt zu tun, die nach über 100-jähriger Nutzung extrem baufällig geworden war. Die Sanierung der Betonskelettfassade mit Ziegelausfachung war ein Kraftakt mit glücklichem Ausgang. Das Gebäude hat mit dem Umbau eine neue (Büro-)Nutzung erhalten – einschließlich größerer Fenster und neuer Außenbalkone, die vom Denkmalschutz genehmigt wurden.
Angepasst an die Nachbarn
Ziegelrot präsentieren sich auch die Fassaden der Spore Initiative in der Berliner Hermannstraße. Bei dem von einer Stiftung finanzierten Ausstellungsgebäude kombinierten die Architekten drei Fassadenmaterialien miteinander: roten Sichtbeton, Recyclingziegel und neu gebrannte Ziegel. Die Fassadenfarbe und -struktur sind der unmittelbaren Nachbarbebauung aus historischen Ziegelgebäuden entlehnt, die Höhe der Neubauten orientiert sich an den Häusern entlang der Hermannstraße.


Große Hubtore erlauben den Trambahnen die Einfahrt in das Berner Tramdepot. © Dominique Uldry


Der Neubau des SRF-Campus in Zürich während der Bauphase, © Georg Aerni
Fassadenplanung digital
Eine ganz andere Herangehensweise präsentierte Pascal Bach vom Zürcher Architektur- und Ingenieurbüro Penzel Valier. Dessen Bauten beeindrucken durch die enge Symbiose aus Architektur, Tragwerks- und Fassadenplanung. Erreicht wird diese unter anderem durch digitale Werkzeuge, mit sich verschiedene Entwurfsvarianten simulieren und evaluieren, Daten gewinnen und in Bezug setzen lassen. Pascal Bach stellte in seinem Vortrag zwei Neubauten vor: Das Tramdepot in Bern wurde in mehreren Bauabschnitten realisiert uns war daher von Anfang an erweiterbar geplant – einschließlich der vorgefertigten Aluminiumfassaden, die nach ihrem zwischenzeitlichen Abbau an anderer Stelle am Gebäude erneut zum Einsatz kamen. Beim Bürogebäude für den Schweizer Nationalfonds stand mit dem Brise-Soleil ein klassisches Element der Architektur im Fokus. Pascal Bach erläuterte an diesem Bauteil beispielhaft, wie datengestütztes Design bei Penzel Valier funktioniert, wie sich also etwa Sonnenschutz und Lichteinfall durch zahlreiche Iterationen mithilfe von Grasshopper-Algorithmen optimieren lassen.


Zwei Kopfbauten mit Wellblechverkleidung, dazwischen eine langgestreckte Balkonzone: Das ehemalige Coop-Weinlager in Basel ist nach seiner Transformation durch Esch Sintzel Architekten kaum wiederzuerkennen. © Jakob Schoof
Vom Weinlager zum Wohngebäude
Näher auf das Thema „Bauen im Bestand“ gingen die beiden abschließenden Vorträge des Kongressprogramms ein. Marco Rickenbacher vom Studio Esch Rickenbacher präsentierte den Umbau des Weinlagers in Basel, den das Büro noch unter seinem vorigen Namen Esch Sintzel Architekten realisiert hat. Er erläuterte die eindrucksvolle Transformation des Bauwerks vom viergeschossigen Wellblechbau zum Wohngebäude mit 64 Einheiten. Obwohl die Fassaden radikal geöffnet wurden und breite vorgestellte Balkone erhielten, sieht man dem Bau seine industrielle Vergangenheit nach wie vor an. Die Herausforderungen, die es auf dem Weg zu meistern galt, waren zahllos: von mangelnder Erdbebensicherheit über eine zum Wohnen ungeeignete Gebäudetiefe von 30 m bis zur Frage, wie der Wegfall der tragenden Fassadenbrüstungen kompensiert werden sollte.


Bei der Fassadensanierung und Erweiterung eines stadtbildprägenden Hochhauses aus den 1960er-Jahren kombinierten die Architekten Studiomolter Aluminiumtafeln mit Photovoltaikmodulen. © Alfons Bayerer


© Herbert Stolz
Wohnhochhaus im neuen Kleid
Ein Wohnturm aus den 1960er-Jahren in Regensburg war das Thema des Vortrags von Philipp Molter. Nach der Sanierung hüllt sich der Bau in eine kreislauffähige und stromerzeugende Fassade. Zudem wurde durch größere Fensteröffnungen die Wohnqualität gesteigert – und das, obwohl in dem Hochhaus vor allem geförderte Wohnungen untergebracht sind. Für die Sanierung der zahlreichen Wohnhochhäuser aus der Zeit zwischen 1950 und 1970 in Deutschland setzt der Regensburger Bau, bei dem zudem auch intensiv über Energielösungen im Quartier nachgedacht wurde, Maßstäbe.


Aluminium-Wabenkernpaneele lassen sich unter anderem zu Elementfassaden, Verschattungselementen und Freiform-Fassadenverkleidungen verarbeiten. © Alucoil
Kraftakt im Stadionbau
Ganz andere Facetten des Fassadenbaus deckten die Vorträge der beiden Sponsoren Alucoil und Seele ab. Mourad El Garci von Alucoil stellte die gestalterische Bandbreite vor, die sich mit Fassaden aus Aluminium-Wabenkernpaneelen realisieren lässt. Das Produkt stammt ursprünglich aus dem Flugzeug- und Fahrzeugbau und wird seit etwa 20 Jahren auch an Fassaden verbaut. Seine Pluspunkte sind das leichte Gewicht und die Vielfalt der Anwendungen – von vorgehängten hinterlüfteten Konstruktionen über Elementfassaden bis zu Verschattungselementen ist mit den Aluminiumpaneelen nahezu alles möglich. Auch eine schnelle Fertigung: Derzeit entsteht in Rabat das Moulay Abdellah-Stadion für die Fußball-Weltmeisterschaft 2030. Die Fertigstellung ist bereits 2026 geplant – eine Herausforderung für das planende Büro Populous und Alucoil als Hersteller der Fassadenelemente. Dank eines komplett parametrischen Prozesses, der Änderungen der Stadiongeometrie direkt in die Form der einzelnen Fassadenelemente übersetzte, war es dennoch möglich, die mehreren tausend Fassadenpaneele termingerecht zu liefern.
Fassaden in Bewegung
Als Leiter der Abteilung Materials and Testing hat Steffen Dix vom Unternehmen Seele die neuesten Entwicklungen im Fassadenbereich im Blick. In Stuttgart gab er eine kurze Übersicht zu den Stand der Arbeiten an den Lichtaugen und den Eingangsbereichen des neuen Hauptbahnhofs. Hauptthema seines Vortrags jedoch waren dynamische Elemente der Gebäudehülle, wie etwa gebäudehohe automatische Schiebtüren für die Apple-Kantine, ein über 10 m langes Guillotine-Fenster für ein Wohnhaus in London und ein rotierender Sonnenschutz um die Glaskuppel einer Bibliothek. Den Abschluss bildete eine etwas alltäglichere Anwendung: die zwischen Prallscheibe und Isolierverglasung integrierten Sonnenschutzlamellen bei Isoshade.
Der Kongress „Faszination Fassade“ von Detail fand am 9. Mai im Haus der Architektinnen und Architekten in Stuttgart statt. Er wurde von den Unternehmen Alucoil, Seele, Moeding und Prefa finanziell unterstützt. Wir danken allen Teilnehmerinnen und Referenten, unseren Sponsoren und der Architektenkammer Baden-Württemberg als Gastgeberin.
Text: Claudia Hildner und Jakob Schoof
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