09.11.2006

Sanierung von Altbauten kann großen Beitrag zum Klimaschutz leisten


Das 8. Herbstforum Altbau des Impuls-Programms Altbau Baden-Württemberg am 27. Oktober in Ettlingen machte klar: Gerade Hausbesitzer können für den Klimaschutz aktiv werden.

Unwetter und Überschwemmungen gab es schon immer. Aber, so erklärte Professor Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel auf dem 8. Herbstforum Altbau des Impuls-Programms Altbau Baden-Württemberg am 27. Oktober in Ettlingen bei Karlsruhe anschaulich: „Durch den vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen, besonders von Kohlendioxid, zinkt der Mensch quasi den Würfel. Es gibt jetzt deutlich mehr Sechsen.“ Damit spielte er auf die statistische Zunahme extremer Wetterereignisse an. Der in den letzten 100 Jahren zu beobachtenden Anstieg der Mitteltemperatur der Erde um 0,8 Grad Celsius gehe in weiten Teilen auf menschliche Einflüsse zurück, so der Klimaforscher. „Wenn wir weitermachen wie bisher, steigen die Mitteltem-peraturen bis 2100 um bis zu sechs Grad Celsius.“ Die voraussichtlichen Folgen: Die Meeresspiegel steigen an, in gemäßigten Klimazonen häufen sich Starkniederschläge, während die bereits heute regenarmen Subtropen weiter austrocknen und auch wir im Sommer mit längeren Trockenperioden rechnen müssen. „Die Elbe-Flut hat uns die Schäden extremer Wetterereignisse bereits anschaulich gemacht“, warnte Latif. Und: „Um gravierende Klimaänderungen in den nächsten hundert Jahren zu vermeiden, müsste der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2100 auf unter zehn Prozent des heutigen Wertes gesenkt werden.“

Über Energieeinsparverordnung hinaus denken

Immerhin ein Drittel des CO2-Ausstoßes in Baden-Württemberg gehe auf das Konto der Gebäudebeheizung und Warmwasserbereitung, so Ministerialdirektor Bernhard Bauer vom Umweltministerium des Landes. 90 Prozent davon verursachten die Altbauten, die aber nur 67 Prozent des Bestandes ausmachten. „Wir müssen über den Standard der Energieeinsparverordnung hinaus denken“, forderte Bauer. „Neben Heizung und Wärmedämmung gewinnt dabei auch der Aspekt der kontrollierten Lüftung an Bedeutung.“ Das Land mache sich in diesem Zusammenhang ebenfalls für die Einführung eines Regenerative-Wärme-Gesetzes auf Bundesebene stark, das den Einsatz erneuerbarer Energien entscheidend voranbringen könne.

Deutschland ist europaweit vorne

Hans Erhorn, Versorgungs- und Umwelttechniker beim Fraunhofer Institut für Bauphysik in Stuttgart, lobte in seinem Vortrag „Energetische Bewertung von Gebäuden – Hürden und Chancen“, das fundierte Wissen zum Thema Energieverbrauch und Einsparmöglichkeiten sowie die guten Werkzeuge dazu in Deutschland: „EU-Energie-Kommissar Andris Piebalgs nutzte die deutschen Vorlagen für den geplanten Energieausweis für Gebäude kürzlich für Presse-Fotos. Außer in Dänemark liegen nämlich noch keine Ausweise vor.“ Dabei sind alle Mitgliedsländer aufgerufen, die EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden vom 16. Dezember 2002 in nationales Recht umzusetzen. „Und diese Umsetzung ist wichtig, denn Europa besitzt weltweit Vorbildfunktion in Sachen Klimaschutz.“ In Deutschland sei die Umsetzung mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) bereits in weiten Teilen gelungen. Offen ist unter anderem aber noch die Einführung des Energieausweises für bestehende Wohngebäude, wenn der Eigentümer diese verkauft oder vermietet. „Für Häuser mit bis zu vier Wohneinheiten ist ein Bedarfsausweis vorgesehen, der im Gegensatz zu einem Verbrauchsausweis einen vom Nutzerverhalten unabhängigen Wert ermittelt und damit einen Vergleich erleichtert.“ Der Aussteller sei übrigens künftig auch verpflichtet, dem Eigentümer mögliche kostengünstige Modernisierungsmaßnahmen zu nennen, die die energetischen Eigenschaften des Hauses verbessern. „Energieeffizienz ist die Herausforderung unserer Generation“, schloss Erhorn seinen Beitrag.

Praxisbeispiel:
Energetische Modernisierung eines Einfamilienhauses in Ettlingen

Die über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Herbstforums, ein Fachpublikum aus Altbaumodernisierern, Energieberatern, Architekten, Ingenieuren und Handwerkern, erfuhren anschließend, wie sie konkret zur Vermeidung von Kohlendioxid-Emissionen beitragen können. Denn Regine Zeh, Energieberaterin aus Ettlingen, beschrieb einen beispielhaften Fall vor Ort. Ein Einfamilienhaus mit schlechter Energiebilanz aus den 1930er Jahren sollte in ein modernes Wohnhaus mit vorbildlichen Energieverbrauchskennwerten verwandelt werden. Das gelang: Statt bisher 104 Kilogramm Kohlendioxid pro Quadratmeter und Jahr emittiert das Gebäude heute nur noch sechs Kilogramm. „Statt 7.400 Liter Heizöl für 4.150 Euro jährlich schluckt die Heizung jetzt zwei Tonnen Holzpellets für 550 Euro“, berichtete Zeh. „Der Heizwärmebedarf sank von 175 auf nur 32 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.“

Um das zu erreichen, ließen die Bauherren das alte Dach komplett abtragen und durch ein neues, luftdicht ausgeführtes mit schlanken Holzsparren und 30 Zentimeter Zwischensparrendämmung ersetzen. Die alten zugigen Rollläden verschwanden im ganzen Haus. Die im Zuge der Modernisierung vergrößerten Fenster rückten die Handwerker nach außen, so dass sie wärmebrückenfrei überdämmt werden konnten. Die Dachflächenfenster erhielten eine Drei-Scheiben-, die übrigen Fenster eine Zwei-Scheiben-Wärmeschutzverglasung. Außerdem stand die Trockenlegung und wärmebrückenfreie Dämmung des Kellers auf dem Programm. „Der U-Wert, also der Wärmedurchgangskoeffizient, der Außenwand verbesserte sich damit von 1,7 auf 0,2 Watt pro Quadratmeter und Kelvin“, erklärte die Energieberaterin. Die fünfköpfige Familie, die das 170-Quadratmeter-Haus auch während des Um-baus bewohnte, entschied sich zudem für eine komplett neue Heizungsanlage. Das Herzstück steht im Wohnzimmer: Es ist ein stufenlos regelbarer Pelletprimärofen, der 20 Prozent der erzeugten Wärme direkt an die Raumluft abgibt. Der Rest erhitzt über einen Wärmetauscher das Heizwasser. „Eine thermische Solaranlage mit 14 Quadratmetern Flachkollektoren trägt über eine Vorrangschaltung gleichwertig zur Wärmeerzeugung bei“, sagte Zeh. „Und ein Lüftungsgerät, das zusätzlich zur Wärme auch die Feuchtigkeit aus der Abluft zurückgewinnt, sorgt für eine jährliche Energieeinsparung von 15 bis 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter.“ Eine Bewohnerin des Gebäudes war anwesend und bestätigte, dass mit der Sanierung Verbesserungen bei der Wohnqualität und den Energiekosten erreicht worden seien.

Ökologische Argumente reichen nicht

„Bei einer Energiediagnose lautet die erste Frage des Kunden: 'Wie wirtschaft-lich ist denn die vorgeschlagene Maßnahme?'“, so Dr. Volker Kienzlen, Geschäftsführer der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA) und formulierte die Schwierigkeiten, die sich bei solchen Rechnungen ergeben. Damit die Kalkulation für den Hausbesitzer nachvollziehbar sei und sich verschiedene Optionen auch wirklich vergleichen ließen, empfahl Kienzlen die Annuitätenmethode, bei der die durchschnittlichen Jahreskosten ermittelt werden. „Eine Maßnahme ist dann wirtschaftlich, wenn die mittleren jährlichen Kosten als Summe der künftigen Energiekosten, der Wartungs- und Instandhaltungskosten und der auf die Lebensdauer herunter gebrochenen Investitionen niedriger ist als die bisherigen Energiekosten.“ Doch solle eine gute Energieberatung nicht versäumen, auch die nicht in Geld zu bemessenden Faktoren angemessen zu betonen. So führten zum Beispiel gedämmte Wände sowohl im Winter als auch im Sommer zu einem angenehmeren Wohnklima, und Bauschäden durch eindringende Feuchtigkeit würden vermieden. Mit der Nutzung erneuerbarer Energien mache sich der Kunde zudem unabhängig von Importen, stärke die heimische Wirtschaft und trage zum Klimaschutz bei.

Würden energetische Sanierungen im Zusammenhang mit ohnehin anstehenden Modernisierungen durchgeführt, was häufig der Fall sei, dann könnten die „Sowieso-Kosten“ aus der Wirtschaftlichkeitsrechnung herausgerechnet werden. Anzusetzen sei dann nur die Differenz zwischen Standardlösung und energetisch verbesserter Variante, zum Beispiel die Mehrkosten für dreifach verglaste Fenster. Auf der anderen Seite aber müsse der Restwert von Bauteilen addiert werden, die das Ende ihrer Lebensdauer noch nicht erreicht hätten.
Schwierig sei allerdings, die Zins- und die Preisentwicklung für die nächsten Jahre und Jahrzehnte einzuschätzen. „Seriöserweise muss man feststellen, dass angesichts dieser Unsicherheiten keine exakte Aussage über das wirtschaftliche Optimum einer Sanierung getroffen werden kann“, gab Kienzlen zu. Doch vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und zunehmender Umweltprobleme solle die Energieberatung die Vorteile höherwertiger Maßnah-menkombinationen herausstellen.

Haftung sichert Qualität

Energieberater sollen eine qualitativ hochwertige und umfassende energetische Beratung von Hausbesitzern sicherstellen. „Dazu schließen sie mit dem Auftraggeber einen Vertrag, der meines Erachtens den Charakter eines Werkvertrages hat“, erklärte der Stuttgarter Rechtsanwalt Karsten Meurer in seinem Vortrag „Beraterhaftung – lästiges Übel oder Notwendigkeit?“. „Der Energieplaner schuldet nämlich einen Erfolg – die richtige Berechnung nach EnEV. Während der Ausführungsphase schuldet er eine Überwachungsleistung bzw. das mangelfreie Entstehen lassen der energetisch wichtigen Arbeiten.“ Die Gewährleistung im Rahmen eines Werkvertrags liegt bei fünf Jahren. Die Frist beginnt mit der vorgeschriebenen Abnahme durch den Auftraggeber. „Wird der Erfolg nicht erreicht, muss der Bauherr jedoch nicht abnehmen.“ Die Bedeutung des Energie-Ausweises werde durch die Haftung des Energieplaners unterstrichen, hob Meurer hervor. „Wenn jetzt noch das Honorar stimmt, dann muss es heißen: Die Haftung des Energieplaners ist ein notwendiges Übel zur Sicherung einer qualitätvollen Energieberatung.“

Die hohe Qualität von Energieberatungen in Baden-Württemberg sicherzustellen, ist auch Anliegen des Impuls-Programms Altbau. „Wir möchten die Kräfte im Land bündeln“, hieß es. Bereits heute unterstützt die Initiative des Landes mit Veranstaltungen wie dem jährlichen „Herbstforum Altbau“ die Qualifizierung der Fachkräfte.

Weitere Informationen zum „Impuls-Programm Altbau Baden-Württemberg“ fin-den Sie unter: www.impuls-programm-altbau.de.
https://detail-cdn.s3.eu-central-1.amazonaws.com/media/catalog/product/P/r/Produkte_Olympia-Schwimmhalle-Contiplus-B2_735_2.jpg?width=437&height=582&store=de_de&image-type=image
Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse ein, um einen Link zum Zurücksetzen Ihres Passworts zu erhalten.
Pflichtfelder
oder
Copyright © 2023 DETAIL. Alle Rechte vorbehalten.