Fassade 2006: Mehr als nur das Äußere - Auf der Suche nach einem ganzheitlichen Ansatz

„Das Bauen im Bestand“ wird künftig die überwiegende Zeit der Bauschaffenden, und hier naturgemäß der Architekten, in Anspruch nehmen.
Experten schätzen, dass nur 10 Prozent des Arbeitsaufwands für die Neubauten, die üppigen restlichen 90 Prozent hingegen für die Sanierung und die Erneuerung des Altbestand aufgewendet werden müssen. Fest steht auch: das Bauen im Bestand dreht sich insbesondere um neue, umfassende und natürlich schlüssige Konzepte der Fassadengestaltung. Und Fassade meint mehr als nur die zu gestaltende äußere Hülle eines Gebäudes: es impliziert Themen wie Raumklima, Versorgungstechnik, Energieeinsparung und Bauphysik bis hin zur Energiegewinnung. Also ein komplexes Feld, über das mit Wissenschaftlern und Praktikern gleichermaßen zu reden ein Gebot ernsthafter und verantwortungsvoller Architektur sein kann.
Prof.’in Dr. Uta Pottgiesser und Prof. Dr. Ulrich Knaack, beide lehren am Fachbereich Architektur und Innenarchitektur, taten dies, als sie zum 2. Fassaden-Symposium am 20. Oktober nach Detmold an die Fachhochschule einluden und damit ihre im vergangenen Jahr eröffnete Veranstaltungsreihe fortsetzten. Rund 80 Experten waren aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Pottgiesser: „Eine Resonanz, mit der wir sehr zufrieden sein können.“
Knaack umreißt das grundsätzliche Problem der Branche: der Komplex „Fassadensanierung“ sei ein „voller und zugleich starrer Markt“, mit immer den gleichen Problemen, die noch nicht gelöst wurden. Probleme im denkmalpflegerischen Kontext, aber auch rein technische Hindernisse. Knaack: „Wir wissen sehr viel in einzelnen Disziplinen, aber es fehlt eine verbindende Gesamtstrategie.“ Das Puzzle aus Technik, Gestaltung, Ökologie und Ökonomie ist noch nicht zu einem einheitlichen sanierungs-denkmalpflegerischen Ganzen zusammengefügt.
Die Experten bringen nun die einzelnen Puzzelteile zusammen. Etwa Referent Prof. Dr. Bernhard Weller von der TU Dresden. Er favorisiert eine „fassadenintegrierte Photovoltaik“ - gerade für historische Gebäude -, meint damit einzelne Energie gewinnende Bausteine, die „nicht häßlich aussehen müssen, sondern gestaltenden Charakter haben“. Winfried Brenne, Architekten aus Berlin, ergänzt: Man müsse das Potenzial erkennen, das in jedem alten Gebäude schlummert, um Energie einzusparen und für eine optimale Klimatisierung im Haus zu sorgen. Und auch dieser futuristisch anmutende Gedanke ist den Fassaden-Experten nicht fremd: Das Haus, das sich zu annähernd 100 Prozent selbst mit Energie versorgt, beispielsweise mit Hilfe von kleinen Windkraftanlagen auf dem Dach.
Prof. Dr. Alan Brooks, aus England angereister, international renommierter Architekt, sieht Handlungsbedarf in Sachen integraler Ansatz der Fassadengestaltung und -erneuerung. Seit den 60er Jahren befasst er sich mit diesem Thema, sieht die Deutschen im internationalen Vergleich hier weit vorne, weil Wissenschaftler, Hochschulen und Firmen gemeinsam Zukunftspläne entwickeln: „Die Fachleute stehen in der Verantwortung, das Risiko verpasster Chancen ist groß.“
Wärmedämmung, Energiegewinnung, Raumklima, Wohlbehagen: die Fassade ist mehr als nur das äußere Gewand. Dies den Studenten nahe zu bringen, sei, so Uta Pottgiesser, ein elementarer Bereich der Architekten- und Innenarchitektenausbildung. Und Symposien wie die „fassade 2006“ mit diesem Thema können nicht hoch genug gelobt werden, meinte der weit gereiste Brooks auf der Pressekonferenz zum Symposium mit einem wohlwollenden und zugleich Optimismus verbreitenden Lächeln. Gute Voraussetzungen also, für den im Wintersemester 07/08 an der FH Lippe und Höxter geplanten internationalen Fassademaster und das im nächsten Jahr stattfindende Symposium „fassade2007- Internationale Fassaden“.
Bei Interesse kann der Tagungsband mit Referentenberichten für 15,00 Euro über jessica.brackmann@fh-luh.de bezogen werden.
Quelle: Fachhochschule Lippe und Höxter